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Das «Dach Europas»: Der Berg, den es gar nicht gibt
Julius Cäsar hielt das Gotthardmassiv für die höchste Erhebung der Alpen (Summae Alpes) und damit der ihm bekannten Welt. Diese nicht ganz korrekte Vorstellung hielt sich bis ins 18. Jahrhundert – erst 1716 korrigierte Johann Jakob Scheuchzer den Irrtum.
Karte: Universitättsbibliothek Basel
Auch später, als längst bekannt war, dass andere Berge den Gotthard bei weitem überragen, behielt der Gebirgsstock in der Kette der Zentralalpen eine besondere Bedeutung. Goethe schrieb 1779 aus der Schweiz:
Quelle: «NZZ Folio»
Bild: Gemeinfrei
In der Tat ist das Gotthardmassiv ein Kreuzungspunkt: Hier treffen ost-westliche (Vorderrheintal-Rhonetal) und nord-südliche (Reusstal-Leventina) Alpenfurche aufeinander. Und hier entspringen vier der grossen Alpenflüsse: die Quellen von Reuss, Rhone und Ticino liegen allesamt im Gebiet der sogenannten Gotthardgruppe, und auch mehrere Quellflüsse des Vorderrheins entspringen hier.
Das Gotthard-Massiv als Wasserschloss und Wasserscheide: Gern bemüht man das Bild des Wassertropfens, der auf eine Steinkante direkt auf der Europäischen Hauptwasserscheide fällt und von dort – je nachdem, auf welche Seite der Kante er trifft – seine Reise zur Nordsee oder zum Mittelmeer antritt.
Karte: Wikimedia/Pechristener
Manche Geologen betrachten das Gotthardmassiv als eigenständige Gebirgsgruppe, andere schlagen es den Zentralschweizer Alpen oder den Lepontinischen Alpen zu.
Die höchsten Gipfel sind im Kerngebiet der Pizzo Rotondo (3'192 m ü. M.) und die Muttenhörner (3'099 m ü. M.). Im erweiterten Gebiet zählen auch der Piz Medel (3'210 m ü. M.) und der Dammastock (3'630 m ü. M.) zu den höchsten Erhebungen.
Die wichtigsten Gipfel des Gotthardmassivs
Der Gotthard verdankt seinen Ruf als Kreuzungspunkt, Zentrum und «Dach Europas» allerdings nicht nur den topographischen Gegebenheiten. Hier treffen auch verschiedene Sprach- und Kulturräume aufeinander: Der Mittelpunkt bildet hier zugleich die Grenze zwischen dem mediterranen und mitteleuropäischen Teil des Kontinents.
Mehr noch aber ist der Gotthard, seitdem die Schöllenen bezwungen wurde, ein Durchgang. Das Massiv ist denn auch nach dem Pass benannt, nicht etwa umgekehrt – einen Berg namens «Gotthard» hat es gar nie gegeben. Der Name «Sankt Gotthard» stammt von dem Benediktiner Godehardus, der Bischof von Hildesheim war und 1131 heilig gesprochen wurde.
Diesem Godehardus weihte der Erzbischof von Mailand – vermutlich gegen Ende des 12. Jahrhunderts – eine Kapelle auf der Passhöhe, die darauf dem Pass den Namen gab. Der Name des Hospizheiligen verdrängte bald auch die älteren Bezeichnungen für den mehrgipfligen Gebirgsstock wie «Elvel», «Mons Elvelinus» (rätoromanisch «Munt Avellin») oder «Mons Ursarie» («Ursernberg»).
