Julius Cäsar hielt das Gotthardmassiv für die höchste Erhebung der Alpen (Summae Alpes) und damit der ihm bekannten Welt. Diese nicht ganz korrekte Vorstellung hielt sich bis ins 18. Jahrhundert – erst 1716 korrigierte Johann Jakob Scheuchzer den Irrtum.
«Summae Alpes. Der Gothart», Ausschnitt aus Aegidius Tschudis Schweizerkarte von 1538. Karte: Universitättsbibliothek Basel
Auch später, als längst bekannt war, dass andere Berge den Gotthard bei weitem überragen, behielt der Gebirgsstock in der Kette der Zentralalpen eine besondere Bedeutung. Goethe schrieb 1779 aus der Schweiz:
«Der Gotthard ist zwar nicht das höchste Gebirge der Schweiz, und in Savoyen übertrifft ihn der Montblanc an Höhe um sehr vieles; doch behauptet er den Rang eines königlichen Gebirges über alle andere, weil die grössten Gebirgsketten bei ihm zusammenlaufen und sich an ihn lehnen. (...) So befindet man sich hier auf einem Kreuzpunkte, von dem aus Gebirge und Flüsse in alle vier Himmelsgegenden auslaufen.»
Goethe hielt den Gotthard für ein «königliches Gebirge». Bild: Gemeinfrei
In der Tat ist das Gotthardmassiv ein Kreuzungspunkt: Hier treffen ost-westliche (Vorderrheintal-Rhonetal) und nord-südliche (Reusstal-Leventina) Alpenfurche aufeinander. Und hier entspringen vier der grossen Alpenflüsse: die Quellen von Reuss, Rhone und Ticino liegen allesamt im Gebiet der sogenannten Gotthardgruppe, und auch mehrere Quellflüsse des Vorderrheins entspringen hier.
Das Gotthard-Massiv als Wasserschloss und Wasserscheide: Gern bemüht man das Bild des Wassertropfens, der auf eine Steinkante direkt auf der Europäischen Hauptwasserscheide fällt und von dort – je nachdem, auf welche Seite der Kante er trifft – seine Reise zur Nordsee oder zum Mittelmeer antritt.
Das Gotthardmassiv, in dem der Alpenhauptkamm und der Nebenkamm aufeinandertreffen, wird von Geologen und Geografen je nach Gesichtspunkt anders abgegrenzt und eingeordnet. Das Kerngebiet erstreckt sich über gut 20 km Länge vom Furkapass im Westen über den Gotthardpass bis zum Oberalppass im Nordosten. Oft wird im Westen auch noch das Gebiet bis zum Nufenenpass oder darüber hinaus bis Brig, im Osten bis zum Lukmanierpass oder gar bis zum Greinapass dazugerechnet. Nördlich ist das Massiv durch das Urserental, südlich durch das Bedrettotal begrenzt; manchmal wird gegen Norden auch die Dammagruppe noch mit eingeschlossen.
Manche Geologen betrachten das Gotthardmassiv als eigenständige Gebirgsgruppe, andere schlagen es den Zentralschweizer Alpen oder den Lepontinischen Alpen zu. Die höchsten Gipfel sind im Kerngebiet der Pizzo Rotondo (3'192 m ü. M.) und die Muttenhörner (3'099 m ü. M.). Im erweiterten Gebiet zählen auch der Piz Medel (3'210 m ü. M.) und der Dammastock (3'630 m ü. M.) zu den höchsten Erhebungen.
Der höchste Gipfel im Kerngebiet ist der Pizzo Rotondo mit 3192 m ü. M. In der Reihenfolge ihrer Gipfelhöhe folgen ... (Bild: Wikimedia/Marco Lurati)
quelle: wikimedia/marco lurati / marco lurati
Der Gotthard verdankt seinen Ruf als Kreuzungspunkt, Zentrum und «Dach Europas» allerdings nicht nur den topographischen Gegebenheiten. Hier treffen auch verschiedene Sprach- und Kulturräume aufeinander: Der Mittelpunkt bildet hier zugleich die Grenze zwischen dem mediterranen und mitteleuropäischen Teil des Kontinents.
Mehr noch aber ist der Gotthard, seitdem die Schöllenen bezwungen wurde, ein Durchgang. Das Massiv ist denn auch nach dem Pass benannt, nicht etwa umgekehrt – einen Berg namens «Gotthard» hat es gar nie gegeben. Der Name «Sankt Gotthard» stammt von dem Benediktiner Godehardus, der Bischof von Hildesheim war und 1131 heilig gesprochen wurde.
Diesem Godehardus weihte der Erzbischof von Mailand – vermutlich gegen Ende des 12. Jahrhunderts – eine Kapelle auf der Passhöhe, die darauf dem Pass den Namen gab. Der Name des Hospizheiligen verdrängte bald auch die älteren Bezeichnungen für den mehrgipfligen Gebirgsstock wie «Elvel», «Mons Elvelinus» (rätoromanisch «Munt Avellin») oder «Mons Ursarie» («Ursernberg»).
Als es am Gotthard noch gemütlich zu und her ging
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Von Osterstau keine Spur: Als es am Gotthard noch gemütlich zu und her ging
1962, Rekordverkehr am Gotthard. Kaum zu glauben, aber wahr: Bis ins Jahr 1980 gab es noch keinen Strassentunnel durch den Gotthard. Es gab nur einen Weg – über den Pass. (Bild: Comet Photo AG)
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Die beliebtesten Kommentare
tabernac
28.05.2016 11:01registriert April 2014
Sehr guter Bericht Herr Huber. :) Gefällt mir...
Sobald Watson dahinter ist ist's wieder gut. Etwas mehr davon und dafür weniger eingekauftes. Dann les ichs wieder mehr und gerne.
Es gibt da sehr wohl einen Berg der Gotthard heisst!
Als ich einmal meinen Dienst da tat, musste ein Kamerad ein Häufchen machen. Als es draussen war gefror es alsbald zu Gestein.
Und der Dienstmann erleichtert rief: "Gott, war das hart!"
Seit da gibts den Berg und er ward niemehr angerührt!
Der Aufstieg Genfs hat auch mit der Familie Turrettini zu tun. Sie brachte im 16. Jahrhundert Geld und ein internationales Beziehungsnetz aus der Toskana mit und hatte einen grossen Anteil am wirtschaftlichen Aufschwung der Calvinstadt.
Die Turrettinis gehören seit vier Jahrhunderten zu den einflussreichsten Genfer Familien. Ursprünglich aus dem toskanischen Lucca stammend, hatten sie der Calvinstadt im 16. Jahrhundert Reichtum und ein internationales Handelsnetz beschert. Natürlich nicht ohne selbst davon zu profitieren.