Forschende stellen fest: Waschbären verwandeln sich allmählich in Haustiere
Aus evolutionärer Sicht hat der Waschbär offensichtlich vieles richtig gemacht: Obwohl er grosse Schäden anrichten kann, wird er von den meisten Menschen als niedlich empfunden. In den USA ist das Tier heimisch und wird auf eine Population von rund fünf bis zehn Millionen Tieren geschätzt. Es könnten aber auch über 20 Millionen sein, ganz genau weiss das niemand.
Dass er regelmässig auch im Abfall wühlt, lässt man ihm vermutlich gerne mal durchgehen. So könnte sich zumindest die grosse Verbreitung in den USA erklären lassen. Ein paar Exemplare haben es sogar schon zum Tiktok-Star geschafft, nachdem sie als Haustier adoptiert worden sind oder einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren.
Letzteres gilt etwa für den Waschbären, wegen dem im vergangenen Jahr in den USA ein Fussballspiel unterbrochen werden musste:
Auch wenn sie nicht überall gerne gesehen und von manchen als Plage empfunden werden, sind die Waschbären bei anderen äusserst beliebt. Das hat nun Folgen. Forschende um die Co-Autorin Raffaela Lesch von der University of Arkansas haben in einer Studie rund 20'000 Bilder der Tiere verglichen und kamen zum Schluss, dass sich die Schnauzenlänge jener Waschbären, die in urbanen Gebieten leben, verkürzt hat.
Das ist auch bei Hunden und Katzen passiert, als sie allmählich domestiziert wurden: Die Schnauzen wurden kürzer, die Ohren veränderten sich, das Fell nahm ein anderes Muster an.
Der Vorteil bei diesen Anpassungen: Die Tiere wirken weniger bedrohlich auf Menschen und darauf kommt es an. Um an den Siedlungsabfall zu gelangen, müssen sie dreist sein, dürfen aber nicht bedrohlich wirken, berichtet BBC.
Gleichzeitig hat sich auch das Fluchtverhalten der Tiere verändert – sie sind weniger scheu geworden. Noch fehlen jedoch weitere Anzeichen von einer Domestizierung. «Das zeigt wahrscheinlich, dass sie sich noch in den Anfangsstadien dieses Domestikationsprozesses befinden», erklärt Lesch gegenüber ORF.
Der Nordamerikanische Waschbär breitet sich auch in Europa zunehmend aus. In Deutschland gibt es laut Schätzungen bereits bis zu 2 Millionen Tiere, in der Schweiz gibt es ihn seit den 70er-Jahren. Zwar ist die Anzahl hierzulande nicht so hoch, doch der Neozoon breitet sich vor allem in der Nordwestschweiz aus. Sie kommen aber auch andernorts im Norden der Schweiz vor.
Sichtungen müssen gemeldet und die Tiere dürfen das ganze Jahr geschossen werden. Die Folgen für das Schweizer Ökosystem sind zwar gemäss der Umweltberatung Luzern noch nicht ganz klar, es wird jedoch befürchtet, dass Waschbären anderen Tieren den Lebensraum streitig machen könnten.
Auch wenn die Tiere niedlich wirken, haben sie es in sich. Sie können Krankheiten übertragen, wühlen im Abfall und nisten sich in Dachböden ein, wo sie auch Schäden anrichten können. Werden sie gefüttert, können sie auch aufdringlich werden.
Immerhin gilt der Uhu hierzulande als grösster Feind des Waschbärs. Generell sind auch Wölfe, Rotmilane oder Seeadler natürliche Fressfeinde. Und natürlich auch der Mensch, der ihnen zwar einerseits Nahrung bietet, ihn aber auch jagt. Trotzdem: Mit dem Abschuss tun sich sogar Jägerinnen und Jäger manchmal schwer:
(vro)
