In der Schweiz sterben jedes Jahr tausende Menschen, weil wirksame Antibiotika fehlen. Ein Jahr nach der Lancierung der Strategie Antibiotikaresistenzen Schweiz (StAR) zeigen sich erste Erfolge im Kampf gegen resistente Bakterien, aber auch eine gewisse Hilflosigkeit.
«Wir können die Entwicklung nicht stoppen, höchstens verlangsamen», sagte Hansjakob Furrer, Chefarzt der Berner UniversitĂ€tsklinik fĂŒr Infektiologie, am Freitag vor den Medien in Bern. Der Grund dafĂŒr ist, dass jeder Einsatz von Antibiotika die Gefahr von Resistenzen erhöht.
Ein Ansatz der Strategie Antibiotikaresistenzen ist es daher, den Verbrauch auf ein Minimum beschrĂ€nken zu können. Die SpitĂ€ler versuchen, mit Richtlinien fĂŒr eine sachgerechte Anwendung von Antibiotika zu sorgen. Die Initiative «Choosing Wisely» soll auch HausĂ€rzte sensibilisieren.
Trotz dieser BemĂŒhungen nimmt der Antibiotikaverbrauch in der Humanmedizin weiter zu. In Schweizer AkutspitĂ€lern stieg die Zahl der Tagesdosen zwischen 2004 und 2015 um 36 Prozent. Ein Grund dafĂŒr ist laut Furrer, dass die Bevölkerung wĂ€chst und immer Ă€lter wird. Ein anderer, dass sich mit der wachsenden Zahl von Resistenzen die Behandlungsdauer verlĂ€ngert.
Grossen Handlungsbedarf gibt es auch in der Tiermedizin. Dort ist der Antibiotikaverbrauch in den letzten Jahren zwar markant zurĂŒckgegangen. In der Tierhaltung wĂŒrden aber immer noch zu viel Antibiotika eingesetzt, erklĂ€rte Xaver Sidler vom Tierspital ZĂŒrich.
GemĂ€ss einer deutschen Studie sei nur 30 Prozent des Einsatzes medizinisch angezeigt, der Rest gehe auf «lieb gewonnene Gewohnheiten» der Tierhalter zurĂŒck. Doch das Umdenken finde statt, sagte Sidler.
FĂŒr ein Umdenken hat nicht zuletzt der Bundesrat mit einer VerordnungsĂ€nderung gesorgt. Seit April dieses Jahres mĂŒssen beispielsweise kritische Antibiotika, zu welchen es keine Alternativen gibt, von Fall zu Fall vom Tierarzt verschrieben werden. Bisher konnten die Bauern solche Medikamente auf Vorrat kaufen.
Laut Sidler soll der Antibiotikaeinsatz mit spezifischen Schulungen der Ărzte, Massnahmen im Stall oder mit der geplanten Antibiotikadatenbank weiter gesenkt werden.
Auch die Tierhalter selber wollen ihren Beitrag leisten. Geplant ist beispielsweise der Aufbau eines «KĂ€lbergesundheitsdienstes» mit dem Ziel, den Antibiotikaverbrauch um 50 Prozent zu reduzieren. Ein Kompetenzzentrum soll Daten sammeln, Richtlinien erarbeiten und Produzenten und TierĂ€rzte mit Informationen versorgen. Ab 2022 soll ein GĂŒtesiegel vergeben werden.
Die drei AnsĂ€tze sind Teil der Strategie Antibiotikaresistenzen Schweiz, welche der Bund vor einem Jahr lanciert hat. Stossrichtungen sind eine umfassende Ăberwachung von Antibiotikaeinsatz und Resistenzen, ein sachgemĂ€sser Antibiotikaeinsatz oder Massnahmen gegen die Ausbreitung resistenter Bakterien. Mit der VerordnungsĂ€nderung fĂŒr die Tiermedizin hat der Bundesrat inzwischen auch verbindliche Massnahmen erlassen.
In der industriellen Tierhaltung ist das Problem besonders gross. Beispielsweise stieg der Anteil von Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) bei Schweizer Mastschweinen innerhalb von sechs Jahren von 2 auf 20,8 Prozent. MRSA gehört zu den hÀufigsten Ursachen von kaum oder gar nicht therapierbaren Krankenhausinfektionen. (gin/sda)