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Eigentlich genug Stoff für ein Geisterspiel – aber in Lugano ist eben alles anders
Der dritte Akt im grossen Final-Drama hat auch das Publikum aufgewühlt. Sehr sogar. Aus dem Schiedsrichterrapport zur dritten Finalpartie muss Einzelrichter Reto Steinmann entnehmen, dass ...
- ... das Spiel immer wieder unterbrochen werden musste, weil die aufgebrachten Zuschauerinnen und Zuschauer Gegenstände aufs Eis geworfen haben. Namentlich Schweizer Münzen, Euro-Münzen, Lira, Kaffee-Automaten-Jetons, Nussschalen, Bierbecher und Papier.
Besonders gefährlich sind die Münzen: Sie schmelzen sofort im Eis ein. Werden sie nicht entfernt, können sie zur Gefahr für die Spieler werden. Das Werfen von Gegenständen gehört in Lugano seit Anbeginn der Zeiten so zur Kultur wie in anderen Stadien die Bandenwerbung.
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- ... SCB-Stürmer Simon Moser in der Schlussphase des letzten Drittels vorübergehend von der Spielerbank evakuiert werden musste. Der Vorgang ist einmalig in unserem Hockey: Weil ein erboster Zuschauer über das Panzerglas, das die Strafbank von der Tribüne trennt, klettern wollte, «zerbröselte» es. Ein Reparatur-Unterbruch von rund zehn Minuten wurde notwendig.
Schiedsrichter Danny Kurmann erlaubte Simon Moser, die Strafbank temporär zu verlassen und sich auf dem Eis in Sicherheit zu bringen. Der SCB-Stürmer aus dem Emmental schilderte die Szene nach der Partie cool und regte sich überhaupt nicht auf – er personifiziert die Zuversicht, das Selbstvertrauen und die unerschütterliche Ruhe, die der grosse Dichter Conrad Ferdinand Meyer (ein Zürcher!) einst zum Ausdruck «das unbestürzbare Berner Gesicht» inspirierte.
Danny Kurmann hatte Simon Moser zudem zu verstehen gegeben, dass er ein Zeichen machen soll, falls er sich auf der Strafbank bedroht fühle – er wäre dann erneut evakuiert worden.
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- ... die Schiedsrichter bei der Strafbank und beim Zeitnehmerhäuschen mit Bier geduscht worden sind.
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Das alles haben die Schiedsrichter rapportiert. Einzelrichter Reto Steinmann und die gesamte Verbandsführung sind informiert. Man stelle sich vor, diese wilden Szenen würden sich in Zug, Langnau oder Biel abspielen. Potz Donner, wäre das ein Theater! Nicht aber in Lugano. In unserem «wilden Süden» ist mehr erlaubt als anderswo, hier ticken die Uhren anders, hier wird Rücksicht auf eine ganz besondere und ja, durchaus faszinierende Hockey-Kultur genommen. Zumal die Liga die Auseinandersetzung mit diesem starken Hockeyunternehmen fürchtet. Es ist halt wie im richtigen Leben: Die Gesetze sind für alle gleich und für einige gleicher.
Diese Vorfälle während der dritten Partie würden bei sehr strenger Bestrafung für ein Geisterspiel ausreichen. Doch dazu wird es natürlich nicht kommen. Es bleibt bei Bussen. Und die kann ja Lugano aus der Portokasse bezahlen.
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Im Gegensatz zum diesen wilden Szenen rund ums Spielfeld blieb der Mikrokosmos, das Spiel auf dem Eis, erfreulich friedlich. Die Spieler gingen zwar bis an die Grenzen und manchmal darüber hinaus aufeinander los – aber nie artete die Partie aus und der gegenseitige Respekt ging nie verloren.
Wahrlich, dieses Finale ist ein grosses Drama und das ist zu einem wesentlichen Teil das Verdienst eines grossen HC Lugano.