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Wer sagt es Mathias Seger? Der heikelste Personalentscheid der ZSC Lions

Deception des joueurs zuerichois dont Mathias Seger, gauche, apres la defaite, lors de la rencotre des 1/8-finale de la Coupe Suisse de hockey sur glace, entre le HC Fribourg-Gotteron et les ZSC Lions ...
Die ZSC Lions werden ihn doch nicht ...Bild: KEYSTONE
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Wer sagt es Mathias Seger? Der heikelste Personalentscheid der ZSC Lions

Der SC Bern möchte, dass Captain Martin Plüss bleibt. Die ZSC Lions hoffen, dass Captain Mathias Seger seinen Rücktritt erklärt: Zwei grosse, charismatische Spielerpersönlichkeiten halten ihre Sportchefs auf Trab.
26.01.2017, 11:1126.01.2017, 12:44
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Die Ausgangslage könnte unterschiedlicher nicht sein. Der SC Bern möchte unbedingt mit Captain Martin Plüss den Vertrag um ein weiteres Jahr verlängern. Auch Trainer Kari Jalonen ist sehr an einer Weiterverpflichtung seines wirkungsvollsten Mittelstürmers interessiert.

Aber die Gespräche zwischen Sportchef Alex Chatelain und seinem Leitwolf ziehen sich seit Wochen hin. «Ich hoffe, dass wir bald zu einem Entscheid kommen», sagt Alex Chatelain. Martin Plüss lässt sich nicht von einem Agenten vertreten. Er handelt seine Verträge selber aus. Es geht auch nicht um Geld. Vielmehr wägt Martin Plüss seine Entscheidung sorgfältig ab und lässt sich Zeit. Eine Einigung auf einen neuen Vertrag wird in den nächsten Tagen erwartet.

SC Bern Spieler Martin Pluess laeuft aufs Eis, vor dem Eishockey Meisterschaftsspiel der National League A zwischen dem SC Bern und dem EHC Biel, am Samstag, 14. Januar 2017 in der PostFinance-Arena i ...
Läuft Martin Plüss auch in der nächsten Saison für den SCB auf?Bild: KEYSTONE

Viel heikler ist die Ausgangslage in Zürich. Dort sehen wir Ansätze zu jenen sportlichen «Melodramen», die zu den Besonderheiten unseres Hockeys gehören.

Im Schweizer Hockey unterscheidet sich der äussere Rahmen eines NLA-Spiel ja kaum mehr von einer NHL-Partie. Unser Hockey ist nach der Einführung der Playoffs (1986) weitgehend «amerikanisiert», professionalisiert worden. Selbst Transfers während der Saison, einst völlig undenkbar, gehören heute zum Geschäft.

Zu viele Pfadfinder-Freundschaften?

Nur in einem ganz speziellen, emotionalen Bereich werden wir wohl nie ganz «amerikanisch»: Bei der Verabschiedung grosser Spieler in den Ruhestand. Das ist gut so. Das «Melodrama» um den Übertritt von HCD-Titan Reto von Arx ins «richtige» Leben ist uns noch in bester Erinnerung.

Der Davoser Reto von Arx, Mitte, haelt den Pokal nach dem fuenften Playoff-Finalspiel der National League A zwischen den ZSC Lions und dem HC Davos am Samstag, 11. April 2015, im Hallenstadion in Zuer ...
Reto von Arx trat 2015 mit dem Meistertitel, aber ohne grosses Tamtam ab.Bild: KEYSTONE

Diese reizvolle Besonderheit unseres Hockeys heisst «Freundschafts-Falle». In Nordamerika ist Eishockey «Big Business» mit klaren Regeln nach dem Grundsatz:

Der Spieler spielt.

Der Coach coacht.

Der Manager managt.

Der Schreiber schreibt.

Der Spielerberater berät.

Der Teambesitzer besitzt.

Der Rücktritt von grossen Spielern wird wunderbar inszeniert und ist eigentlich nie ein Problem. In den NHL-Unternehmen findet jeder, wenn er will, weiterhin einen Arbeitsplatz im Hockey. Und ein grosser Spieler hat so viel Geld verdient, dass er bis ans Ende seiner Tage keiner bezahlten Arbeit mehr nachgehen muss.

Bei uns haben die Hockeyunternehmen nicht für alle Arbeitsplätze, die im Hockey bleiben möchten. Und keiner hat so viel verdient, dass er finanziell ausgesorgt hat. Eishockey ist zwar ein Geschäft, aber nicht «Big Business» und in der DNA immer auch eine charmante Mischung aus Pfadfinder-Freundschaften, Kollegen-Seilschaften und kapitalistischem Rock’n’Roll.

22.Nov.2011; Zuerich; Eishockey NLA; ZSC Lions - HC Davos; ZSC Sportchef Edgar Salis (Valeriano Di Domenico/freshfocus)
Mit Edgar Salis ist ein Ex-Spieler zum Sportchef bei den ZSC Lions aufgestiegen.Bild: Valeriano Di Domenico

Wir kennen die klare nordamerikanische Rollentrennung glücklicherweise (im Sinne guter Unterhaltung) oft nicht. Die Besitzer mischen sich schon mal ins Management und bisweilen sogar ins Coaching ein. Die Manager (Sportchefs) tauchen an der Bande auf. Die Spieler sind mit dem Trainer oder dem Sportchef befreundet. Chronisten kungeln mit Spielern, Coaches und Spieleragenten, und Spieleragenten vertreten Spieler und Trainer – was in Nordamerika undenkbar wäre. Im Laufe der Zeit entwickeln sich in unserem beschaulichen Hockeyparadies immer wieder freundschaftliche Beziehungen über alle Funktionen und Hierarchiestufen hinweg. Nicht nur in Lugano.

Es hat nicht für alle Platz

Reibungslose Rücktritte und Wechsel in die Klubbüros gibt es zwar auch. HCD-Titan Marc Gianola ist beispielsweise Spengler-Cup-General geworden und inzwischen besetzen die meisten Klubs den Posten des Sportchefs mit ehemaligen Spielern. Aber nicht für jeden grossen Spieler, der zurückritt, hat es einen passenden Posten. Die Chronisten dürfen sich beim nahenden Abschied eines Titanen oft an einem wunderbaren Theater ergötzen.

Nicht nur beim Rücktritt von Reto von Arx hat es Blitz und Donner gegeben. Auch der Abschied von Gottérons Benjamin Plüss löste Polemik aus. Selbst der SC Bern schaffte es nicht, Renato Tosio – damals der populärste Spieler der neueren Klubgeschichte – ins Unternehmen zu integrieren. Nicht einmal Chris McSorley gelang eine stilvolle Scheidung von Captain Goran Bezina. Und Fribourg-Gottéron vermochte Gil Montandon, einer der grössten aller Zeiten, nach dem Rücktritt nicht ins Unternehmen zu integrieren.

Renato Tosio, ehemals Torhueter SC Bern, wird fuer seine grossen Verdienste um das Schweizer Eishockey mit dem Swiss Hockey Award ausgezeichnet, am Freitag, 24. Januar 2003, anlaesslich der Verleihung ...
Nicht für alle Legenden hat es am Ende Platz in der Klubführung – beim SCB nicht einmal für einen wie Renato Tosio.Bild: KEYSTONE

Zufall? Nein. Manchmal fürchten die Manager die Strahlkraft der Eishelden, die durchaus politische Gestaltungskraft haben. Manchmal zerbrechen gar jahrelange Freundschaften, die sich über die Hierarchiestufen hinweg entwickelt haben. Wie im Fall von Reto von Arx: Arno Del Curto, der Trainer, der für ihn in der Mannschaft keinen Platz mehr sah, war sein bester Freund und ist es nun nicht mehr. Der Pulverdampf rund um dieses Melodrama hat sich bis heute nicht ganz verzogen.

Und nun Mathias Seger. «Wir führen Gespräche»,  sagt ZSC-Manager Peter Zahner. Er sagt es mit einer Bestimmtheit, die dem Chronisten verrät, dass diese Sache hochheikel ist. Er verschanzt sich hinter diesem Satz. Wohlwissend, dass in der «Causa Seger» jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird.

Soll Mathias Seger noch eine Saison anhängen?

Martin PIüss ist auf dem Eis nach wie vor ein Leitwolf und wird, wenn er weiterspielt, dazu in der Lage sein, diese Rolle auch nächste Saison zu spielen. Deshalb will ihn der SCB unbedingt weiter verpflichten.

Wer sagt es dem lieben Mathias?

Mathias Seger ist nach wie vor eine grosse, charismatische Spielerpersönlichkeit. Aber auf dem Eis ist er nicht mehr dazu in der Lage, die Rolle des Leitwolfes zu übernehmen. Er ist politisch und emotional nach wie vor eine Schlüsselfigur. Aber nicht mehr sportlich. Die ZSC Lions haben genug junge Verteidiger um den Leitwolf zu ersetzen.

Alles wäre wunderbar, alles wäre einfach, wenn Mathias Seger von sich aus den Rücktritt erklären würde. Längst ist für ihn ein Arbeitsplatz in der Organisation der ZSC Lions reserviert – für den Fall, dass er weiterhin im Eishockey arbeiten möchte. Er würde mit allen Ehren in den sportlichen Ruhestand entlassen – so wie es bei einer Organisation mit Stil der Brauch ist. Die ZSC Lions sind ein Hockeyunternehmen mit Stil.

Die Zuercher um Mathias Seger, links, und Cedric Haechler, zweiter von links, jubeln nach dem 4-3 beim Eishockeyspiel der National League A ZSC Lions gegen den SC Bern im Hallenstadion in Zuerich am M ...
Mathias Seger möchte weiterhin Leitwolf bleiben.Bild: KEYSTONE

Aber Mathias Seger hat seinen Rücktritt noch nicht erklärt. Obwohl ihm enge Vertraute dazu geraten haben. Was, wenn er seinen auslaufenden Vertrag verlängern möchte?

Edgar Salis und Peter Zahner hoffen nun inständig, Mathias Seger möge den Rücktritt per Ende Saison erklären. Dann sind sie aus dem Schneider. Sportchef Edgar Salis, einst in einer WG mit Mathias Seger und später vorübergehend sein Agent, mag gar nicht daran denken, in dieser Causa einmal einen Entscheid fällen zu müssen. Er ist, wie Arno Del Curto im «Fall Reto von Arx», in die «Freundschafts-Falle» geraten. Was aber, wenn Mathias Seger weiterspielen möchte, so wie damals Reto von Arx in Davos? Wer sagt ihm dann, dass es keinen neuen Vertrag mehr gibt? Wer sagt es dem lieben Mathias?

Vertraute von Mathias Seger sagen, er sollte zurücktreten. Aber sie liegen falsch. Dass ein Titan auch dann weiterspielen möchte, wenn er seine Rolle als Leitwolf nicht mehr ausfüllen kann, ist verständlich.

Seger steht den Jungen vor der Sonne

Ein Spieler macht nur dann eine grosse Karriere, wenn das Eishockey nicht nur sein Beruf, sondern seine Leidenschaft ist. Und warum denn nicht auch dann noch ein oder zwei Jahre weiterspielen, wenn es nicht mehr möglich ist, das Spiel zu dominieren? Warum soll einer nicht noch ein oder zwei Jahre weiterhin jener Beschäftigung nachgehen, die einer liebt? Warum nicht noch ein oder zwei Jahre die Kameraderie in der Kabine geniessen und Spass haben? Schon das Wort «Spieler» sagt uns ja, dass hier erwachsene Männer bezahlt werden, um zu spielen (und nicht arbeiten). Es folgen ja nach dem Rücktritt noch viele, viele vergleichsweise unaufgeregte Jahre.

Ein seltsamer Transfer zeigt uns, dass die ZSC Lions ohne Mathias Seger planen. Sie haben für nächste Saison Dave Sutter (24) vom EHC Biel verpflichtet. Ein Titan (184 cm/96 kg), geboren, das Spiel zu dominieren. Aber ein ungeschliffener Diamant, der noch Freundschaft mit dem Puck schliessen muss. 15 Jahre jünger als Mathias Seger.

Biels Verteidiger Dave Sutter, links, und Ambris Stuermer Matt D’Agostini, rechts, kaempfen um den Puck, waehrend dem Eishockey Meisterschaftsspiel der National League A zwischen dem EHC Biel-Bienne u ...
Dave Sutter soll in der nächsten Saison bei den ZSC Lions spielen.Bild: KEYSTONE

Wo soll denn Dave Sutter nächste Saison spielen, wenn Mathias Seger bleibt? Die ZSC Lions haben jetzt schon genug junge Verteidiger, auch im Farmteam, die gefördert werden sollten.

Der guten Ordnung halber sei ausdrücklich erwähnt, dass der Transfer von Dave Sutter von den ZSC Lions nicht bestätigt wird (offiziell ist nur, dass er Biel Ende Saison verlassen wird) und ein Kommentar zu obiger Frage («Wo soll denn Dave Sutter spielen, wenn Mathias Seger bleibt?») ausdrücklich verweigert wird. Und niemand hat bei den ZSC Lions gesagt, man hoffe, dass Mathias Seger per Ende Saison zurücktritt.

Die Stadien der 12 NLA-Klubs

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Die Stadien der 12 National-League-Klubs
Die PostFinance-Arena des SC Bern.
quelle: keystone / peter schneider
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14 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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energywolf
26.01.2017 13:11registriert November 2015
Input an Edgar Salis: Segi, falls er weiterspielen möchte, könnte ja bei den GCK und bei den ZSC Lions spielen. So steht Segi für den Z bei einem Engpass zur Verfügung und bei GC könnte er jungen Spieler viel weitergeben. So hat der Club den Fünfer und das Weggli, sofern sich Segi dafür nicht zu schade ist.🖖
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Lindros88
26.01.2017 13:40registriert Februar 2014
Ein Spieler wie Seger sollte selbst bestimmen können, wänn seine Karriere zu Ende ist. Man kann ihm ja einen Vertrag zu sehr günstigen Konditionen anbieten, ohne Garantie auf Eiszeit. Wenn es Platz für ihn im Kader hat, schön. Wenn nicht, kann er in normaler Kleidung auf die Bank, quasi als weiterer Assistentscoach!
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asdfghjkl1
26.01.2017 11:34registriert März 2015
Dieser Artikel ist unglaublich witzig zu lesen.

Zunächst eine Aufstellung von wohl zumeist wahren Behauptungen, die sich so anhören, als wären sie die offizielle Meinung des ZSC. Und dann ganz unten ein Disclaimer, der das Ganze wieder relativiert. Ich bin dafür, dass Klaus Zaugg ab sofort Fussnoten in Schriftgrösse 1 benutzt, dann wären die Disclaimer einfacher zu finden ;)
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