Für einmal schickte der Präsident seinen Vize an die Front. «Die Vereinigten Staaten haben ihre Haltung gegenüber China geändert», erklärte Mike Pence kürzlich in einer kämpferischen Rede zum Verhältnis der beiden. «Dieser Präsident wird sich nicht unterkriegen lassen.»
Das sind ganz andere Töne als im Frühjahr letztes Jahres, als die beiden Präsidenten persönlich Nettigkeiten in Trumps Residenz Mar-a-Lago austauschten und den «besten Schokoladenkuchen der Welt» assen. Damals schien es, als ob die bestehende und die aufstrebende Supermacht sich auf eine friedliche Koexistenz einigen könnten.
Diese Hoffnungen sind heute verflogen. Fast täglich kommt es zu Wortgefechten oder anderen Zwischenfällen. Das US-Finanzdepartement verschärft die Sicherheitsvorschriften für chinesische Investitionen. Gleichzeitig kündete das Energiedepartement schärfere Kontrollen für Exporte für Atomenergie an.
Verteidigungsminister Jim Mattis sagt derweil einen geplanten China-Besuch ab, weil ein chinesischer Zerstörer im Südchinesischen Meer beinahe eine amerikanische Fregatte rammte. Die Chinesen ihrerseits sind empört, weil die Amerikaner Sanktionen verhängten, um so gegen den Kauf von russischen SU-35 Kampfjets zu protestieren.
Zhu Feng, Politologe an der Nanjing University, erklärt denn auch gegenüber dem «Wall Street Journal»: «Die Haltung der Amerikaner wird härter, sie greifen die Chinesen an allen Fronten an. Peking sollte einen kühlen Kopf bewahren, denn ein neuer Kalter Krieg kann nicht im Interesse Chinas sein.»
Trump hingegen scheint Gefallen am China-Bashing zu finden. Er weiss, dass dies bei seiner Basis sehr gut ankommt. Nur 4 Prozent der republikanischen Wähler betrachten China als Partner, 86 Prozent hingegen sehen im Reich der Mitte einen Feind.
Dabei haben die Chinesen zu Beginn von Trumps Amtszeit alles unternommen, ihn gnädig zu stimmen. Sie bereiteten ihm bei seinem Besuch in Peking einen triumphalen Empfang, sie haben seiner Tochter Ivanka das Recht zugestanden, ihre Modeartikel in China zu verkaufen und sie haben seinen Schwiegersohn Jared Kushner umschmeichelt.
Das waren offensichtlich vergebliche Liebesbemühungen. Kushner und Ivanka sind auf Tauchstation gegangen. Im Weissen Haus haben Hardliner wie der Sicherheitsberater John Bolton und Aussenminister Mike Pompeo das Sagen. Auch Stabschef John Kelly gilt als China-Hardliner.
China-Tauben wie der ehemalige Wirtschaftsberater Gary Cohn hingegen sind gegangen oder haben wie Finanzminister Steve Mnuchin an Einfluss verloren.
Anders als der Kalte Krieg mit der Sowjetunion ist der sich anbahnende Zwist mit China von grosser wirtschaftlicher Bedeutung. An realer Einkaufskraft gemessen beträgt Chinas Anteil am Welt-Bruttoinlandprodukt heute 19 Prozent. Ein Kalter Krieg zwischen den USA und China hätte damit grosse Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und damit auch auf den Wohlstand des Westens.
Das scheinen nun auch die Investoren zu realisieren. Die Furcht vor einem neuen Kalten Krieg hat zum Mini-Crash der letzten Woche geführt. Trotz blendender Gewinnzahlen der amerikanischen Unternehmen bleibt die Stimmung an den Finanzmärkten nervös.
Wie immer hat Trump dafür bereits einen Sündenbock gefunden. Mehrmals hat er den von ihm selbst eingesetzten Fed-Präsidenten Jerome Powell rüde angemotzt. «Die Fed ist meine grösste Bedrohung», erklärte er in eine Interview mit dem Fox Business Network. «Ich habe ihn (Powell) zwar eingesetzt. Vielleicht war das richtig, vielleicht war das falsch.»
China ist für einen Kalten Krieg ebenfalls schlecht gerüstet. Die negativen Effekte der Weltwirtschaftskrise vor zehn Jahren konnte mit einem massiven Ausbau der Infrastruktur aufgefangen werden. Dieser Trick lässt sich nicht beliebig oft wiederholen. Will Chinas die Träume seines Präsidenten Xi, die führende High-Tech-Nation der Welt zu werden, umsetzen, muss es den Übergang zu einer modernen Dienstleistungsgesellschaft schaffen. Das ist schneller gesagt als getan.
Gefahr droht auch von einer ehemaligen Supermacht. Die Stimmung in Russland ist mies, selbst Putins Basis kann sich nicht damit anfreunden, dass der Präsident das Rentenalter anheben will. In 80 Städten haben in den letzten Tage Proteste gegen ein entsprechendes, von Putin bereits verabschiedetes Gesetz, stattgefunden.
In Umfragen ist Putins Zustimmungswert auf Talfahrt. Im Mai fanden noch 79 Prozent seine Arbeit gut, im September bloss noch 67 Prozent. Als die Zahlen letztes Mal so schlecht waren, hat Putin die Krim besetzen lassen und den Krieg mit der Ukraine vom Zaun gebrochen. Kein Wunder also, wächst die Spannung vor allem in den baltischen Staaten, in denen nach wie vor eine grosse russische Minderheit lebt.
Auch im Westen mach sich Unsicherheit breit. Die Gefahr eines neuen Kalten Krieges wird Ernst genommen. Der «Economist» fragt sich in der Titelgeschichte seiner jüngsten Ausgabe besorgt, ob wir in der Lage wären, eine neue Rezession zu managen. Der Internationale Währungsfonds hat seine Wachstumsprognosen der Weltwirtschaft für das kommende Jahr nach unten korrigiert.
Martin Wolf, Chefökonom der «Financial Times», meint dazu: «Wir leben in gefährlichen Zeiten. Die Warnungen des IWF kommen zur rechten Zeit, aber sie sind zu schwach ausgefallen. Unsere Welt steht auf dem Kopf. Die Vorstellung, dass die Weltwirtschaft alle diese Entwicklungen verkraften und weiterbrummen kann, ist eine Illusion.»