Roger Federer greift morgen (ab 13 Uhr) am ATP-500-Turnier von Halle nach seinem neunten Titel. Der Australian-Open-Champion bezwang im Halbfinal den 21-jährigen Russen Karen Chatschanow in 85 Minuten 6:4 und 7:6. «Es war ein schwieriges Spiel. Es war alles etwas ungewiss, weil ich ihn nicht so gut kenne», sagte Federer. «Es ist warm, es ist heiss – ich bin schon ein bisschen müde.»
Federers Gegner in seinem 140. Endspiel auf der ATP-Tour (dem elften in Halle) ist Alexander Zverev. Der Deutsche verlor den ersten Satz gegen Richard Gasquet zwar mit 4:6, setzte sich aber nach knapp zwei Stunden doch noch durch. Zverev, für dessen Bruder Mischa im Achtelfinal die Endstation «Federer» hiess, entschied die weiteren Durchgänge mit 6:4 und 6:3 für sich.
In einer Woche beginnt mit dem Grand-Slam-Turnier von Wimbledon das Highlight der kurzen Rasen-Saison. Von den Topfavoriten ist nur Federer im Fahrplan.
Für ihn, das behauptet Roger Federer (35) selber, ist es nur eine Randnotiz: Dank seiner Siege in Halle rückte er in der Setzliste für Wimbledon in die Top 4 vor. Der Baselbieter kann damit erst in den Halbfinals auf Andy Murray oder Novak Djokovic treffen, gar erst im Final auf Rafael Nadal. Weil er mit 15 Turniersiegen auf Rasen der erfolgreichste Spieler der Geschichte und in Wimbledon mit sieben Titeln ebenfalls ex aequo mit Pete Sampras und William Renshaw die Rekordliste anführt, gilt er als erster Anwärter auf den Titel. Weil er auf die Sandsaison verzichtete, hat Federer zudem so oft wie noch nie auf Rasen trainiert und fühlt sich nach einer zweimonatigen Pause auch körperlich und mental frisch. Bei seinem Lieblingsturnier scheitert Federer 2016 im Halbfinal an Milos Raonic und bricht danach wegen Knieproblemen die Saison ab.
Auf dem Weg zu seinem zehnten French-Open-Sieg gibt Rafael Nadal (31) keinen Satz ab. Umso erstaunlicher ist die Aussage, die er noch am selben Abend macht, neben ihm die Coupe des ousquetaires: «Ich habe jeden Tag Zweifel. Wenn du keine Zweifel hast, bist du arrogant.» Sie würden auch dafür sorgen, dass er hart arbeite. In der letzten Woche macht er das auf Mallorca auf den Rasenplätzen, wo derzeit ein Frauen-Turnier ausgetragen wird. Nach einer erfolgreichen Sandsaison hat Nadal auf eine Teilnahme in Queen’s verzichtet. Er brauche eine Pause. Sechsmal spielte er dort, fünfmal erreichte er danach in Wimbledon den Final, gewann 2008 und 2010 den Titel. In den letzten sechs Jahren konnte er in Wimbledon aber nur noch sechs Spiele gewinnen. 2016 fehlte Nadal.
Die gute Nachricht: Glaubt man Gebhard Gritsch, dem ehemaligen Fitnesstrainer, ist Novak Djokovic (30) heute ein besserer Mensch. «Novak hat sich grundsätzlich verändert. Er ist ausbalancierter, aufgeschlossener und toleranter. Er hat sich sehr zum Positiven verändert, ist viel lebensbejahender. Novak ist ein glücklicher Mensch», sagt Gritsch in der «Welt». Die schlechte Nachricht: Djokovic ist ein schlechterer Tennisspieler. Seit dem French-Open-Sieg vor einem Jahr hat er noch zwei Turniere gewonnen. Kommende Woche bestreitet der 12-fache Major-Sieger das Rasen-Turnier in Eastbourne. Dreimal hat Djokovic in Wimbledon gewonnen. Vor einem Jahr scheitert er in der dritten Runde. Noch offen ist, ob er in Wimbledon auf die Unterstützung von Andre Agassi zählen kann.
In Queen’s verliert Titelverteidiger Andy Murray (30) erstmals in seiner Karriere auf Rasen in der Startrunde. «Ein echter Rückschlag. Wenn ich so spiele, habe ich in Wimbledon keine Chance», sagt der Schotte, der 2017 selten wie eine Nummer 1 auftritt. Einen Weg aus der Formbaisse hat er noch nicht gefunden. «Ich weiss nicht recht, warum das passiert und was der Grund ist.» Dem Aus in Queen’s gewinnt er indes auch Positives ab: «Weniger Spiele bedeuten mehr Training. Ich muss in den nächsten zehn bis zwölf Tagen sehr hart arbeiten.» Murray sagt: «Ich kann es schaffen!» Er hat kurzfristig noch zwei Exhibition-Matches organisiert, in Hurlingham im Südwesten Londons.
Gelingt Stan Wawrinka in Wimbledon der Karriere-Grand-Slam und sowohl Murray als auch Nadal verpassen den Final, wird der Romand die Nummer 1 der Welt. Davon, sagt er selber, sei er aber weit entfernt. Sein bestes Resultat im Südwesten Londons ist ein Viertelfinal. Wie im Vorjahr mit Richard Krajicek hat der Rastlose mit Federers Ex-Trainer Paul Annacone einen temporären Berater engagiert, um sein Spiel auf Rasen zu verbessern. Mit der Startniederlage im Londoner Queen’s Club ist der Einstand missglückt. Im Vorjahr scheitert er in Wimbledon in der der dritten Runde.
Weil sein Aufschlag zu den besten in der Geschichte des Sports zählt und er im Vorjahr den Final erreichte, ist Milos Raonic (26) in Wimbledon einer der Anwärter auf den Titel. Allerdings gibt der Formstand des Kanadiers Anlass zum Rätseln. Zuletzt verliert er in Queen’s gegen die Nummer 698 der Welt, Thanasi Kokkinakis. In diesem Jahr erreichte Raonic zwei Finals, ist aber noch ohne Titel. Wie gewohnt viel Bewegung herrscht hingegen im Umfeld des Kanadiers. Im Juni trennt er sich nach nur sechs Monaten von Krajicek. Alleiniger Trainer ist der Italiener Riccardo Piatti.