Kafi Freitag - Das Buch
Die 222 besten Fragen und Antworten in einem schön gestalteten und aufwendig hergestellten Geschenkband.
Liebe Patricia
Vor ein paar Wochen sass ich auf einer Feier in einer Frauenrunde. Eine der Frauen erzählte, dass sie sich vor ein paar Monaten von ihrem Freund getrennt hatte, der ziemlich fies und unschön mit ihr umgegangen war. Ihre Freundinnen hätten sie während der Trennung sehr getröstet, ihr zugehört und sie darin bestärkt, diesen Mann nun endlich zu verlassen. Es standen alle hinter ihr. Heute, ein paar Monate später, wundere sie sich sehr darüber, dass genau die gleichen Frauen oft und gern Bilder und Posts ihres Exfreundes auf Facebook liken, mit Herzchen versehen und kommentieren würden. Sie sagte, sie fühle sich dadurch hintergangen und frage sich, wo die Loyalität dieser Frauen geblieben sei. Eine andere erzählte daraufhin, dass sie ähnliches erlebt habe mit ihren Freundinnen, als ihr Typ sie mies hintergangen und betrogen habe. Sie habe sich dann gewundert, wie die gleichen Frauen, die ihn kurz zuvor als mieses Schwein bezeichnet hatten, ihm kurze Zeit später wieder mit Küsschen links und rechts um den Hals fielen. Das Thema schien allen in der Runde bekannt und ging noch ein paar Tage damit schwanger. Sie werden sich jetzt vielleicht fragen, was diese Anekdote mit ihrer Frage zu tun hat und wie immer, wenn ich in einer Antwort einen Umweg einschlage sage ich Ihnen: viel!
Viele Frauen lechzen nach der Liebe und Aufmerksamkeit eines Mannes. Sie wollen gefallen, um jeden Preis. Das ist der Grund, warum viele Frauen in Beziehungen bleiben, obwohl sie wissen, dass sie betrogen werden. Es ist aber auch der Grund, warum eine beste Freundin plötzlich Posts eines Ex liked und kommentiert, obwohl sie ganz genau weiss, dass ihre Freundin von diesem Mann schlecht behandelt wurde. Dieser Drang zu gefallen, macht aus vielen Frauen unsouveräne Huschelis, die den Kopf schrägstellen und mit den Äuglein klimpern, kaum kommt ein Mann um die Ecke gebogen.
Man kann der Werbung und den Medien vorwerfen, dass sie Frauen zu Objekten degradieren, die Kleider spazieren führen oder mit ihrem nackten Körper eine Autofelge bewerben. Dieser Vorwurf ist absolut berechtigt, ich rege mich auch sehr auf, wenn man eine Bundesrätin oder eine deutsche Kanzlerin auf Ihre Frisur oder ihr Kleid reduziert, anstatt auf ihren Inhalt, ihr Können. Aber gleichzeitig sehe ich jeden Tag, wie Frauen genau das gleiche tun. Mit sich selber, mit anderen Frauen. Und solange wir selber nicht imstande sind, uns von diesem Gefallen wollen zu emanzipieren, können wir es den anderen schlecht vorwerfen. So lange wir Frauen uns dumm benehmen, um Männern zu gefallen, werden wir auch als dumm wahrgenommen und als dumm dargestellt.
Jegliche Entwicklung und Emanzipation fängt immer im eigenen Kopf an. Solange eine Frau nur am Arm ihres geliebten Mannes auf eine Party gehen kann, dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir zu Accessoires degradiert werden. Genau diese Themen werden der Inhalt der Sonntagsmatinée zum Thema Feminismus, am Sonntag 12. Juni in der Stadtbibliothek Basel sein. Markus Gygli, Leiter Kaderentwicklung der SBB und Präsident von maenner.ch und ich werden diesen Fragen auf den Grund gehen und ich werde – einmal mehr – dafür einstehen, dass wir Frauen auch bei uns selber ansetzen müssen!
Mit herzlichem Gruss. Ihre Kafi.