Die Selbstbestimmung der Frau hat viele Gesichter.
kafi freitag
Darf man heute im Zeitalter der omnipräsenten Gender-Debatte und des Feminismus überhaupt noch als Frau zwar für Chancengleichheit einstehen – mit Wort und Tat – aber trotzdem zuhause gerne das klassische Rollenbild verfolgen? Und ist keine Kinder zu wollen, dann wieder widersprüchlich, aber feministisch selbstbestimmt? Mina, 28
Liebe Mina
Sich gross für den Feminismus einsetzen und laut über Chancengleichheit philosophieren und dann Zuhause das Heimchen am Herd mimen? Geht gar nicht!
So oder ähnlich hat es geklungen, als ich mich dafür entschieden hatte, nach der Geburt meines Sohnes nicht gleich wieder in den Job zurückzugehen. Ach was haben sich die anderen Mütter, die ihre Babys, kaum abgenabelt, im Hort abgegeben haben um zur Arbeit zu gehen über mich das Maul zerrissen, es war wirklich herrlich. Ganz so, als wäre der Weg der vielbeschworenen Selbstbestimmung eine Einbahnstrasse, die nur in Richtung Berufstätigkeit und Vereinbarkeit von Job und Familie führen würde. Dass man aus der genau gleichen Selbstbestimmung die Entscheidung treffen könnte, zuhause beim Kind zu bleiben, schien vollkommen unvorstellbar. Wenn nicht sogar reaktionär!
Diese Entscheidung muss man sich auch erst leisten können, höre ich viele LeserInnen bereits mokieren. Und ja, dass mein Job die Fremdbetreuung nur knapp gedeckt hätte, war natürlich auch ein Grund, warum ich mir den Stress nicht machen wollte. Ich war sehr glücklich mit diesem Modell und ich würde es auch im Nachhinein wieder genau gleich machen.
Heute ist mein Sohn ein ganzes Stück grösser und ich arbeite beinahe für Zwei. Es ist für mich eine beschämende Tatsache, dass Frauen mit Kindern nicht besseres zu tun haben, als gegenseitig über die gewählten Familienmodelle abzulästern. Jede weiss es besser und nur das eigene System ist gut. Mütter, die kurz nach der Geburt wieder in den Job zurück wollen sind Rabenmütter. Frauen, die mit dem Kind zuhause bleiben wollen, machen die Vorarbeit der Feministinnen der letzten 200 Jahre zur Sau. Wie auch immer man es macht, man macht es kreuzfalsch. Dabei muss jede Mutter, jede Familie für sich herausfinden, was für sie der richtige Weg ist. Jede Frau muss für sich selber entscheiden, welche Rahmenbedingungen sie glücklich und damit zu einer zufriedenen Mutter machen.
Selbstbestimmung scheint es nur dann zu sein, wenn diese der persönlichen Weiterentwicklung dient. Sich gegen ein Kind zu entscheiden scheint diese Vorgaben zu bedienen, während die freie Entscheidung für ein klassisches Rollenbild unter gar keinen Umständen als selbstbestimmt gelten darf. Sie sehen selber wie weit wir mit diesen Definitionen gekommen sind. Bis ungefähr 1,5 cm vor die eigene Nase, da wo das Brett vor dem Kopf anfängt.
Vielen Dank für diese grossartige Frage, liebe Mina. Ich habe mich sehr darüber gefreut!
Alles Liebe. ihre Kafi.
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Kafi Freitag (40!) beantwortet auf ihrem Blog Frag Frau Freitag Alltagsfragen ihrer Leserschaft. Daneben ist sie Mitbegründerin einer neuen Plattform für Frauen: Tribute.
Im analogen Leben führt sie eine Praxis für prozessorientiertes Coaching (Freitag Coaching) und fotografiert leidenschaftlich gern. Sie lebt mit ihrem 11-jährigen Sohn in Zürich.
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