Blogs
Leben

Ein halbes Jahr nachhaltiger leben – die ehrliche Zwischenbilanz

Nachhalterin
Zum Haare raufen: die Sache mit der Nachhaltigkeit.Bild: enscene.ch
Nachhalterin

Ein halbes Jahr nachhaltiger leben – die ehrliche Zwischenbilanz

Begeisterung und Überforderung, Neugier und Überdruss wechseln sich ab. Was ich im letzten halben Jahr als Nachhalterin gelernt habe – und wo es noch hapert.
29.10.2021, 08:1021.06.2023, 10:02
Mehr «Blogs»
Contentpartnerschaft mit WWF
Dieser Blog ist eine Contentpartnerschaft mit WWF. Die Beiträge werden von der freischaffenden Journalistin Jennifer Zimmermann verfasst.

Man muss nicht perfekt sein, um das Klima zu schützen! In dem WWF-Motto findet sich auch Jennifer wieder. Sie lebt (meist) vegetarisch, duscht (zu) oft (zu) lange und wühlt zum Unbehagen mancher Familienmitglieder (fast) immer in den «Gratis zum Mitnehmen»-Kisten am Strassenrand. Als «Die Nachhalterin» schreibt sie für den WWF und hilft dir und sich selbst, den Weg zu einem nachhaltigeren Leben zu finden. Für weitere Panda-Tipps zur Nachhaltigkeit: WWF/klimatipps.ch

Es handelt sich nicht um bezahlten Inhalt.

Ich sehe den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Aber halt, gibt es noch Wald oder wurde er schon lange gerodet? Wohl für den Anbau von Soja und Palmöl? Gibt es noch Orang-Utans, Vögel und Insekten? Oder sind da nur noch Dürre und Einöde? Gespenstische Stille und apokalyptische Landschaften?

Ich verstehe von Nachhaltigkeit nur Bahnhof, habe ich manchmal das Gefühl. Oder war es «Flughafen»? Ach nein, da sollte man nicht mehr hin.

«Nun ja, Hemd wie Hose», sage ich mir. Gefolgt vom nächsten Gedanken an Nachhaltigkeit: Sind die Kleider aus Bio-Baumwolle, Plastik oder Hanffasern? Womit wurden die Textilien gefärbt? Wo und unter welchen Konditionen wurden sie hergestellt? Fragen über Fragen ...

Einsiedlertum als einzige Lösung?

Egal, wohin ich schaue, ich sehe nur noch das Thema «Nachhaltigkeit». Geht euch das manchmal auch so? In den Medien Katastrophenmeldungen bis zum Abwinken: Waldbrände hier, Überschwemmungen dort, Dürre hier, Erdrutsche da. Die Welt brennt, erstickt, ersäuft und wir mit ihr. Können wir als Individuen dagegen etwas unternehmen, das wirklich hilft, frage ich mich unweigerlich? Und zwar ohne unserer (Konsum-)Gesellschaft ganz abzuschwören, ja keine Kinder zu kriegen und uns als EinsiedlerInnen im Wald zu verschanzen. Und ja – in welchen Wald denn, wenn es immer weniger davon gibt. Ich drehe fast durch und mich im Kreis ... Vielleicht ist es doch leichter, einfach zu resignieren? Zu essen, was mir schmeckt, dahin zu fliegen, wo ich will, so zu wohnen, wie es mir beliebt.

Ich hab genug – unser Planet bestimmt auch

Manchmal ist mein Kopf zum Bersten voll – und die Schnauze habe ich dann auch voll von Nachhaltigkeit. Ich hab's satt, mir die ganze Zeit Gedanken darüber zu machen, Entscheidungen abzuwägen, Nerven und Zeit zu investieren. Wenn ich doch als Einzelperson gefühlt so wenig ausrichten kann. Wenn es doch an der Politik wäre, die wirklich grossen Hebel in Bewegung zu setzen und Dinge zu ändern.

Aber wisst ihr, was auch voll ist? Unser Planet. Voll Menschen, voll von der durch sie verursachten Umweltzerstörung, voll von Schadstoffen, voll Leid.

Unser Planet hat die Schnauze bestimmt gestrichen voll von uns.

So sehe ich als einzige Option, mir weiterhin Mühe zu geben. Mein Bestes zu geben, damit ich möglichst wenig zur Umweltzerstörung und zum Klimawandel beitrage. Selbst wenn meine Bemühungen ein Tropfen auf den heissen Stein sein mögen und mein Lebensstil bei weitem nicht perfekt ist. Wenigstens schlafe ich abends mit einem halbwegs guten Gewissen ein.

Nachhalterin
Wie ging das jetzt nochmal mit der Nachhaltigkeit?Bild: enScene.ch

Was ich bisher gelernt habe – und was nicht

Ernährung

  • Die Themen Veganismus und Milchkonsum erhitzten eure Gemüter und ihr habt in der Kommentarspalte fleissig diskutiert. Das trifft sich gut, denn die Ernährung verursacht rund einen Drittel des persönlichen Fussabdrucks.
  • Ich bleibe bei Sojadrink statt Milch, denn sie schneidet bezüglich Gesamtumweltbelastung noch immer besser ab als Milch, ist billig und kann beim Proteingehalt mithalten. Ich ziehe den Hut vor allen VeganerInnen. Nicht nur, weil sie konsequent nach ihren Moralvorstellungen leben, sondern auch, weil sie sich ständig rechtfertigen müssen und nicht selten angefeindet werden.
  • Mehr über Veganismus und leckere vegane Rezepte zu erfahren hat mich im ersten Moment sehr motiviert, meine Ernährung schrittweise in die Richtung zu verändern. Immer wieder kommt mir aber meine Bequemlichkeit in die Quere. Eine Verhaltensänderung braucht Zeit und man muss mit alten Gewohnheiten brechen. Das ist nicht immer einfach, auch wenn das WWW mit guten Ideen und Rezepten überquillt. Die Umsetzung ist das andere. Gerade, weil ich nicht sonderlich gerne koche. Dennoch habe ich mich im Grillieren von veganen und vegetarischen Gerichten geübt. Das wäre noch umweltfreundlicher, hätte ich saisonal und lokal eingekauft. Hier kann ich noch dazulernen. Ebenso beim Label-Dschungel.

Wohnen und Konsum

  • Putzmittel selbst herzustellen, ist einfach und günstig. Ich bin aber trotz meiner ursprünglichen Absicht nicht ganz auf selbst gemachtes Waschmittel und Natron, Essig & Co. zum Putzen umgestiegen. Während der Recherche rief ich mir dafür wieder mal Tipps zum nachhaltigen Waschen ins Gedächtnis.
  • Hygiene- und Kosmetikprodukte kann man ebenfalls sehr einfach selbst herstellen. Auch hier bin ich aber ein Gewohnheitstier und wider Erwarten nicht auf Natron-Deo und schon gar nicht auf Roggenmehl-Shampoo umgestiegen.
  • Upcyceln macht mir teilweise Spass, ist aber viel zu zeitaufwändig – und der ökologische Impact ist vernachlässigbar. Man setzt sich aber damit auseinander, aus welchen Materialien Alltagsgegenstände bestehen und wie viel Abfall wir täglich produzieren. Das führt möglicherweise zu einem Wertewandel und bewussterem Konsumverhalten. Am nachhaltigsten wäre es natürlich, nichts zu kaufen und gar nichts recyceln oder upcyceln zu müssen («reduce, reuse, recycle»). Dem Thema Recycling will ich mich bei Gelegenheit näher widmen.

Mobilität und Reisen

  • Für nachhaltige und zugleich aufregende Reisen muss man nicht weit reisen, wie meine Kurztrips ins Neuenburger Jura und zu einem Demeter-Erlebnisbauernhof in Adliswil gezeigt haben.
  • Ich fahre Fahrrad, gehe zu Fuss, benutze den ÖV – und fliege. Meine letzte Reise führte mich nach Köln und ich nahm immerhin den Zug dahin. Der (Deutschen) Bahn traue ich zwar nach mühsamen Erlebnissen nur bedingt, ich wollte aber der Umwelt zuliebe nicht fliegen und zudem war die Zugreise viel billiger als zu fliegen. Mit Nachhaltigkeit kann man zum Glück manchmal auch Geld sparen.

So taste ich mich Schritt für Schritt weiter an das Thema Nachhaltigkeit heran. Ich versuche, mich von Rückschlägen nicht zu sehr entmutigen zu lassen, geduldig mit mir zu sein und vor allen Dingen meine Freude und Neugier zu bewahren.

Wo befindet ihr euch auf eurer nachhaltigen Reise? Habt ihr Verhaltensweisen geändert oder euch bestimmte Ziele gesteckt?
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
«Speck» aus Bananenschalen ... WAS SOLL NUN DAS SCHON WIEDER?
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
76 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Frankygoes
29.10.2021 10:43registriert März 2019
Wieso ist Nachhaltigkeit eigentlich nur Sache der Konsumenten? Wieso bin ich z.B. als Kunde für die Gifte in der PET-Flasche verantwortlich und nicht der Hersteller? Ich hab' das Gefühl, wir haben uns irgendwie auch von der Industrie gehirnwaschen lassen. Die Haltbarkeit von allem, was man kaufen kann (auch die teuren Sachen) nimmt immer mehr ab, weil man will ja in z Jahren wieder was verkaufen. Die Nachhaltigkeit soll der Konsument richten. Irgendwie schräg.
876
Melden
Zum Kommentar
avatar
Car_Driver
29.10.2021 09:59registriert Februar 2020
Da ich zu der finanziell schwachen Gesellschaftsschicht gehöre, bin ich sehr nachhaltig. Jeden Tag Fleisch kann ich mir nicht leisten, 1x im Monat gönne ich mir das. Kann nicht fliegen, Ferien mache ich zu Hause (ohne Ausflüge da CH sehr teuer ist), Konsumwahn kann ich mir nicht leisten, kaufe nur neu was völlig kaputt ist z.B Schuhe (habe 3 Paar, Arbeit, Sommer, Winter) Trage gewisse Kleider seit bald 15 Jahren.

Heize kaum um Geld zu sparen und gehe nicht viel weg, also auch da spare ich Ressourcen. Ich denke Menschen wie ich belasten die Welt kaum, trotz Auto.
518
Melden
Zum Kommentar
avatar
dmark
29.10.2021 13:11registriert Juli 2016
Die erste Frage in Bezug auf Nachhaltigkeit ist - Brauch ich das wirklich und muss ich das jetzt kaufen?
Und wenn man sich etwas kauft, dann sollte man auch darauf achten, dass es qualitativ hochwertig ist und lange hält. Nichts ist der Umweltbelastung mehr zuträglich als ein mieses Produkt, welches gleich wieder entsorgt wird.
Das zieht sich durch alle Bereiche des Lebens.
Die Welt ist im Grunde genommen einfach - nur wir machen sie teils sehr kompliziert.
280
Melden
Zum Kommentar
76
Erster Auftritt nach Kates Krebs-Schock: Prinz William kocht Bolognese

Erstmals seit Bekanntwerden der Krebsdiagnose seiner Frau Kate hat sich Prinz William am Donnerstag wieder in der Öffentlichkeit gezeigt.

Zur Story