Der neue US-Präsident ist noch nicht einmal im Amt, doch Mexiko leidet schon jetzt unter ihm: Der US-Autobauer Ford hat auf Druck von Trump die Pläne für ein neues Werk in Mexiko gestrichen und der mexikanische Peso ist aus Furcht vor einem Handelskrieg mit den USA auf den tiefsten Stand seiner Geschichte gefallen.
Wegen Trumps abfälligen Bemerkungen über die schätzungsweise 5,5 Millionen Mexikaner, die ohne Papiere in den USA leben und arbeiten, sowie der angekündigten Grenzmauer – die Mexiko auch noch bezahlen soll – fühlen sich viele Mexikaner zudem im Stolz verletzt. Es vergeht kaum ein Tag, an dem in den mexikanischen Zeitungen nicht der Name Trump auf der Titelseite prangt.
Kurz: Die Mexikaner waren auf den grossen Bruder im Norden schon besser zu sprechen. Das spüren vereinzelt auch meine Freundin Lea und ich. Unsere Vermieterin in Hermosillo erklärt uns aus dem Nichts, dass sie uns rausschmeissen wolle, weil wir unfreundlich seien und sie sich mit uns nicht wohlfühle. Erst als sie erfährt, dass wir keine Amerikaner sind, ist plötzlich wieder alles in Ordnung. Auf Spanisch sagt sie uns: „Ich spreche eigentlich ein bisschen Englisch. Aber jetzt mit Trump mache ich das aus Prinzip nicht.“
Eine ähnliche Situation erleben wir bei José und Elvira im Auto. Nachdem wir dem alten Ehepaar gesagt haben, dass wir aus der Schweiz kommen, will Elvira von uns wissen: «Was hält ihr von Trump?» «Wir mögen ihn nicht», antworten wir. Sie: «Aber warum habt ihr ihn dann gewählt?» Wir: «Wir haben ihn nicht gewählt. Die Schweiz liegt in Europa und nicht in den USA.» Elvira hat die Schweiz offenbar für einen US-Bundesstaat gehalten. Nachdem dieses Missverständnis geklärt ist, laden uns die beiden in ihre Berghütte zum Mittagessen ein.
Aber auch wenn die Mexikaner über die Amis und ihren neuen Präsidenten fluchen: Zum Arbeiten wollen trotzdem viele in die USA. Mittlerweile leben in den Vereinigten Staaten rund 36 Millionen Menschen mit mexikanischen Wurzeln. Einer davon ist Martin, der uns von Arizona nach Mexiko gebracht hat. Der 29-jährige IT-Spezialist besitzt eine sogenannte Green Card, mit der er unbefristet in den USA bleiben darf. Doch nach Trumps Wahl ist sich Martin da nicht mehr so sicher: «Die Migrationsgesetze können sich von einem Tag auf den anderen ändern. Ich will deshalb so bald wie möglich die US-Staatsbürgerschaft beantragen.»
Bei allen Mexican Americans, die keine Green Card besitzen, sei die Verunsicherung noch grösser, erzählt uns Martin: «Ich kenne viele solche Leute. Sie machen sich Sorgen, weil bald Trump im Weissen Haus sitzt. Wer kann, beantragt eine Greencard.»
Juan Carlos, der uns 130 Kilometer weiter Richtung Süden bringt, hat keine Green Card – und er will auch keine. Der 27-jährige Familienvater kann sich ein Leben in den USA nicht vorstellen. Im Sommer arbeitet er aber Jahr für Jahr auf einer Tabakfarm in Virgina. Juan Carlos besorgt sich dafür jeweils ein temporäres Arbeitsvisum. Das koste ihn zwar immer zwei- bis dreihundert Dollar, es zahle sich aber trotzdem aus: «Ich verdiene in Virgina 12 Dollar pro Stunde. Auf einer Tabakfarm in Mexiko kann man nicht einmal an einem Tag so viel Geld machen.» Dass Trump seinen Sommerjob in den USA gefährden könnte, glaubt Juan Carlos nicht: «Die Arbeit in der Sommerhitze auf dem Feld ist sehr hart. Für 12 Dollar pro Stunde macht das kein Amerikaner.»
Trump hin oder her: Die enge Verflechtung von Mexiko und den USA wird sich wohl nicht so schnell auflösen. Vielleicht ist es aber kein Zufall, dass uns ein junger Mann in der Millionenstadt Guadalajara eine Kiste mit Lolipops entgegenstreckt und sagt: «Bitte kauft etwas. Ich will Geld sparen, um auszuwandern – nach Kanada!»