Er läuft zwar unter der Kategorie «Heiler», in Wirklichkeit ist er ein ökonomisches Genie: Der 49-jährige Kroate Braco. Sein Business-System ist genial und läuft unter dem Motto «Reduce to the max». Das betrifft sowohl Aufwand als auch Ertrag.
Konkret bedeutet dies: Braco steht auf der Bühne, schaut auf die Besucher hinunter und schweigt. Das Ritual dauert fünf Minuten, manchmal sieben, und wenn ihn sein Zeitgefühl im Stich lässt, auch mal zehn.
In den Genuss solcher Auftritte kamen am vergangenen Samstag auch viele Schweizer Esoteriker und Anhänger der Alternativmedizin. Sie pilgerten zu Hunderten nach Zürich ins Volkshaus, die spirituelle Dusche des Geistheilers zu empfangen.
Im Gepäck hatten sie Blumen, Fotos ihrer kranken Liebsten und viel, viel Sehnsucht und Hoffnung. Hoffnung, dass ein Wunder passieren möge. Dass sie die Krücken wegschmeissen und den Krebstumor vergessen können, weil er unter dem Blick des Geistheilers dahinschmilzt.
Das stumme Ritual wiederholte Braco stündlich. Helfer kanalisierten die Besucherströme, geleiteten sie zur Kasse, verlangten einen Obolus von 20 Franken inklusive DVD, führten sie in den Saal und nach dem kurzen Auftritt des Meisters wieder hinaus.
Viele wirkten danach verklärt, manche hatten Tränen in den Augen und alle hofften, Bracos Blick habe sie von ihren körperlichen oder psychischen Beschwerden befreit.
Diese Veranstaltungen, die Braco fast rund um den Globus führen, sind das perfekte pekuniäre Perpetuum mobile. Die lokalen Anhänger des Heilers organisieren in Fronarbeit einen Event, fliegen ihn ein, verkaufen die Tickets und lotsen ihn auf die Bühne.
Sein Part ist, wie bereits beschrieben, die des stummen Stars. Nichts tun, nichts sagen, nur schauen. Und die Eintritte kassieren. Um 9 Uhr, um 10 Uhr, um 11 Uhr, um 12 Uhr, um 13 Uhr, um 14 Uhr, um 15 Uhr.
Was passiert dabei? Niemand weiss es. Auch Braco will es nicht wissen. Er ist clever genug, alles im Ungewissen zu lassen. Er verspricht schon gar keine Heilung, weil er es sonst mit den Gesundheitsbehörden zu tun bekommen könnte.
Auf der Homepage steht es so:
Wie wir es von fast allen Heilern kennen, erklärt Braco auch seine Performance gern mit wissenschaftlichem Vokabular. Das klingt dann so:
Der wichtigste «Wissenschaftler» an der Seite von Braco ist der kürzlich verstorbene Mittelschullehrer Alexander Schneider, der auf der Homepage als Physiker und Professor vorgestellt wird. Schneider war Mitbegründer und ehemaliger Präsident der Basler Psi-Tage sowie Vorstandsmitglied der Schweizer Gesellschaft für Parapsychologie. Der Parapsychologe hat ausserdem ein Buch über den Heiler mit dem Titel «Braco – Die faszinierende Welt von Mythos und Wissenschaft» geschrieben.
Was bei den Veranstaltungen von Braco vor sich gehe, sei «mit den Werkzeugen der klassischen Alltagsphysik nicht beschreibbar», erklärt Schneider. Und weiter: «Analoge Vorgänge wie Telepathie, Geistiges Heilen usw. sind heute durch zahlreiche, meist statistisch abgesicherte Untersuchungen belegt. Leider fehlen trotzdem auch bei diesen, wie beim Wirken Bracos, Funktionsmodelle, die Voraussagen über die im Einzelfalle zu erwartenden Resultate ermöglichen würden.»
Der Kosmos, aber auch der einzelne Mensch, bestünden aus verschiedenen, eine die anderen überlagernden Schichten, erklärt Schneider weiter. In nächster Zukunft werde die Menschheit in der 5. Dimension leben. Wörtlich: «Immer wieder, wenn wir vor Braco stehen, werden am Himmel unseres Bewusstseins schwarze, aber auch hübsche rosarote Wolken erscheinen.» So klingt Wissenschaft auf Esoterisch.
Braco selbst hat keine Erklärung für die Phänomene, die angeblich bei seinen Auftritten bei den Besuchern passieren, wie es in seinen Richtlinien heisst. Das verwundert nicht wirklich, kommuniziert er doch bestenfalls nonverbal.
Sein Schweigen hat für esoterisch Angehauchte eine geheimnisvolle, mystische Note und erinnert sie wohl an die ägyptischen Sphinx. Für Aussenstehende ist es ein raffiniertes Markenzeichen, ein Label, das Aufmerksamkeit erheischt. Braco erinnert dabei an den indischen Guru und Sektenführer Bhagwan, der ebenfalls jahrelang seine Sannyasins erfolgreich angeschwiegen hat. Ganz nach dem Motto: Wer schweigt, kann nichts Falsches sagen.
Die eigenartigen Bühnenshows hindert aber auch Promis nicht, den stummen Geistheiler zu verehren. Zuoberst auf Bracos Pyramide der Schönen und Reichen thront Supermodel Naomi Campbell. Wie sehr sie den Schweiger verehrt, zeigt das folgende Video:
An guten Tagen läuft das Geschäft wie geschmiert. So wurden schon 7000 Besucher gezählt. Da kommt in einer Stunde Schweigen schon mal ein Verdienst von 50'000 Franken zusammen. Das schafft nicht einmal der Fussballstar Neymar, der für 220 Mio. Franken zu Paris St-Germain transferiert wurde.
Dieser kann zwar bei der Ausübung seines Berufes auch schweigen, doch er muss zumindest rennen. Rund 10 km pro Spiel. Ins Schwitzen kommt Braco nicht. Höchstens beim Geldzählen.