Verschwörungstheoretiker neigen dazu, ihr Weltbild den eigenen Sehnsüchten und ideologischen Fixierungen anzupassen. Wahr ist für sie, was realitätsbezogene Zeitgenossen als «alternative Fakten» empfinden. So prallen verschiedene Welten unvereinbar aufeinander.
Auf welchem geistigen Niveau sich radikale Verschwörungstheoretiker bewegen, zeigen die jüngsten Diskussionen in diesen Kreisen. Im Bestreben, existentielle Erkenntnisse als Fake News zu enttarnen, behaupten sie, die Erde sei eine Scheibe. Ich wiederhole: Sie glauben allen Ernstes, die Erde sei keine Kugel, sondern flach wie eine Flunder.
Wer es nicht glaubt, kann einen Selbsttest machen und bei Google «flat earth» oder «flache Erde» eingeben. Die Links überfallen die Suchenden wie Cholera und Pest die Menschen im Mittelalter.
Die Verschwörungstheoretiker erklären, die flache Erde werde von einer Glasglocke überdeckt. Mond und Sonne würden innerhalb dieser Glocke Kreise ziehen. Ausserdem habe die Sonne lediglich einen Durchmesser von rund 50 Kilometern und kreise von Kontinent zu Kontinent.
Bemerkenswert ist auch, dass manche christlichen Fundis diese Verschwörungstheorie kolportieren. Sie sehen damit vor allem ihre Vorstellung bestätigt, dass die Erde das Zentrum des Universums oder der Schöpfung ist. Damit wollen sie indirekt die Idee von der Schöpfungslehre unterstützen.
Die radikalen Verschwörungstheoretiker glauben also, dass sich Millionen von Astronomen, Physikern und sonstigen Wissenschaftlern irren oder uns bewusst hinters Licht führen. Ja, uns sogar fundamentale Lügen auftischen. Nach der Lesart der Verschwörungstheoretiker bedeutet dies, dass sämtliche Wissenschaftler und Fachleute zu einer geheimen Macht oder zur geheimen Weltregierung gehören, um uns besser manipulieren zu können.
Bemerkenswert ist, dass die Verschwörungstheoretiker krampfhaft an ihrer «neuen Erkenntnis» festhalten, obwohl diese auch von Laien, ja sogar von Kindern, leicht widerlegt werden kann. Zum Beispiel: Wer am offenen Meer steht, kann die Erdkrümmung selbst wahrnehmen. Oder: Warum sehen Australier einen anderen Sternenhimmel als wir auf der nördlichen Halbkugel?
Weiter: Warum kann ein Flugzeug von Australien über Amerika oder via Asien nach Europa gelangen? Und: Warum zeigen Sonnenuhren nicht überall auf der Welt die gleiche Zeit an? Ganz zu schweigen von der Weltraumfahrt.
Verräterisch ist, dass Verschwörungstheoretiker sich keinen Deut darum scheren, ihre sonderbaren Ideen zu verifizieren. Je abstruser eine Theorie, desto grösser ihre Faszination. Die Hirne der Flat-Earth-Verfechter sind offensichtlich ähnlich flach wie ihre Vorstellung von der Erde.
Das Phänomen der Verschwörungstheorien wird gern verharmlost. «Es hat immer Spinner gegeben, und es wird sie immer geben», wird gern ins Feld geführt. Dabei geht vergessen, dass die Zahl der «Spinner» dramatisch schnell wächst und ihr Einfluss rasch zunimmt.
Ausdruck davon sind der um sich greifende Populismus und die unselige Fake-News-Kultur. Diese sind die Zwillingsschwestern der Verschwörungstheorien.