Mit (un-)schöner Regelmässigkeit verirrt sich das Schweizer Fernsehen in esoterische Abgründe. Immer mal wieder dürfen sich Geistheiler, Schamanen, Neo-Hexen, spirituelle Meister mit Guru-Allüren und ähnliche Gestalten präsentieren, ohne sich kritischen Fragen stellen zu müssen. Die Sendungen verkommen oft zum Werbespots für problematische Gestalten und Gruppen.
So auch wieder am vergangenen Mittwoch, als gleich zwei Gefässe das Publikum in die magisch-okkulte Welt der modernen Esoterik entführte: Die Sendung Reporter feierte vier Personen ab, die bei Nahtoderfahrungen dem Jenseits angeblich einen Besuch abgestattet und verstorbene Familienmitglieder getroffen hatten. Anschliessend gab der Kulturplatz einer Astrologin eine Plattform, die Plattitüden der Sonderklasse den Fernsehkonsumenten darreichen durfte.
Im ersten Beitrag gab Reporter Simon Christen gleich zu Beginn das Motto vor: «Was passiert, wenn wir sterben? Davon berichten Menschen, die mit einem Fuss im Jenseits standen.» Eine absolute Ansage mit angeblichem Wahrheitsgehalt. Kein Fragezeichen, kein Konjunktiv.
Die Jenseitsbesucherin Magdalen Bless gab noch einen obendrauf. Sie wolle zwar nicht sagen, dass sie Gott selbst gesehen habe, aber einen Schleier oder Abglanz von ihm, sagte sie mit glänzenden Augen in die Kamera.
Wie bei allen Esoterikern spielte auch das göttliche Licht bei Bless eine zentrale Rolle. «Das Licht hat eine unglaubliche Wärme und Liebe, Weisheit und viel Wissen ausgeströmt. Es war der Inbegriff des Absoluten.» Sie freue sich deshalb auf den Tod, weil er sicher ein grossartiger Übergang sei, der die Rätsel des Universums entschlüssele, erklärte Bless.
Seine angebliche Nahtoderfahrung nach einem Unfall hat auch den Esoteriker Ramón Gartmann, der spirituelle Kurse für Gruppen anbietet, «sofort glücklich» gemacht. Das Licht sei ihm sehr vertraut gewesen: «Es fühlte sich nach Heimkommen an.»
Gartmann schilderte seine Nahtoderlebnisse so präzis, als seien sie gestern passiert. Dabei liegen sie drei Jahrzehnte zurück. Auf seiner Homepage schreibt er: «Als ich mit acht Jahren bei einem schweren Unfall erlebte, dass jenseits der Grenze des Todes eine Welt von unglaublicher Schönheit und Kraft existiert, war ich endgültig kein normaler Junge mehr.»
Marcel Gasser ist vor 30 Jahren bei einem Unfall fast gestorben. «Ich hatte das Glück, dass ich wieder zurückkommen konnte auf die Erde.» Im Jenseits traf er angeblich seinen Vater, wie immer in Hemd, Krawatte, Anzug und gekämmten Haaren. Dieser habe ihm gesagt, seine Zeit sei noch nicht um, er müsse zurück auf die Erde.
Gasser weiss, dass viele Leute darüber den Kopf schütteln: «Es ist sehr heikel, das Thema anzuschneiden. Man kann schnell als Spinner abgestempelt werden.»
Musikerin Andrea Pfeifer ist fast an einer Lebensmittelvergiftung gestorben. Früher habe ihr der Tod grosse Angst eingejagt, sagte sie. Seit ihrer Nahtoderfahrung sehe sie in anderen Gesichtern viele verschiedene Inkarnationen. «Das tönt crazy», gestand sie und begann verlegen zu lachen.
Alle vier beschrieben das Nahtoderlebnis als wunderschön. Grundtenor: Wir bleiben nicht lang allein in der geistigen Welt, sondern werden rasch empfangen und betreut.
«Plötzlich sind mir Gestalten entgegengekommen, die ich gekannt habe», bestätigte Bless. «Zuvorderst kam meine Grossmutter daher, strahlend, glücklich und leuchtend.»
Sängerin Pfeifer sagt:
Reporter Simon Christen hatte im langen Beitrag einen einzigen journalistischen Reflex. Viele Schulmediziner seien überzeugt, dass es ganz simple Erklärungen für solche Erfahrungen gebe. Sauerstoffmangel, zu viel Kohlendioxid oder chemische Reaktionen im Gehirn, sagte er. Die Antwort von Adrea Pfeifer war beispielhaft: «Wenn man es selbst erlebt hat, fallen die Fragen weg.»
Seine eigene Geisteswelt offenbarte Reporter Simon Christen im Schlusskommentar: «Gut möglich allerdings, dass uns auf Erden noch viel Dunkelheit erwartet, bevor uns im Jenseits das Licht empfängt.»
Du heiliger Bimbam.
Im Anschluss an den vermeintlichen Besuch im Jenseits schaute Eva Wannenmacher in der Sendung Kulturplatz in der Sternwarte Urania in Zürich in den Himmel. Sie interviewte jedoch nicht einen Astronomen, sondern die Astrologin Alexandra Kruse.
Das Gespräch war eine Realsatire. Die erste Frage von Wannenmacher: «Welchen Einfluss haben die Planeten auf uns Menschen?» «Die Planeten sind in meiner Wahrnehmung sowas wie sehr gute Freunde, die uns helfen, unseren Weg auf dieser Sternenkarte zum bestmöglichen Ergebnis von allen und allem zu finden», antwortete Kruse.
Dann stellte die Journalistin fest, dass sich die beiden Freunde Jupiter und Saturn im Dezember historisch angenähert haben und fragte, welche Wirkung dies auf die Menschen habe. (Zwischenbemerkung: In Wirklichkeit liegen die beiden Gestirne Millionen Kilometer auseinander.)
«Die Wirkung von diesem Treffen war sehr, sehr, sehr viel Licht, das auf unseren Planeten gebracht wurde, und nicht umsonst war ja vom Stern von Bethlehem die Rede. Diese Vorstellung finde ich natürlich fantastisch.»
Kruse schaute dauernd verklärt nach oben zu ihren sehr, sehr, sehr lieben Freunden. Oft lachte sie, als amüsiere sie sich über ihren Nonsens, den sie den Zuschauern verklickerte.
Die nächste Frage: «Hier in der Sternwarte wird ja der Astronomie gefrönt, einer Wissenschaft. Wie verhält es sich mit der Astrologie?» «Ich glaube, Astrologie und Astronomie waren tatsächlich auch mal sehr viel bessere Freunde, und ich hoffe, dass es auch wieder einmal so sein wird.»
Sie wünscht sich einen täglichen kosmischen Planetenbericht analog zum Wetterbericht. «Dann wüsste jeder: Ah, Merkur rückläufig! Ok, dann unterschreibe ich diesen Vertrag vielleicht besser in zwei Wochen.»
Schliesslich gab Kruse eine astrologische Analyse über Trump zum Besten. «Es geht darum, dass Zwillinge tatsächlich unberechenbar sind. (…) Was ich viel interessanter finde, ist der Aszendent. Sein Aszendent ist nämlich Löwe, und mehr Ego, Machtspielchen usw. gingen glaube ich nicht.»
Diese tiefgründige Analyse dürfte alle Zwillinge freuen. Vor allem auch jene, den Löwen im Aszendent haben.
Zum Schluss sagte Eva Wannenmacher: «Danke, dass wir über die Sterne fachsimpeln konnten.» Wie bitte? Simpel ja, aber Fach? Bei Glanz und Gloria wäre das Interview knapp durchgegangen, im Kulturplatz wirkte es deplatziert. Denn mehr Unkultur geht nicht.