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Wie der Bigboss von Scientology zum grössten Feind der Sekte wurde

Mike Rinder wurde nach seinem Ausstieg der schärfste Kritiker von Scientology.
Mike Rinder wurde nach seinem Ausstieg der schärfste Kritiker von Scientology.Bild: Shutterstock
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Wie der Bigboss von Scientology zum grössten Feind der Sekte wurde

Der ehemalige hochrangige Scientologe Mike Rinder kämpfte nach seinem Austritt erfolgreich gegen die Sekte. Nun ist er gestorben.
11.01.2025, 08:00

Er war ein hartgesottener Bigboss von Scientology, bis er die Nase voll hatte von der amerikanischen Sekte. Nachdem er ausgestiegen war, packte er aus und kämpfte mit dem gleichen Biss gegen das Sektenimperium an. Nun ist Mike Rinder im Alter von 69 Jahren an Speiseröhrenkrebs gestorben.

Er verabschiedete sich mit dem Bekenntnis: «Mein einziges wirkliches Bedauern ist, dass ich nicht erreicht habe, was ich mir vorgenommen hatte – die Missbräuche von Scientology zu beenden.»

Steile Karriere

Dank seiner steilen Karriere und seiner anschliessenden Aufklärungskampagne konnte er ein Sittenbild der Sekte zeichnen, das einen tiefen Einblick in die menschenverachtenden Praktiken von Scientology erlaubt. Zum Vorschein kam ein System von Macht, Intrigen, Demütigungen und Misshandlungen.

Der Australier Mike Rinder kam 1982 über seine Eltern zur amerikanischen Bewegung. Damals lebte der Gründer L. Ron Hubbard noch. Rinder stieg in der Hierarchie rasch auf und war bald die Nummer zwei der Sekte. Gefördert wurde er auch vom Hubbard-Nachfolger David Miscavige, der den Eifer und das Organisationstalent des Australiers rasch erkannte.

So war Rinder schliesslich Chef der Eliteeinheit «Sea Organisation», Vorstandsmitglied der «Church of Scientology International», Executive Director des Office of Special Affairs, eine Art Geheimdienst der Sekte. In dieser Funktion war er auch für die Öffentlichkeitsarbeit und die Rechtsfragen zuständig.

Video zum Tod von Mike Rinder mit Scientology-Aussteigerin Schauspielerin Leah Remini.Video: YouTube/Entertainment Tonight

Keiner hatte einen so tiefen Einblick in die Sektenzentrale wie er. Und er leistete ganze Arbeit. Eigentlich hätte Miscavige dankbar sein müssen, einen Mann fürs Grobe an seiner Seite zu haben. Doch der Sektenboss hat offenbar einen auffälligen Charakterzug, wie Mike Rinder später enthüllte. Er scheint jähzornig und unbeherrscht zu sein.

Er sei mehrere Dutzend Male von Miscavige geschlagen oder mit den Füssen getreten worden, erklärte Rinder nach seinem Ausstieg. Ausserdem habe ihn der Sektenchef manchmal blutig geschlagen. Dabei sei er sich als Boxsack vorgekommen.

Wie andere Kaderleute habe er die Wutausbrüche von Miscavige ebenfalls widerstandslos über sich ergehen lassen, weil er sonst noch härtere Bestrafungen hätte erdulden müssen, sagte Rinder. Das Szenario reicht bei der Sekte vom Putzdienst bis zur Einweisung ins eigene Straflager RPF. Auch für ranghohe Scientologen.

«Mein einziges wirkliches Bedauern ist, dass ich nicht erreicht habe, was ich mit vorgenommen hatte – die Missbräuche von Scientology zu beenden.»
Mike Rinder

Nach 25 Jahren – also 2007 – hatte Rinder genug. Es war nicht eine Trennung im gegenseitigen Einvernehmen, sondern eine Flucht im Streit. Das Schlüsselerlebnis hatte er nach einer «Mission Impossible» – frei nach dem bekanntesten Sektenmitglied Tom Cruise: Miscavige befahl Rinder, den englischen Autor und Dokumentarfilmer John Sweeneys, der einen Film über Scientology drehte, zu «neutralisieren».

Rinder flog nach London und hätte die Premiere verhindern sollen. Bei der Konfrontation behauptete der Filmemacher, Rinder werde von Miscavige missbraucht, müsse dies aber leugnen. Der Scientologe stritt es zwar ab, aber er erkannte, dass Sweeneys die Wahrheit sagte. Als Rinder nach seiner erfolglosen Mission von Miscavige gerüffelt wurde, weil er den Film nicht stoppen konnte, ergriff er die Flucht.

In this photo provided by the Scientology Celebrity Centre, Leah Remini, left, John Travolta, center, and Kelly Preston, pose for photographers during the 37th Anniversary Gala at the Church of Scient ...
Drei Scientology-Promis strahlen 2006 in die Kamera: Aussteigerin und Schauspielerin Leah Remini (links), John Travolta und Kelly Preston bei einer Gala-Veranstaltung der Sekte.Bild: keystone

Danach sagte der hochrangige Aussteiger: «Wenn die Kirche entschied, dass jemand ein Feind war und zum Schweigen gebracht oder zerstört werden musste, war es meine Aufgabe, und ich tat es.»

Er hatte von dieser Drecksarbeit genug und wollte in Ruhe ein gutbürgerliches Leben führen. Als er 2009 von der St. Peterburg Times eine Anfrage für ein Interview erhielt, lehnte er ab. Kurz darauf bekam er Besuch von zwei Scientology-Anwälten, die wissen wollten, was die Journalisten gefragt und was er im Interview geantwortet habe.

Der US Amerikaner David Miscavige, Leader der Scientology-Kirche, spricht waehrend der Eroeffnungsfeierlichkeiten der Scientology Kirche in Basel am Samstag, 25. April 2015. Es handelt sich um die ers ...
Der Sektenführer David Miscavige bei der Einweihung eines Scientology-Zentrums in Basel.Bild: KEYSTONE

Nun war Rinder klar, dass er überwacht wurde. Bei dieser unschönen Begegnung spürte er, was die Spitzelmethoden für Opfer bedeuten. Er ging in sich und rief danach die Zeitung an. Er sei nun bereit, auszupacken, sagte er der Redaktion.

Kampf gegen die Sekte

Damit hatte er die Büchse der Pandora geöffnet und wurde zur Zielscheibe des Scientology-Geheimdienstes. Von da an widmete er sein Leben dem Kampf gegen die Sekte. Dabei bekam er breite Unterstützung von anderen hochrangigen Sektenmitgliedern, die ebenfalls den Ausstieg gewagt hatten. Unter ihnen manche Prominente.

Seine wichtigste Kampfgefährtin wurde die bekannte Schauspielerin und Aussteigerin Leah Remini. Rinder wurde nun für viele Medien die wichtigste Quelle für Enthüllungsstories. Er trat auch oft bei TV-Sendern auf und unterstützte Dokumentationen über Scientology.

Zusammen mit Leah Remini moderierte er von 2016 bis 2019 die A&E-Dokumentarserie: «Scientology and the Aftermath», die den Emmy Award erhielt und ein grosses Publikum erreichte. Die beiden zeigten die Missbräuche und unmenschlichen Praktiken der Sekte auf. Anschliessend unterhielten sie einen Podcast und einen Blog über Scientology. Ausserdem schrieb Rinder das Buch «A Billion Years: My Escape From a Life in the Highest Ranks of Scientology».

Scientology streitet alles ab

Die Sekte versuchte vergeblich, Rinder mit ihren Einschüchterungsmethoden auszubremsen. Sie stritt seine Informationen und Anschuldigungen kategorisch ab und erklärte: «Mike Rinder ist ein eingefleischter Lügner, der von seiner Unehrlichkeit profitieren will.» Er belästige seine ehemalige Kirche und ihre Führer mit falschen Polizeiberichten, aufrührerischer Propaganda und betrügerischen Mediengeschichten.

Mike Rinder kann für sich in Anspruch nehmen, dass seine Aktionen der Sekte massiv geschadet haben: Er hat die Austrittswelle bei Scientology befeuert.

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Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
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608 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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ELMatador
11.01.2025 08:41registriert Februar 2020
Ich bin der Meinung, dass Organisationen wie Scientology die bewiesenermassen illegale und menschenunwürdige Handlungen vornehmen, verboten werden sollten. So eine Organisation Hatt weniger als nichts mit der Religionsfreiheit zu tun.

Im Vergleich dazu sind Pastafarier und der Der Satanische Tempel ernstzunehmenderere Religionen …. Aber es ist nur die Meinung eines aus der Kirche ausgetretenen ehemaligen Ministraten.
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fant
11.01.2025 09:08registriert Oktober 2015
Es ist ungeheuerlich, dass Scientology (nach dem was mittlerweile bekannt ist) je nach Land als harmloser Verein oder - noch schlimmer - als "Kirche" (also als Institution, die den Menschen hilft) wahrgenommen und auch so behandelt/geduldet wird.

Dabei ist es eine knallharte Firma, aber kein Konsumentenschutz schreitet wegen den zahlreichen Missbräuchen/Lügen etc ein.

Und Pastafaris dürfen am Ortseingang nicht mal ein Schild für Ihren wöchentlichen "Gottesdienst" aufstellen.

Doppelstandards überall. Aber kein Wunder, da alle Religionen letztlich irgend etwas Unbeweisbares behaupten.
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frau süss
11.01.2025 08:16registriert März 2014
es gibt eine sache, die alle glaubensgemeinschaften inklusive denen in der auswahl bei der steuererklärung gemeinsam haben, und das ist kontrolle. die scientologon haben diesen mechanismus als eine der ersten sekten perfektioniert.
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