Der Dokumentarfilm «Die evangelikale Welt der Läderachs – Züchtigung im Namen Gottes», der in der vergangenen Woche im Schweizer Fernsehen ausgestrahlt worden war, löste eine Flut von Medienberichten und einen Sturm der Entrüstung in der Öffentlichkeit aus. Seither ist im Haus Läderach der Teufel los.
Ehemalige Schülerinnen und Schüler der Privatschule Domino Servite, die vom freikirchlichen Missionswerk Kawsizabantu in Kaltbrunn SG geführt wurde, erzählten der Filmemacherin Eveline Falk ihr Schicksal. Es sind Geschichten voller Prügel, Züchtigungen und psychischem Druck.
Zufall oder nicht: Als er vom Filmprojekt über die KSB-Schule erfuhr, trat Jürg Läderach (62) vor rund zwei Jahren als Verwaltungsratspräsident der Schokoladenfabrik Läderach, als Vorstand der christlichen Schule und der Freikirche zurück. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung. In den medialen Strudel geriet auch sein ältester Sohn Johannes (37), heutiger CEO des Unternehmens.
Bringen wir etwas Licht in die dunkle Geschichte.
Jürg Läderach entschloss sich während der Entstehung des Filmprojekts zum Angriff: Er drohte Menschen, die ihn der Züchtigung bezichtigen würden, juristische Konsequenzen an. Vorsorglich klagte er Marianne M. wegen Ehrverletzung an.
Läderach vermutete, dass sie im Film behaupten könnte, er habe sie geschlagen. Sie machte im Film aber andere Vorwürfe an die Verantwortlichen von KSB. Nachdem sie von einem Schüler vergewaltigt worden sei, hätten die Gemeindeleiter ihr nicht geholfen und keine Anzeige erstattet. Vielmehr sei sie aus der Gemeinde verbannt worden, erzählt Marianne M. im Film.
Nach der öffentlichen Empörung schweigt Jürg Läderach. Er ist abgetaucht. Insider sagen, er sei in den Schoss der KSB-Mutterkirche in Südafrika geflüchtet.
Auf die Frage, ob er die Strafanzeige gegen Marianne M. zurückziehen werde, liess sein Sprecher watson lediglich ausrichten, dass sich Jürg Läderach nicht zu laufenden Verfahren äussere. Es gehe ihm nicht um eine Bestrafung, vielmehr wolle er die Vorwürfe von der Staatsanwaltschaft überprüfen lassen. Ein Persilschein für Jürg Läderach würde Marianne M. erneut in die Rolle des Opfers drängen.
Ob Jürg Läderach seine Androhung wahrmacht, die ehemaligen Schülerinnen und Schüler anzuzeigen, die ihn im Film belasten, ist nach der öffentlichen Empörung und dem beträchtlichen Reputationsschaden eher unwahrscheinlich.
Um den Schaden für das Schokoladenunternehmen zu minimieren, ging sein Sohn Johannes in die Offensive und stellte sich indirekt gegen seinen Vater.
Johannes Läderach erklärte der «SonntagsZeitung»: «Ich habe das Klima der Angst selbst miterlebt.» Denn Johannes war wie seine Geschwister in der KSB-Schule und erlebte den Psychoterror, der in der Anfangszeit in Schule und Freikirche herrschte. Gleichzeitig behauptete er, selbst nicht geschlagen worden zu sein, doch seine ehemaligen Schulkollegen widersprechen ihm.
Eine Untersuchung der Vorfälle bei KSB, die der ehemalige Bundesrichter Niklaus Oberholzer geleitet hatte, war zu einem vernichtenden Urteil gekommen. Der Bericht hielt fest, dass die Lehre der Freikirche in den Anfangsjahren zu «schweren Missbräuchen in religiöser, psychischer, körperlicher und sexueller Hinsicht» geführt habe.
Johannes Läderach gibt sich nach den Enthüllungen durch den SRF-Film als der fürsorgliche Schoggi-Patron, der für Toleranz und Diversität einstehe. Doch diese Rolle steht ihm schlecht.
Denn bis vor Kurzem stand Johannes Läderach noch zu seinem fundamentalistischen Glauben und exponierte sich öffentlich. Er war zusammen mit seinem Vater Jürg im Vorstand von «christians for truth» (cft), eine 1990 von Kwasizabantu in Südafrika gegründete Organisation, die ihre christlichen Werte in Politik und Gesellschaft fördern und verteidigen sollte.
Cft engagierte sich vor allem für den Kampf gegen Abtreibung, Homosexualität und die Ehe für alle. Die Läderachs initiierten mit cft 2010 den «Marsch fürs Läbe». Seither führt cft jedes Jahr eine Demonstration in Zürich durch und protestiert nach amerikanischem Vorbild gegen Abtreibungen.
Ins Bild passt auch, dass seine Kinder noch immer in die Schule gehen, in der früher «das Klima der Angst» herrschte.
Johannes Läderach verteidigte auch öffentlich seinen Glaubensbruder Daniel Regli. Der damalige Präsident des «Marsches fürs Läbe» und SVP-Gemeinderat hatte 2017 gesagt, dass «sich promiske Homosexuelle zwischen 30 und 40 das Leben nehmen, weil der Analmuskel nicht mehr hält, was er verspricht».
Als sich KSB Kaltbrunn von der Mutterkirche löste, wurde cft in «christianity for today» umbenannt. Das Kürzel blieb also das gleiche. Inzwischen wurde cft aufgelöst, die Demonstrationen werden aber weitergeführt.
Jürg Läderach hatte früher auch einen engen Kontakt zu Ivo Sasek von der Organischen Christus Generation (OCG). Die beiden seien 1984 zusammen zur Mutterkirche von Kwasizanbtu in Südafrika gereist, erklärt Simon Sasek, der älteste Sohn von Ivo, der die Sekte OCG verlassen hat und seither von seiner Familie verstossen wird. Dort hätten die beiden frommen Männer die Erziehungsmethode nach urchristlichem Vorbild gelernt.
Was es bedeutete, erlebte Simon Sasek am eigenen Leib, erfuhr er doch als Kind die körperliche Züchtigung durch seinen Vater. Dieser leugnet zwar wie Jürg Läderach, Prügelstrafe angewendet zu haben.
Wie eng die Bindung war, zeigt sich auch an einem anderen Beispiel: Jürg Läderach wurde Götti einer Tochter von Ivo Sasek, und Ivo Sasek Götti eines Sohnes von Jürg Läderach. Inzwischen hat sich Ivo Sasek, über den die Filmemacherin Eveline Falk zwei aufschlussreiche und eindrückliche Dok-Filme drehte, zum radikalen Sektenführer entwickelt.
An seinen Grossveranstaltungen und bei seinem Fernsehsender Klagemauer-TV (kla-tv) verbreitet er antisemitisches, rechtsradikales und verschwörungstheoretisches Gedankengut. Er empfahl unter anderem seinen Gläubigen, Hitlers Tagebuch zu lesen.
Zurück zu Johannes Läderach und den Gläubigen der «2. Generation». Der Sohn von Jürg Läderach, seine Geschwister und viele ehemalige Schülerinnen und Schüler sind in gewissem Sinne ebenfalls Opfer der Gründergeneration.
Sie haben aber als Erwachsene die Kultur des Schweigens und Vertuschens verinnerlicht. Damit tragen sie eine Mitverantwortung, denn Hunderte Schülerinnen und Schüler waren weiterhin einem sektenhaften moralischen und psychischen Druck ausgesetzt.