Wer rasch reich werden will, muss eine Sekte gründen, sagt ein geflügeltes Wort. Denn viele Menschen sind anfällig für Manipulationen, wenn es um Esoterik, Okkultismus, magische Ideen und um radikale Formen des Glaubens geht.
Ein besonders spektakulärer Fall, der teilweise in der Schweiz spielt, wirft aktuell in Österreich hohe Wellen. Eine 44-jährige Schamanin mit serbischen Wurzeln und ihr Clan erpressten von leichtgläubigen Leuten riesige Summen. Die Polizei konfiszierte bei einer Razzia in einem versteckten Tresor in ihrer Villa über 10 Millionen Euro Bargeld und Wertgegenständen. Man kann davon ausgehen, dass dies nur die Spitze des Eisberges ist, haut sie doch seit rund 20 Jahren Leute übers Ohr.
Die Taktik der Haupttäterin Mariana M. alias Amela ist simpel. Ihre Methode lässt sich am Beispiel einer Wienerin aufzeigen, die der angeblichen Schamanin nach kurzer Zeit insgesamt 730‘000 Euro zahlte, wie die Polizei in einem öffentlichen Aufruf bestätigte.
Mariana M. sprach die Passantin auf offener Strasse an und schmeichelte ihr, sie könne bei ihr eine schöne Aura erkennen. Die beiden Frauen führten ihre Konversation in einem Café fort. Dort änderte sich der Ton allmählich. Sie nehme auch negative Schwingungen wahr, die zu Problemen führen können, drohte die Schamanin. Für 3000 Euro könne sie mit esoterischen Ritualen Abhilfe schaffen. Die Geldübergabe fand beim nächsten Bankomat statt.
Bald danach kam es zu einem zweiten Treffen. Mariana M. zeigte ihrem Opfer einen simplen Knotentrick, um ihre angeblichen paranormalen Kräfte zu demonstrieren. Gleichzeitig behauptete sie, ihre Verwandten wiesen ebenfalls dunkle Flecken in ihrer Aura auf. Der Preis für eine kollektive «Reinigung»: 60‘000 Euro. Die eingeschüchterte Frau überwies das Geld.
Beim dritten Treffen ging die skrupellose Schamanin aufs Ganze. Sie erklärte der Wienerin, in die Zukunft schauen zu können und prophezeite ihr den baldigen Tod ihrer Tochter. Diesen könne sie nur mit reinigenden Ritual ihres gesamten Vermögens abwenden. In ihrer Not übergab die eingeschüchterte Frau Mariana M. weitere 660‘000 Euro im Glauben, dass sie das Geld nach der «Reinigung» zurückbekomme. So jedenfalls hatte es Mariana M. ihr versprochen. Später erhielt sie den Anruf einer Komplizin der Schamanin. Mariana M. habe sich beim Reinigungsritual überanstrengt und sei deshalb in ein Koma gefallen, weshalb sie das Geld momentan nicht zurückgeben könne.
Nun dämmerte dem Opfer, dass es einer Betrügerin auf den Leim gekrochen war und machte bei der Polizei eine Anzeige. Diese erstellte ein Phantombild und machte einen Aufruf. Es meldeten sich 130 weitere Opfer, von denen manche die Schamanin identifizieren konnten. In einer gross angelegten Aktion führte die Polizei Anfang Februar eine Razzia in «Amelas» Villa im kleinen Ort Maria Enzersdorf in Niederösterreich durch. Die Beamten der Elite-Einheit Cobra fanden in einem geheimen Raum einen Tresor mit dem Bargeld, dem Schmuck, den Wertgegenständen und den Luxusuhren. Neben 25 Kilogramm Gold fanden die Fahnder 4,1 Mio. in Euro und 2,1 Mio. in Schweizer Franken. Die ersten polizeilichen Untersuchungen ergaben, dass Mariana M. und andere Mitglieder des Clans auch in der Schweiz und in Deutschland aktiv gewesen sein mussten. Offensichtlich erfolgreich.
Die Polizisten nahmen den anwesenden Sohn, eine 29-jährige Mitarbeiterin und später den Ex-Mann der Schamanin fest, der ebenfalls zum Clan gehören soll. Die Schamanin war aber nicht vor Ort. Sie ist auf der Flucht. Trotz polizeilichem Aufruf und internationaler Fahndung fehlt von ihr jede Spur.
Die Schamanin ging bei ihren «Raubzügen» gezielt vor. Sie lauerte ihren potentiellen Opfern auf Friedhöfen, in Kirchen und vor Apotheken auf. Also an Orten, wo sich Kranke oder Gläubige aufhalten, die Trost suchten. Mariana M. gaukelte ihnen vor, sie habe magische Kräfte, könne Flüche bannen und den Todvorhersagen. Ausserdem beherrsche sie Jenseitskontakte, könne heilen, Wahrsagen und Handlesen.
Der österreichische Innenminister Gerhard Karner sagte: Es handle sich bei Mariana M. um eine Frau, die ihren Opfern wahrsagerische Kräfte vorgaukle. Wörtlich: «Vorrangiges Ziel dieser organisierten kriminellen Machenschaften sind ältere, aber vor allem kranke Menschen.»
Die Polizei warnt: «Okkultbetrüger nutzen die emotionale Notlage und die Arglosigkeit ihrer Opfer gezielt und heimtückisch aus.»
Vor ihrer Karriere als Schamanin war Mariana M. beruflich ziemlich erfolglos. Sie war jahrelang arbeitslos und bezieht seit 2012 eine Invalidenrente.
Dass Mariana M. auch in der Schweiz aktiv war, zeigen nicht nur die beschlagnahmten Schweizer Franken, sondern auch ihre Verurteilung 2009 zu einer 13-monatigen teilbedingten Haft wegen Betrugs von einem hiesigen Gericht. Ausserdem brummte ihr ein Wiener Gericht 2016 eine dreijährige Haftstrafe auf. Sie gestand ihre Taten und gab sich reumütig, um kurz danach neue Opfer anzupeilen.
Der Fall von Mariana M. zeigt, wie stark das magische Denken in unserer Gesellschaft verankert ist. Die Hunderten von Opfer glaubten der angeblichen Schamanin, sie könne mit Verstorbenen Kontakt aufnehmen, in die Zukunft schauen und mit esoterischen Ritualen das Unheil abwenden. Das macht sie anfällig für Manipulationen. Das zeigt sich auch bei der Wienerin, die sogar an die irre Idee glaubte, Mariana M. müsse ihr Geld reinigen. Der Glaube an magische Kräfte kann zu Wahrnehmungsverschiebungen und Realitätsverlust führen, wie sich auch bei den grassierenden Verschwörungstheorien während der Corona-Pandemie zeigte. Mit fatalen Folgen für leichtgläubige Esoterikerinnen und Esoteriker.