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Am 29. Juli 2016 endet das unmoralische Angebot von Microsoft, mit dem sich alle Windows-7- und Windows-8-PCs kostenlos auf Windows 10 upgraden lassen. Einige hundert Millionen Benutzer haben die Prozedur bereits vollzogen, Windows 10 ist das am schnellsten adaptierte Desktop-Betriebssystem aller Zeiten. Doch in den sozialen Netzwerken dominieren die Zögerlichen, die Aluhut- und Bedenkenträger, die mit grösstenteils völlig abstrusen Argumenten gegen den «Upgrade-Zwang» Stimmung machen.
Die Diskussionen mit den Upgrade-Verweigerern erreichen nicht selten ein Niveau, das man sonst nur aus der Hardcore-Homöopathie-Szene kennt. Ganz normale Benutzer, die lediglich einen Ratschlag für das anstehende Upgrade haben möchten, werden ausgelacht oder beschimpft. Im Weltbild der Upgrade-Verweigerer ist jeder, der sein System aktualisieren möchte, ein Vollidiot, der in die von Microsoft gestellte Falle tappt.
Der eigentlich geniale Coup von Microsoft war, die neueste Version des Betriebssystems für einen grossen Personenkreis kostenlos zur Verfügung zu stellen. Jedes Gegenargument in die Richtung «Brauch ich nicht, mir reicht mein Windows [Versionsnummer], wieso soll ich denen dafür [Betrag] Franken zahlen!?» war damit eigentlich vom Tisch. Auch den Zögerlichen, die stets «mindestens das erste Service-Pack abwarten» wollen, kam man mit der vergleichsweise langen Migrationsphase sehr entgegen.
Doch nur wenige in der PR- und Marketing-Abteilung von Microsoft haben offenbar mit dem Einfallsreichtum der Stimmungsmacher gerechnet. Hinter der kostenlosen Bereitstellung von Windows 10 witterten diese sofort schäbige Hintergedanken, irgendwas zwischen Abo-Falle und New World Order musste sich Redmond da (zusammen mit der NSA oder Aliens) ausgedacht haben. Die noch etwas moderater gestimmten Kommentatoren vermuteten, dass Microsoft angesichts der Verfehlungen im Mobile-Sektor «das Wasser ja ohnehin bis zum Hals stünde» und dem Unternehmen gar nichts anderes übrig bliebe, als nun die Geschenke-Kiste aufzumachen. Es dauerte nicht lange, da schlugen die Sensoren der Gefälligkeitsschreiber an und die versammelte Tech-Presse bediente willig und suchmaschinenoptimiert die Ressentiments der verunsicherten Benutzer.
Spätestens in diesem Moment entstand das Märchen vom Spionage-System Windows 10. Angeblich – so die selbsternannten Tech-Experten – «spioniert» Windows 10 seine Benutzer aus wie kein anderes Betriebssystem zuvor. Genaues weiss man nicht, aber hey – wofür sind eigentlich all diese kleinen Schalter und Hebelchen in der Systemsteuerung? Egal.
Besonders präsent: Artikel, in denen dem Benutzer spezielle Tools empfohlen werden, die Windows 10 das «Schnüffeln» austreiben. Glücklicherweise (!) kann man sich diese Tools in den Downloadverzeichnissen (siehe Video) sofort downloaden. Puh … nochmals Schwein gehabt!
Diese Stimmungsmache nahm so abstruse Züge an, dass man seitdem ruhigen Gewissens an der Qualifikation so manches Tech-Bloggers und Journalisten für diesen Beruf zweifeln darf. Microsoft fühlte sich zwischenzeitlich sogar dazu genötigt, eigentlich sinnvolle Features wie WiFi-Sense wieder abzuschalten, weil die unabsichtlich oder absichtlich in die Welt gesetzten falschen Gerüchte über z.B. mit Fremden geteilte WLAN-Passwörter ein Level erreichten, dem schlicht und einfach nicht mehr beizukommen war. Dabei wurde völlig ausser Acht gelassen, dass die momentan existierende Alternative bzw. tägliche Praxis – also z.B. die tatsächliche Aushändigung eines WiFi-Passworts an einen Gast (privat oder im Unternehmen, im Klartext) – wesentlich bedenklicher ist.
Besonders argwöhnisch und im Nachgang clickbaitig wurden die Datenschutzbestimmungen von Microsoft unter die Lupe genommen. In diesen finden sich Absätze, in denen der Benutzer auf das Sammeln von Daten in eigenen Dokumenten, Fotos, Musikdateien oder Videos hingewiesen wird – sofern er denn Microsofts Cloud-Dienst OneDrive benutzt. Diese Einschränkung (die übrigens für jeden Cloud-Dienst gilt, also auch für iCloud, Dropbox oder Google Drive) wurde von den meisten Medien gepflegt unter den Tisch fallen gelassen, ebenso wie die nachfolgenden detaillierten Stellungnahmen von Microsoft. Stattdessen kursieren die skandalträchtigen Schnüffel-Mythen bis heute und werden immer noch gerne als Beleg für ein heimliches Ausspionieren der Benutzer angeführt.
Wieso überhaupt heimlich? Das steht da, dick und fett!
Besonders absurd wird es immer dann, wenn man Microsoft unterstellen will, dass in Windows 10 enthaltene Sicherheits-Features schlecht umgesetzt seien oder gar zu weiteren Sicherheitsrisiken führen könnten. Legendär ist die Berichterstattung zur angeblich ungefragten Übertragung des BitLocker-Keys zur Verschlüsselung der Festplatte auf die OneDrive-Server des Unternehmens. Hier verbreiten 99 Prozent der dazu geschriebenen Artikel weiterhin die Lüge, dies geschehe hinter dem Rücken des Benutzers. Der wiederum dürfte sich – sofern er sich dadurch verunsichert überhaupt noch an eine Verschlüsselung seiner Festplatte wagt – über das Dialogfeld wundern, mit der er zum Abspeichern, Ausdrucken oder der rein optionalen Übertragung zu OneDrive aufgefordert wird. Ehemalige Mac-OSX-Nutzer sind hier im Vorteil, denn Apple bietet diese iCloud-Option beim Pendant FileVault bereits seit Ewigkeiten an. Interessiert hat das bisher fast niemanden.
Diese Liste an völlig an den Haaren herbeigezogenen Spionagefunktionen und Sicherheitsfehlern liesse sich endlos weiter fortführen. Alle diese Artikel haben eines gemeinsam: Entweder sie verschweigen wissentlich den Kontext, also z.B. die Notwendigkeit einer gewissen «System-Offenheit» zur Nutzung bestimmter Features wie z.B. der Sprachassistentin Cortana. Oder sie lassen den Benutzer darüber im Unklaren, dass er über dutzende Einstellungen sehr fein justieren kann, welche Dienste er tatsächlich in Anspruch nehmen will oder nicht.
Vielleicht erklärt das, warum sich unter den Kritikern so viele befinden, die schon zuvor mit wehenden Mac-OSX- und Linux-Fahnen über Windows-Benutzer lachten. Bei Windows 10 handelt es sich um eines der transparentesten und individuell konfigurierbarsten Betriebssysteme, die es jemals aus Redmond gab. Microsoft hat hier ganz klar zur Gegenattacke geblasen und offeriert dem lernwilligen Benutzer plötzlich Einstellungen, die man bei früheren Windows-Versionen schmerzlich vermisst hat. Damit wildert Redmond im Gebiet all derer, die dem Unternehmen zuvor stets vorgeworfen hatten, ein Betriebssystem für die DAUs (Dümmster anzunehmender User) und Dummies bereitzustellen, während die (selbsternannten) Profis verächtlich die Nase rümpfen.
«If it ain’t broken, don’t fix it» mag vielleicht noch für die Resultate eurer letzten Baumarkt-Besuche gelten. Für Betriebssysteme – systemübergreifend iOS, Mac OSX, Android und Windows – gilt das schon lange nicht mehr. Ein ganz seltsamer Effekt in den zurückliegenden Monaten ist, dass die gleichen Menschen, die permanent gegen ein Upgrade auf Windows 10 wettern, sich andernorts über ein ausbleibendes Update für ihr Android-Smartphone beschweren. Oder – auch das ist eine Kuriosität – sich über jene lustig machen, die in Ermangelung eines Updates nicht schon längst auf CyanogenMod geswitcht sind.
Hinter der These «Never change a running system» steht letztendlich eine ganz seltsame Kombination aus falsch verstandenem Geiz (immerhin verursacht neue Hard- und Software Kosten), einer wirklich unerträglichen fehlenden Bereitwilligkeit zum Erlernen neuer Dinge und einer typischen «German Angst» vor (fast) allem, was mit Technik zu tun hat. Folgt man der These, würden sich in jedem Autohaus nur in Angstschweiss badende Menschen mit ihren Therapeuten tummeln, die im Rahmen einer neuen Konfrontationstherapie den in fünf Jahren anstehenden Neuwagenkauf planen.
Ja, das Upgrade eines Betriebssystems kann euch den Rechner komplett zerlegen. Ja, es kann zu Geräte-Inkompatibilitäten kommen, Treiber können fehlen, der 15-Franken-Speicherkartenleser aus dem Jahr 1999 oder die 300-Franken-Highend-Grafikkarte aus dem Jahr 2005 werden vielleicht nicht mehr richtig funktionieren.
Ich verrate euch jetzt ein Geheimnis: Das ist normal. Hardware geht kaputt, Software hat Macken. Schlimm wird es nur dann, wenn man nicht darauf vorbereitet ist und in dem Wahn lebt, dass ausgerechnet der eigene PC, der schon seit Monaten so seltsam klackende Geräusche von sich gibt, noch weitere fünf Jahre durchhalten wird.
Eine funktionierende EDV benötigt permanent Hardware- und Software-Aktualisierungen. Wer euch etwas anderes erzählt, lügt. Vielleicht habt ihr Glück gehabt und surft noch immer mit der alten Windows-XP-Gurke durchs Netz, die ihr damals günstig bei Media-Markt oder teuer im Fachhandel geschossen habt, als euch der vertrauenswürdige Verkäufer verklickerte, damit wäret ihr für die nächsten zehn Jahre bestens bedient. Aber verglichen mit dem erwähnten Auto sollte spätestens ein Blick auf die Bremsen – bzw. die Software – offenbaren, dass ihr einfach nur ein Sicherheitsrisiko für euch und alle anderen seid.
All jenen, die sich mit ihren Mac-OSX- und Linux-Systemen eine vergleichsweise (u.U. trügerische) viren- und trojanerfreie Systemumgebung geschaffen haben, sei gesagt: Niemand, der seit Jahren Windows einsetzt, wird wegen euren Spionage-Mythen über Windows 10 nun «auf die andere Seite der Macht» wechseln, keiner. Das Rennen um die Vormachtstellung auf dem Desktop ist entschieden – sowohl in den Privathaushalten als auch in Unternehmen und Behörden. Findet euch damit ab und verabschiedet euch endlich von dieser mittlerweile lächerlichen Mission, Tante Gerdas und Onkel Heinz' Rechner mit Ubuntu ausstatten zu wollen.
Jeder nun auf Windows 10 upgegradete PC erhöht die Sicherheit in einer vollvernetzten Welt, denn nur eine weitgehend homogenisierte Systemebene lässt sich vom jeweiligen Hersteller adäquat mit weiteren Sicherheitsfeatures updaten. Letztendlich hat Microsoft hier mehr oder weniger von Apple gelernt, das genau dieses Prinzip schon seit geraumer Zeit bei iOS durchzieht und neue wie alte Geräte mit der jeweils aktuellsten Version ausstatten. Anders als Apple haben Microsoft und Google (Android) mit dem Umstand zu kämpfen, dass sie ihre Software für hunderttausend verschiedene Hardware-Kombinationen anbieten müssen und dabei auf die Mitarbeit der Hersteller angewiesen sind.
Die Zukunft von Microsoft und anderen Anbietern heisst weiterhin SaaS (Software as a Service). Das bedingt, dass man zum Schutz der eigenen Dienste und zur Absicherung der Benutzer präventiv auf bereits am Horizont auftauchende Sicherheitslücken vorbereitet sein muss. Genau deshalb gibt es Windows 10, und nur deshalb wurde das System bisher kostenlos angeboten. Upgradet endlich, besser heute als morgen. Windows 10 ist ein hervorragendes, sicheres, in kürzester Zeit erlernbares Betriebssystem, das auch auf älteren Systemen überraschend stabil und performant läuft.
Gibt es dabei mögliche Risiken? Ja, sicherlich – die gibt es immer. Aber die stehen in keiner Relation zu den Vorteilen, die euch ein aktualisiertes Betriebssystem bietet.