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Die neuen AirPods Pro (2. Generation) im Praxistest

AirPods Pro (2. Generation) werden mit unterschiedlich grossen Gummi-Aufsätzen ausgeliefert.
Für kleine und grosse Ohren: Mit den Ohrstöpseln werden verschieden grosse Ohreinsätze aus Gummi mitgeliefert, damit die Gehörgänge verschlossen werden können.Bild: Apple
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Das taugen die neuen AirPods Pro von Apple wirklich

Die AirPods Pro sorgten 2019 für viel Begeisterung. Mittlerweile gibt es starke Konkurrenz. Nun hat Apple die nächste Generation lanciert. Wie gut sind sie? Unser Testbericht verrät es.
25.09.2022, 08:20
Jan Mölleken / t-online
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t-online

Kabellose Kopfhörer, die gut klingen, die man immer in der Tasche hat, deren Akku immer geladen ist und die überdies noch aktive Geräuschunterdrückung bieten – das ist das Versprechen, das Apple vor drei Jahren mit den neuen AirPods Pro machte. Das Gesamtpaket überzeugte – und traf erneut einen Nerv bei den Kundinnen und Kunden.

Heute sind AirPods und AirPods Pro trotz zahlreicher Konkurrenzprodukte die erfolgreichsten Kopfhörer der Welt. Doch die Mitbewerber haben qualitativ längst aufgeschlossen.

In Sachen Handhabung und Bedienung sind Apples Ohrstöpsel zwar noch immer der ungeschlagene Massstab. Klanglich gab es zuletzt aber durchaus ebenbürtige Mitbewerber. Die Freebuds Pro 2 von Huawei konnten im Test von T-Online in Puncto Sound und Geräuschunterdrückung etwa an den AirPod Pros vorbeiziehen.

Jetzt will Apple den Kontrapunkt setzen: Seit Freitag sind die neuen AirPods Pro (259 Franken) der zweiten Generation erhältlich. T-Online konnte sie vorab ausführlich testen.

«Same Same but different»

Auf den ersten Blick ähneln die neuen AirPods Pro deutlich ihren Vormodellen. Das Ladecase sieht fast identisch aus – nur wenn man genau hinschaut, erkennt man an der Seite einen Anschluss für optionale Trageschlaufen von Drittherstellern. Auf der Unterseite sind nun ausserdem Löcher zu sehen. Hier sitzt ein neuer Lautsprecher, der durch gut hörbare Tonsignale beim Finden hilft oder hörbares Feedback bei niedrigem Batteriestand oder erfolgreichem Koppeln abgibt.

Die Suche nach dem neuen Modell wird überdies dadurch erleichtert, dass jetzt ein U1-Chip für Apples Präzisionssuche im Case steckt.

Links das Ladecase der neuen Generation, rechts das der alten.
Links das Ladecase der neuen Generation, rechts das der alten.bild: Jan Mölleken / t-online

Abgesehen davon sind Dimension und Bedienung der erneuerten Ladehülle absolut gleich. Was man dem Case nicht ansieht: Es steckt nun mehr Energie darin. Statt bis zu 24 Stunden Laufzeit verspricht Apple nun insgesamt 30 Stunden. Ob das nun an der verbauten Batterie liegt oder doch eher am sparsamer arbeitenden H2-Chip, der jetzt in den Hörern verbaut ist, ist unklar.

Auch die Hörer selber halten nun länger: sechs Stunden statt bisher viereinhalb. Auf langen Zugreisen kann das durchaus einen Unterschied machen. Da die AirPods nach nur fünf Minuten im Ladecase wieder rund eine Stunde Hörzeit bieten, ist das aber vergleichsweise unwichtig. Überhaupt dürfte die Nutzung im Alltag eher deutlich kürzer ausfallen. Immerhin sorgt die höhere Laufzeit auch dafür, dass nach ein paar Jahren noch mehr Restlaufzeit in der Batterie steckt als bisher. Ein weiterer kleiner Unterschied: Das Case kann nun auch mit dem Ladepuck der Apple Watch geladen werden.

Die Bedienung per Drucksensor im Stiel klappt gewohnt gut – Apple hat diesmal aber noch eine weitere, oft geforderte Funktion ergänzt. Erstmals lässt sich durch eine Streichgeste auch die Lautstärke über die Hörer steuern.

Andere Hersteller machen das schon lange – doch deren Touch-Bedienung sorgt in eigentlich allen Fällen dafür, dass man diese auch versehentlich auslöst, etwa wenn man den Hörer im Ohr zurechtrückt. Apple versucht dieser Bedienfalle zu entgehen, indem eine Laustärkeänderung erst dann erfolgt, wenn man mit dem Finger über die ganze Länge des Stiels streicht. Die Geste ist etwas gewöhnungsbedürftig, klappt aber nach zwei, drei Versuchen gut. Im Gegenzug wurde die Touch-Funktion im Test kein einziges Mal versehentlich ausgelöst.

Kompakte Klangwunder: Mehr Raum, mehr Stille

Die bisher genannten Neuerungen sind durchaus willkommen, aber die echten Leistungssprünge macht Apple an anderer Stelle: bei den Audioeigenschaften. Kern der Neuerungen ist der selbstentwickelte H2-Chip. Gut eine Milliarde Transistoren sind darauf verbaut – mehr als doppelt so viele wie beim H1. Das schlägt sich vor allem beim ANC – also der aktiven Geräuschunterdrückung – und dem neuen adapativen Transparenzmodus nieder.

AirPods Pro (2. Generation) Transport- und Ladebox.
So soll das Case nicht verloren gehen. Es lässt sich aber auch über die «Wo ist?»-Funktion orten.Bild: Apple

ANC – das sei hier noch einmal kurz erklärt – funktioniert grundsätzlich so: Der Kopfhörer erkennt bestimmte Formen von Umgebungsgeräuschen und blendet das gleiche Geräusch in sein Audiosignal ein – aber mit um 180 Grad verschobener Phase. Was heisst das? Stellt man sich den Lärm wie im Diagramm als zweidimensionale Wellen vor, die auf und ab laufen, dann ist das ANC-Signal die gleiche Wellenform – aber so verschoben, dass sie immer genau gegenläufig verlauft. Wenn die eine Welle nach oben verläuft, verläuft die andere nach unten. Das sorgt dafür, dass sich die beiden Signale gegenseitig auslöschen. Im Idealfall ist das Geräusch anschliessend nicht mehr hörbar.

Auch die neuen Hörer (links) sehen sich sehr ähnlich, weisen aber Änderungen im Vergleich zu den Vorgängern (rechts) auf.
Auch die neuen Hörer (links) sehen sich sehr ähnlich, weisen aber Änderungen im Vergleich zu den Vorgängern (rechts) auf.bild: t-online

Das ist aus vielerlei Gründen ziemlich komplex. Für gleichbleibenden Lärm – etwa das Brummen von Flugzeugtriebwerken – klappt das Unterdrücken recht gut. Je komplexer der Lärm ist, desto schwieriger aus auch die Auslöschung, da hier das Signal sehr schnell und dynamisch angepasst werden muss. Hier hilft der neue H2-Chip. Dank der deutlich gesteigerten Leistung klappt die Geräuschunterdrückung diesmal deutlich besser als noch bei den Vorgängern.

Apple spricht von einer verdoppelten Leistung. Das können wir nicht messen – doch der Unterschied ist eklatant. In typischen Situationen, also im Büro, an einer befahrene Strasse, im Café oder im Zug, sorgen die neuen Hörer für hörbar mehr Ruhe. Hier sind auch Konkurrenzmodelle wie Huaweis Freebuds Pro 2 abgeschlagen.

Authentische Umgebungsgeräusche

Fast noch faszinierender ist allerdings der neue adaptive Transparenzmodus. Dieser nimmt die Aussengeräusche auf und gibt diese möglichst unverfälscht wieder. Das ist etwa sinnvoll, wenn man die Hörer im Ohr hat und dennoch ein Gespräch führen möchte – oder etwa um sicher auf dem Fahrrad Musik hören zu können.

Die Funktion ist schon seit Jahren eine typische Funktion von ANC-Kopfhörern – Apple hebt sie allerdings auf ein neues Level. Die Wiedergabe der Umwelt ist so authentisch, dass man glatt vergisst, dass man Kopfhörer im Ohr hat. Der Klang ist täuschend echt. Auch klappt die Ortung der Geräusche mühelos und präzise. Schon bei Apples erstem AirPods-Pro-Modell war dieser Modus sehr gut umgesetzt – bei den neuen ist die Qualität noch einen Tick besser.

Im Zusammenspiel mit der deutlich längeren Laufzeit erlaubt das ganz neue Nutzungsszenarien. Es gibt keinen Grund, die Hörer aus den Ohren zu nehmen. So kann man einserseits uneingeschränkt seine Umwelt wahrnehmen, gleichzeitig aber jederzeit Telefonate führen oder eintreffende Nachrichten vorgelesen bekommen.

AirPods Pro (2. Generation) im September 2022 lanciert.
Die AirPods Pro bieten im Vergleich zur ersten Generation zusätzliche 1,5 Stunden Wiedergabezeit, für insgesamt «bis zu sechs Stunden mit Aktiver Geräuschunterdrückung», wie der Hersteller verspricht.Bild: Apple

Doch es gibt noch eine weitere Besonderheit: Der neue adaptive Transparenzmodus erkennt unangenehme, laute Geräusche und senkt deren Lautstärke gezielt ab. Die Sirene eines vorbeifahrenden Krankenwagens oder der Presslufthammer einer Baustelle können so gezielt angenehmer fürs Ohr gemacht werden.

Das klappt zuverlässig. Ob Apple sich dabei auf bestimmte Geräuschtypen beschränkt oder alles absenkt, was deutlich lauter ist als die Umgebung, liess sich im Test nicht sicher feststellen.

Das soll sie neuen AirPods Pro auch ideal für sehr laute Konzerte machen, weil sie im Transparenzmodus einerseits den Geräuschpegel auf ein erträgliches Mass absenken, gleichzeitig aber einen guten Klang aufrechterhalten, während typische Ohrstöpsel alles dumpf klingen liessen. Ob und bis zu welcher Lautstärke das funktioniert, müssen wir in Ermangelung eines passenden Konzerts im Testzeitraum nachreichen.

Guter Soundmix mit hörbar mehr Bass

Insgesamt ist der Sound im Vergleich zu den Vorgängern besser. Hier zielt Apple nicht auf eine möglichst neutrale Soundwiedergabe sondern auf ein Klangprofil, das Pop, Rock, Hip-Hop und elektronischer Musik entgegen kommt. So klingt der Bass deutlich kräftiger, gleichzeitig sind die Höhen durchsetzungsstärker, ohne unangenehm zu wirken. Apples adaptiver Equalizer sorgt hier zudem für eine dynamische Anpassung.

Insgesamt klingt das oft, als würde Apple das Audiosignal durch einen mehrstufigen Kompressor schicken. Statt luftig-dezenter Nuancen gibt es eher satt-knackigen, präsenten Klang – was den allermeisten Hören wohl entgegenkommen dürfte, vielleicht aber nicht nach dem Geschmack von Hifi-Fans ist.

Die AirPods Pro bieten nur im Zusammenspiel mit Apple-Geräten den grössten Bedienkomfort.
Die AirPods Pro bieten nur im Zusammenspiel mit Apple-Geräten den grössten Bedienkomfort.bild: apple

Beeindruckend gut funktioniert zudem der neue personalisierte Raum-Audio-Effekt. Hier passt Apple seine 3D-Klangeffekte an die individuellen Besonderheiten der Ohren des Nutzers an. Zur Einrichtung muss man Gesicht und Ohren mit seiner TrueDepth-Kamera vermessen. Der anschliessende Unterschied ist krass: Waren die räumlichen Geräusche vor der Anpassung grob aus einer Richtung verortbar, meint man einzelne Klänge danach aus einer exakten Position im Raum zu vernehmen.

Bewegt man den Kopf, bleiben die Geräusche exakt an ihrer Position im Raum. Erst wenn man sich sehr weit weg dreht, wird der Effekt etwas ungenau. Apple bringt die Raumeffekte an verschiedenen Stellen im System unter – etwa beim Film anschauen (der Sound scheint dann direkt vom Bildschirm zu kommen) oder auch bei einem Gruppen-Videocall mit Facetime, wo es dann klingt, als kämen die Stimmen tatsächlich genau aus der Richtung der einzelnen Videokacheln.

Fazit: Ein Paukenschlag

Die neuen AirPods Pro sind kein leises Update sondern ein Paukenschlag, hier hat Apple wirklich ganze Arbeit geleistet. In fast jeder Hinsicht wurden die kabellosen Hörer verbessert – und setzen teilweise Massstäbe.

Bleibt die Preisfrage: 259 Franke, bzw. 299 Euro, sind viel Geld. Wer so viel nicht ausgeben kann oder will und dennoch kabellose Kopfhörer mit gutem Klang und Geräuschunterdrückung sucht, findet bei der Konkurrenz durchaus gute Geräte zu tieferen Preisen – wie etwa auch die Huawei Freebuds Pro 2. Für Android-Nutzer können das durchaus Alternativen sein, auch gibt es für Preise um die 300 Franken kabellose In-Ear-Kopfhörer, die klanglich noch feiner auflösen.

Für iPhone-Nutzer bedeutet das jedoch deutliche Abstriche. Denn kein anderer Hersteller kommt im Bedienkomfort an das Vorbild von Apple heran – und zumindest der adaptive Transparenzmodus und der tolle 3D-Sound sind in diesem Segment ebenfalls Apple-exklusiv.

Mit der zweiten Generation der AirPods Pro hat Apple sich im Gesamtpaket aus Klang, Leistung, Funktionen und Bedienkomfort den Spitzentitel unter den komplett kabellosen Kopfhörern zurückgeholt: Im Zusammenspiel mit dem iPhone gibt es derzeit keine besseren Alltagsbegleiter.

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