* Apple stellt dem watson-Redaktor ein iPhone 8 Plus (mit 256 GB Speicher) als Leihgabe zur Verfügung.
Man muss es den Journalisten und Bloggern nachsehen: Wer sich tagein, tagaus mit Smartphones beschäftigt, lechzt nach frischem Design und revolutionärer Technik. Da waren die Reaktionen aufs iPhone 8 Plus vorhersehbar.
Der Zufall wollte es, dass ich während dem Testen den Schweizer Reggae-Sänger Dodo wiederentdeckte. Sein Song «Brütigam» passt zum neuen XL-Smartphone von Apple und hat mich beim Schreiben dieses Reviews begleitet.
Ja natürlich, auch andere Mütter haben attraktive Töchter, wie zuletzt Google mit dem Pixel 2 zeigte. Aber es ist ausgerechnet die kleinere Schwester, die der Braut die Schau stiehlt.
Als ich nach der Keynote das iPhone X («Ten») ausprobierte, war ich hin und weg. Apples Design-Guru Jony Ive und seinem Team gelingt es, die richtigen Knöpfe zu drücken, um den Muss-ich-haben-Reflex auszulösen. (Ironie der Geschichte: Dies tun sie, indem sie beim iPhone den wichtigsten Knopf killen und ein AMOLED-Display von Rivale Samsung verbauen).
Noch lässt die junge Wilde auf sich warten*, was Interessenten die Gelegenheit gibt, zu reflektieren, ob sie wirklich 1200 Franken (oder mehr) für ein neues Handy ausgeben sollen.
Und ich kann nach mehreren Wochen mit der grossen Schwester festhalten, dass ihr die Schlagzeilen nicht gerecht werden.
Für wen sich ein Flirt oder gar eine langfristige Beziehung lohnt, versuche ich im Folgenden vermitteln.
* Der Vorverkauf für das iPhone X startet am Freitag, 27. Oktober.
Vorbemerkung: Es geht im Folgenden ausschliesslich ums iPhone 8 Plus, weil ich nur dieses Gerät getestet habe. Dem kleineren iPhone 8 fehlt (unter anderem) die Dual-Kamera. Neben dem stärkeren Akku ist die Kameraleistung aus meiner Sicht ein Killerfeature, das viele User anspricht.
Das iPhone 8 Plus steht im Schatten des iPhone X, aber verstecken muss es sich nicht. Es besitzt den gleichen ultraschnellen Prozessor (A11 Bionic) und ist damit bestens für neue Herausforderungen wie Augmented Reality (AR) gerüstet.
Was das als «langweilig» kritisierte Aussehen betrifft, sei an die bewährte Produkte-Design-Maxime «Form follows function» erinnert. Im Handy-Alltag zählen für mich die inneren Werte (dazu gleich mehr).
Das iPhone 8 Plus könnte der letzte Vertreter des ikonischen Designs sein, das Apple 2014 mit dem iPhone 6 lancierte und das in der Folge von vielen Herstellern nachgeahmt wurde.
Der Rücken, der neu aus gehärtetem Glas statt Aluminium-Unibody gesteht, fühlt sich gut an und ist weniger rutschig. Aber bruchsicher ist er (wie das Display) leider nicht. Darum braucht es eine Schutzhülle oder gute Versicherung ...
* Mit seinem Umfang (siehe Spezifikationen) eignet sich das XL-iPhone nur beschränkt für kleine Hände. 🤗
Wichtig: Das 8 Plus ist kein Leichtgewicht. Mit 202 Gramm wiegt es deutlich mehr als das iPhone X (174 g) und andere Android-Flaggschiffe, und ist noch schwerer als das mit grösserem Display und Akku bestückte Galaxy Note 8 (195 g).
(die grössten Konkurrenten liste ich weiter unten auf)
Wo ich ungern Kompromisse eingehe, ist bei der Software und der Sicherheit, respektive dem Datenschutz. Abgesehen von einem leistungsfähigen Akku ist die Kameraleistung zentral.
Apple schnürt mit eigener Hardware und massgeschneiderter Software ein benutzerfreundliches Gesamtpaket, das kein Hersteller übertrifft. Dafür bezahlt man einen saftigen Aufschlag und begibt sich in die bequeme Sicherheit eines «Walled Garden», in dem die Hausregeln und Preise diktiert werden.
Apropos Benutzerfreundlichkeit: Wenn man ein älteres iPhone (mit iOS 11) vorliegen hat, kann man das neue per Knopfdruck automatisch konfigurieren. Einfacher geht nicht.
iOS 11 ist auf dem iPhone 8 Plus ein Genuss. Nichts ruckelt, alles geht blitzschnell vonstatten. Das Neustarten erfolgt in Rekordtempo (was sich nicht nur bei Problemen empfiehlt).
Ok, das neue iPhone-System ist relativ holprig gestartet, Apple hat bereits drei Updates nachgeschoben, um Fehler zu beseitigen. Doch noch immer gibt's gewisse Schwierigkeiten ...
Gut zu wissen: Der Flugmodus funktioniert nun auch wieder wie gewohnt: Unter iOS 11.0.2 und neuer werden Bluetooth- und WLAN-Verbindungen wieder komplett ausgeschaltet.
Augmented Reality: Noch ist das Angebot an AR-Apps bescheiden. Doch zeigen erste Anwendungen das Potenzial, das in der Kombination von realen und künstlichen Objekten liegt. Prognose: In diesem Bereich wird noch sehr viel passieren.
Die «IKEA Place»-App, die es mittlerweile auch im Schweizer App Store gibt, ermöglicht das Platzieren von Produkten in den eigenen vier Wänden (oder wo auch immer). Wobei man(n) bei grösseren Anschaffungen wohl trotzdem nicht um das Ausprobieren in einem Möbelhaus herumkommt...
Die Sternengucker-App Sky Guide AR (3 Fr.) lässt einen bei Tag und Nach den Himmel in drei Dimensionen erkunden.
Obwohl ich selten auf dem iPhone spiele, hat mich die AR-Version des Shooters «Zombie Gunship Revenant AR» so richtig gefesselt. Man sitzt im Kampfhelikopter und versucht, eine wachsende Armee von Untoten abzuwehren.
Das erste iPhone konnte nicht mal Videos aufzeichnen. Nun filmt das iPhone 8 Plus als erstes Smartphone auch in höchstauflösendem Ultra-HD mit 60 Frames pro Sekunde (FPS).
4K-Videos sind das Eine, kinderleichtes Fotografieren das Andere. Schnappschüsse gelingen dank innovativer Technik auch unter schwierigen Umständen (Licht, Bewegung etc.).
Mit dem iPhone 7 Plus lancierte Apple letzten Herbst seine erste Dual-Kamera mit zwei unabhängigen Kamera-Sensoren: Eine Weitwinkel-Linse und eine mit optischem zweifachen Zoom, die es ermöglicht, Objekte näher heranzuholen, ohne Bildqualität zu verlieren. Und zwar in diesen Kamera-App-Modi:
Der Porträt-Modus erzeugt den von Spiegelreflexkameras bekannten Tiefenunschärfe-Effekt («Bokeh»), neu hinzu gekommen ist nun Porträtlicht. Das sind noch im Beta-Stadium befindliche Studio-Beleuchtungs-Effekte, die exklusiv auf dem iPhone 8 Plus (und dem iPhone X) zur Verfügung stehen.
Natürlich handelt es sich bei den Aufnahmen oben um eine Best-of-Auswahl einer PR-Aktion. Doch auch bei meinen eigenen ersten Versuchen klappte das Porträtieren auf Anhieb.
Bei einigen Sujets funktioniert der Porträt-Modus nicht perfekt, die von der Software errechneten Tiefenunschärfe- und Beleuchtungseffekte weisen Ungenauigkeiten auf. Sie treten in der Regel dann auf, wenn der Übergang zwischen im Vordergrund fokussiertem Objekt und Hintergrund «verschwimmt».
Bleibt anzumerken, dass die Apple-Ingenieure die Kamera- und Bildverarbeitungs-Software in den kommenden Wochen und Monaten weiter verbessern werden.
HDR: Das Kürzel steht für High Dynamic Range (hoher Dynamikumfang) und bringt beim Fotografieren von statischen Motiven grosse Vorteile. Die iPhone-Kamera schiesst automatisch drei Aufnahmen mit unterschiedlicher Belichtung, die iOS zu einem sehr gleichmässig ausgeleuchteten Bild kombiniert.
Live-Photos: Speziell zu erwähnen gilt es auch die 2015 lancierten Live-Photos, die mit iOS 11 noch praktischer werden. Mittlerweile ist auch Android-Entwickler Google auf den Zug mit den animierten Bildern («Motion Photos») aufgesprungen.
Live-Photos sollte man unbedingt in der Einstellungen-App (> Kamera >) aktivieren, weil man dann jeweils einen besseren Schnappschuss auswählen kann. Dies hilft, wenn bei einem Gruppenbild einzelne Augenpaare geschlossen sind.
Am LCD-Bildschirm lässt sich nichts aussetzen, abgesehen von der relativ schlechten Lesbarkeit bei Sonneneinstrahlung.
True Tone: Bei stundenlanger Nutzung leistet die augenschonende Technik, die Apple 2016 mit dem iPad Pro lanciert hat, nun auch auf dem iPhone 8 Plus wertvolle Dienste.
Ein Sensor erfasst die Lichtverhältnisse und passt den Weissabgleich des Displays automatisch an, so dass die dargestellten Farben immer realitätsnah wirken. So müssen sich die Augen beim Blick auf den Bildschirm nicht extra vom Umgebungslicht umgewöhnen. Im Alltag funktioniert das so gut, dass man es kaum bemerkt, aber nicht mehr missen möchte.
3D Touch ist weiterhin an Bord, respektive ins Display integriert. Durch kräftiges Drücken kann man verschiedene Zusatzfunktionen aufrufen, analog zu Kontextmenüs. Mein liebstes 3D-Touch-Feature ist es, die virtuelle Tastatur als Trackpad zu nutzen, um den Text-Cursor punktgenau zu dirigieren.
Apples A11-Bionic-Prozessor, eine Eigenentwicklung, macht das iPhone 8 Plus zum schnellsten Smartphone der Welt. Die Rechen-Power ist grösser als bei manchen Laptops.
Um die Batterie zu schonen, arbeitet der Prozessor im Schongang und fährt nur alle sechs Kerne hoch, wenn es Sinn macht, etwa bei Augmented-Reality-Anwendungen. Und da kommt auch der beachtlich breite, für ein LCD-Display sehr helle Bildschirm zum Tragen. Ohne True Tone messen Spezialisten einen Helligkeitswert von 625 Nits, mit True Tone sind es 530 Nits.
Induktives Aufladen: Bietet die Android-Konkurrenz längst, ist aber aus meiner Sicht das am meisten überschätzte Feature. Ob ich mein Gerät zuhause direkt über ein Ladekabel an die Steckdose anschliesse, oder sorgfältig auf ein Ladekissen lege, das an ein Ladekabel angeschlossen ist, spielt mir keine Rolle.
Induktives Aufladen wird erst richtig praktisch (und für die Nutzer tatsächlich «kabellos»), wenn es an vielen öffentlichen Orten, in Cafés etc. entsprechende Ladestationen gibt. Weil nun auch Apple den branchenweiten Qi-Standard unterstützt, wird die Technik hoffentlich vielerorts Einzug halten.
Schnell laden: Sehr praktisch finde ich die Möglichkeit, das Gerät schneller als bislang üblich aufzuladen. Anstelle des im Lieferumfang enthaltenen 5W-Adapters kann man einen USB-C-Adapter mit 29 Watt Leistung und ein dazu passendes Ladekabel verwenden. Damit lädt der Akku in 10 Minuten um die 20 Prozent, nach 30 Minuten ist er bereits mehr als halb voll.
Anmerkung: Auch ältere iPhones laden so schneller.
Diese Support-Seite erklärt das Wichtigste. Unerfreulich ist, dass Apple für das praktische Schnell-Laden extra zur Kasse bittet. Das USB-C-auf-Lightning-Kabel kostet 29 Franken, der passende Power-Adapter (29W USB‑C) 59 Franken.
Mein persönliches Fazit: Das iPhone 8 Plus ist zurzeit das beste Smartphone auf dem Markt. Das wird sich am 3. November ändern, wenn das iPhone X in den Handel kommt.
Das iPhone 8 Plus kostet mit 64 GB Speicher 960 Franken, mit 256 GB Speicher 1150 Franken.
Ärgerlich ist, dass Apple nur zwei Speicherplatz-Varianten anbietet und bewusst auf eine 128-GB-Variante verzichtet. Wer höchstauflösende 4K-Videos drehen will, muss wohl oder übel die teurere Variante wählen, sonst wird's eng.
Ob man das neue XL–iPhone kauft, hängt nicht zuletzt davon ab, was die anderen Modelle kosten. Und da scheint mir, dass die Kalifornier den Bogen überspannt haben.
Zum Vergleich:
Aktueller Ratschlag: Wer ein neues iPhone sucht, sollte mit dem Kauf bis mindestens Ende November warten. Dann dürfte klar sein, ob das iPhone X Kinderkrankheiten aufweist, wie es bei neuen Hardware-Generationen manchmal vorkommt.
Das iPhone gilt als einziges Smartphone ohne grossen Preisverfall. Apple hat bis anhin bis zum Erscheinen der nächsten Generation praktisch nie eine Preisreduzierung gegeben. Wobei sich diese Woche die Gerüchte häuften, wonach die Nachfrage nach dem iPhone 8 und 8 Plus gering sei. Sollte dies stimmen, gibt's vielleicht doch vor Weihnachten einen Preisnachlass ...
Um Speicherplatz zu sparen, kann man Videos und anderes in die iCloud auslagern und sicher in Apple-Rechenzentren speichern. Die Anbindung funktioniert perfekt und ist auch durch Laien schnell einzurichten. Wer sich für iCloud registriert, erhält die ersten 5 Gigabyte (GB) ohne Aufpreis. Darüber hinaus bietet Apple folgende monatliche «Speicherpläne» an:
Wer angesichts des hohen Kaufpreises das iPhone 8 Plus vergünstigt über den Provider beziehen möchte, sollte die Angebote gut prüfen und die versteckten Kosten berücksichtigen.
Erfreulicherweise ist der Konkurrenzkampf bei den Premium-Smartphones in diesem Jahr grösser denn je. Bleibt zu hoffen, dass dies die Preise in die richtige Richtung lenkt ...
Samsung liegt beim Galaxy Note 8 mit dem Super-AMOLED-Display vorn. Und Google stellt mit dem Pixel 2 unter Beweis, dass es nicht zwingend eine Dual-Kamera braucht, um aus Schnappschüssen geniale Aufnahmen zu generieren.
(ungefähr im gleichen Preis-Segment)
Wen habe ich vergessen? Schreib deinen Smartphone-Favoriten mit kurzer Begründung ins Kommentarfeld!
Der vorliegende Review kann das iPhone 8 Plus natürlich nicht erschöpfend vorstellen. Hier sind weitere Testberichte, die andere Aspekte spannend und ausführlich behandeln:
Wer sich für die Hintergründe zur Kamera-Evolution interessiert: «Apple and the future of photography in Depth: iPhone 8 Plus», lautet der Titel eines lesenswerten Beitrags des Techblogs Apple Insider.
DxOMark tut es wieder und wieder, und die Medien berichten reflexartig über die Handy-Kamera-Ratings. Zuerst erhielt das Galaxy S8 die beste Bewertung, später das iPhone 8 Plus, aktuell das Google Pixel 2. Hier halte ich es mit der kritisch-ablehnenden Einschätzung von Android Police und Daring Fireball. Die punktgenauen Gesamtbewertungen täuschen eine wissenschaftliche Präzision vor, die es so nicht gibt. Die Gesamtbeurteilung der Kameraleistung bleibt letztlich etwas Subjektives.
Wer sich für Details interessiert: Der bekannte Gadget-Tester und YouTuber Marques Brownlee erklärt im Video, was von den Testresultaten zum Pixel 2 und iPhone 8 Plus zu halten ist.