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Mit diesem Roaming-Trick kassieren Schweizer Telekomfirmen 120 Millionen

ARCHIV: Eine deutsche Urlauberin telefoniert auf Mallorca am Strand von Platja (Playa) de Palma mit einem Handy (Foto vom 15.06.09). Die EU will mehr Wettbewerb im europaeischen Roaming-Markt. Dazu le ...
In den Ferien mit dem Handy zu telefonieren, kann nach wie vor in einer teuren Überraschung enden. Bild: AP dapd

Mit diesem Roaming-Trick kassieren Schweizer Telekomfirmen 120 Millionen

Unter dem Strich verdienten die Telekomanbieter 2016 immer noch über eine halbe Milliarde Franken mit Roaming im engeren Sinn. Sie wehren sich vehement dagegen, dass diese Einnahmequelle nun versiegen soll.
05.02.2018, 04:5305.02.2018, 16:19
Lorenz Honegger / Nordwestschweiz
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Roaming-Gebühren? Ein alter Zopf, sagen die drei grossen Schweizer Mobilfunkfirmen: «Heute gibts Datenpakete für den Preis einer Tasse Kaffee», frohlockt die Sunrise-Pressestelle auf Anfrage. Die Swisscom zeigt sich überzeugt, dass Roaming für viele Kunden «heute kein Thema mehr» sei. Und Salt stellt fest: «Der Wettbewerb spielt sehr gut, und die Preise wurden und werden immer günstiger.»

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Tatsächlich nehmen die Schweizer Telekomanbieter heute weniger Geld ein, wenn ihre Kunden im Ausland telefonieren, im Internet surfen oder SMS verschicken (siehe Grafik). Das hängt mit dem politischen Druck der letzten Jahre zusammen, der die Anbieter zum Senken der Roaming-Tarife zwang. Aber auch damit, dass die Firmen die immer beliebter werdenden Bündel-Abos mit inbegriffenen Ausland-Datenpaketen nicht mit den Roaming-Einnahmen verbuchen.

Im Fahrwasser der Europapolitik

Unter dem Strich verdienten die Telekomanbieter 2016 immer noch über eine halbe Milliarde Franken mit Roaming im engeren Sinn. Sie wehren sich vehement dagegen, dass diese Einnahmequelle nun versiegen soll. Im Ausland ist dies bereits Realität. Die EU hat diesen Sommer Nägel mit Köpfen gemacht und das Roaming verboten.

Elisabeth Schneider-Schneiter, NR/CVP, waehrend der Pressekonferenz zum "Gegenentwurf RASA-Initiative", am Montag 25. April 2016 in Bern. Das Forum Aussenpolitik (foraus) schlaegt vor, den Z ...
Elisabeth Schneider-Schneiter, Nationalrätin (CVP/BL)Bild: KEYSTONE

Heute in einer Woche diskutiert die Fernmeldekommission des Nationalrates über eine parlamentarische Initiative der Baselbieter CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter, welche das gleiche Ziel verfolgt: Der Bundesrat soll die maximale Marge beschränken können, die etwa die Swisscom ihren Kunden bei der Benutzung eines ausländischen Netzes in Rechnung stellt. «Nachdem die EU konsequent war und die Roaming-Gebühren abgeschafft hat, sollten wir versuchen, das gleiche Level zu erreichen», sagt Schneider-Schneiter. Klingt simpel, ist aber in der politischen Umsetzung kompliziert.

In ihrem Vorstoss verlangt Schneider-Schneiter nämlich auch, dass sich die schweizerischen und die europäischen Anbieter gegenseitig nur die effektiven Kosten verrechnen sollen. Genau hier liegt der Haken. Der Bundesrat kann den Mobilfunkanbietern aus dem EU-Raum nicht vorschreiben, wie viel diese von den Schweizer Kollegen für die Benutzung ihrer Netze verlangen. Dazu bräuchte es ein neues bilaterales Abkommen zwischen Bern und Brüssel.

Wann kommen tiefere Preise?

Einen solchen Roaming-Vertrag will die EU nur eingehen, wenn die Schweiz ihrerseits bereit ist, einen institutionellen Rahmenvertrag abzuschliessen. Und dieser ist aufgrund des Widerstands von Christoph Blochers SVP höchst umstritten. Die Schweizer Handykunden geraten damit unfreiwillig ins Fahrwasser der Europapolitik. So unterstützt die Zürcher SVP-Nationalrätin Natalie Rickli Ratskollegin Schneider-Schneiter zwar in ihrem Bestreben, die Roaming-Kosten für die Konsumenten zu senken. Aber: «Ein Vertrag mit der EU in diesem Bereich ist unrealistisch.»

Der Bundesrat möchte es zumindest versuchen und sich im neuen Fernmeldegesetz die Kompetenz geben lassen, internationale Vereinbarungen – etwa mit der EU – zur Eindämmung der Roaming-Tarife einzugehen. Ziel ist es, die Preise zu beschränken, welche sich die europäischen und Schweizer Anbieter gegenseitig verrechnen. Swisscom, Salt und Sunrise würden in der Folge verpflichtet, die tieferen Preise an die Konsumenten weiterzugeben.

Aufrunden wird verboten

Gleichzeitig versucht die Landesregierung, mit punktuellen Massnahmen den Druck auf die Roaming-Tarife zu vergrössern. So will sie den Telekomfirmen vorschreiben, Ausland-Telefonate in Zukunft sekundengenau abzurechnen. Derzeit runden die Anbieter jeweils auf die nächste volle Minute auf. Das kostete die Konsumenten alleine im Jahr 2015 zusätzliche 120 Millionen Franken. Den gleichen Trick verwenden die Firmen bei der Abrechnung des Datenverbrauchs.

Kunden sollen nach dem Willen des Bundesrates auch die Möglichkeit erhalten, im Ausland Roaming-Dienstleistungen von lokalen Drittanbietern in Anspruch zu nehmen. Das soll den Wettbewerb beleben. Gleichzeitig will er die Anbieter verpflichten können, vermehrt Abos mit inbegriffenen Datenpaketen zu verkraftbaren Preisen anzubieten.

Insbesondere die staatlich kontrollierte Swisscom wehrt sich gegen die Offensive: «Eine Regulierung der Roamingpreise erachten wir als unnötig.» Bereits in seiner Vernehmlassungsstellungnahme warnte der Konzern: «Auch wenn der Anteil des Roamings am Gesamtumsatz bescheiden ist, trägt es einen beachtlichen Anteil an den Unternehmensgewinn bei.» Das Roaming soll bleiben, und das um jeden Preis. 

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37 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Rectangular Circle
05.02.2018 06:02registriert Dezember 2017
Auslandpackete für Roaming sind immernoch sehr teuer.

Für eine Tasse Kaffee? Ja, vielleicht, wenn man zwei Minuten surfen will.
1935
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Ökonometriker
05.02.2018 06:24registriert Januar 2017
Das institutionelle Rahmenabkommen scheint wohl eher am institutionellen Rahmen der EU zu scheitern als an der SVP mit ihren 30% Wählern.
Das Problem liesse sich unilateral lösen: die Schweiz könnte ihren Anbietern verbieten, innerhalb von Europa Roaminggebühren zu verlangen. Die Anbieter der Schweiz müssten dann nur einen einzigen Anbieter aus der EU finden, über welchen sie das europaweite Roaming routen (und ihm im Gegenzug auch gratis Roaming in der CH ermöglichen). Die anderen Anbietern aus Europa müssten in der CH weiterhin teure Gebühren bezahlen - bis eben ein Vertrag zu Stande kommt.
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azoui
05.02.2018 07:38registriert Oktober 2015
"Für eine Tasse Kaffee" ein schönes Wortspiel, wenn man die Preise fr eine Tasse Kaffee in der CH, mit einer Tasse Kaffee z.B. in D oder F vergleicht.
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