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Warum das vernichtende Urteil gegen Apple gut für iPhone-User ist

Apple CEO Tim Cook arrives before the 60th Presidential Inauguration in the Rotunda of the U.S. Capitol in Washington, Monday, Jan. 20, 2025. (Kevin Lamarque/Pool Photo via AP)
Eine US-Richterin knöpft sich Apple-Boss Tim Cook vor.Bild: keystone

Eine genervte Richterin sprengt Apples Kontrolle über den App Store – es kommt knüppeldick

Apple verliert seinen vielleicht wichtigsten Gerichtsprozess. Die Richterin wirft einem Top-Manager gar Falschaussagen unter Eid vor. Freuen können sich hingegen iPhone-User.
02.05.2025, 13:2302.05.2025, 15:41
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Das juristische Tauziehen zwischen Apple und Epic Games nimmt eine überraschende Wendung. Es geht um zig Milliarden und für Apple ist das Urteil eine vernichtende Niederlage. Die Urteilsbegründung (PDF) von US-Richterin Yvonne Gonzalez Rogers liest sich teils wie ein Wutbrief. Sie führt auf 80 Seiten aus, wie Apple wiederholt die schlechteste Option für App-Entwickler wählte und damit ihre Unterlassungsverfügung gegen wettbewerbswidriges Verhalten unterlief.

Was ist passiert?

Apple darf in den USA keine Gebühren mehr auf Käufe erheben, die Kunden ausserhalb des App Stores abschliessen.

Apple sieht sich zudem mit einer möglichen strafrechtlichen Untersuchung wegen Missachtung des Gerichts konfrontiert. Dies, nachdem die Richterin festgestellt hat, dass Apple gegen eine frühere Gerichtsanordnung verstossen habe, seinen lukrativen App Store für mehr Wettbewerb zu öffnen – und zudem das Gericht getäuscht habe.

Die Richterin sieht darüber hinaus Anzeichen für Meineid durch Apple-Führungskräfte. Die Staatsanwaltschaft ist eingeschaltet.

Was hat die Richterin entschieden?

Bundesrichterin Gonzalez Rogers entschied, dass Apple per sofort keine Gebühren mehr auf In-App-Käufe erheben darf, die Kunden ausserhalb des App Stores tätigen. Apple will auch bei Käufen im Web und App-Stores anderer Anbieter mit Abgaben in Höhe von 12 bis 27 Prozent mitverdienen. Im eigenen App Store sackt Apple Provisionen bis zu 30 Prozent ein.

Zudem wird es dem iPhone-Konzern untersagt, App-Entwicklern Vorschriften für Hinweise auf das Bezahlen ausserhalb seines App Stores zu machen. Unter anderem darf Apple anderen App-Anbietern Links in ihren Apps zu externen Bezahlmöglichkeiten nicht mehr verbieten. Der US-Konzern darf Kunden auch nicht mehr mit einschüchternden Warnhinweisen davon abhalten, In-App-Käufe oder Streaming-Abos extern und allenfalls günstiger zu erwerben.

Wie begründet die Richterin das Urteil gegen Apple?

Die Richterin erhebt schwere Vorwürfe: Apple habe sein «wettbewerbswidriges Verhalten» fortgesetzt, «um seinen milliardenschweren Einkommensstrom aufrechtzuerhalten», schreibt Gonzalez Rogers. So habe Apple «sich vorsätzlich entschieden, einer Unterlassungsanordnung des Gerichts nicht nachzukommen». Denn bereits 2001 verfügte das Gericht, dass Apple alternative Kaufmöglichkeiten zulassen muss. Apple reagierte, indem es In-App-Käufe ausserhalb des App Stores, etwa im Web, ebenfalls mit horrenden Abgaben belegte.

«Die fortgesetzten Versuche von Apple, den Wettbewerb zu beeinträchtigen, werden nicht toleriert.»
Richterin Yvonne Gonzalez Rogers

Die Richterin merkte an, dass App-Store-Chef Phil Schiller innerhalb von Apple dafür plädierte, dass sich das Unternehmen an die einstweilige Verfügung des Gerichts halte, aber dass CEO Tim Cook «eine schlechte Wahl» traf, indem er Schiller ignorierte und sich von Finanzchef Luca Maestri «vom Gegenteil überzeugen liess».

Dass Apple glaube, das Gericht würde ein solches Verhalten tolerieren, sei «eine grobe Fehleinschätzung», so die Richterin.

Zudem habe das Unternehmen für Hinweise auf externe Bezahlangebote neue Regeln eingeführt, wie «ganzseitige scare screens», die zu «hohen Abbruchquoten führten». Das Ziel sei es gewesen, «Kunden davon abzuhalten, alternative Kaufmöglichkeiten zu nutzen».

Was droht Apple nun?

Der Fall könnte strafrechtliche Konsequenzen haben. Dem Apple-Manager Alex Roman wirft die Richterin vor, er habe «unter Eid ganz offen gelogen». Die Aussagen von Apples Vizepräsident der Finanzabteilung seien «voller Irreführung».

Für diese «Lügen und Falschdarstellungen» werde sich das Unternehmen verantworten müssen. Und wie immer mache die Vertuschung die Sache noch schlimmer. Die Richterin hat den Fall an die Staatsanwaltschaft in Kalifornien überwiesen. Diese werde nun prüfen, «ob ein Verfahren wegen strafrechtlicher Missachtung angebracht ist.»

Wie reagieren App-Anbieter wie Spotify oder Proton?

Proton, das Schweizer Tech-Unternehmen hinter dem sicheren E-Mail-Dienst, reduziert die Preise und schreibt:

«Apple wurde gerade für schuldig befunden, gegen eine einstweilige Verfügung zum Schutz seines illegalen Monopols verstossen zu haben. Sie haben unter Eid gelogen. Sie haben Gerichtsbeschlüsse ignoriert. Alles aus reiner Unternehmensgier, um eine 30-prozentige Abgabe durchzusetzen, die letztlich Sie bezahlen. Keine Apple-Steuer bedeutet, dass wir die Preise für Nutzer um bis zu 30 % senken werden.»
Proton

Spotify sagt, dass es im App Store ein Update für seine iOS-App eingereicht habe, das es US-Kunden unter anderem ermögliche, Zahlungsoptionen zu nutzen, die nicht von Apple stammen. Zudem sei es künftig unter anderem möglich, direkt in der App über Sonderangebote zu informieren, mit denen Kunden Geld sparen könnten.

«Zwar haben auch andere Regierungen auf der ganzen Welt Schritte gegen die schädlichen Praktiken von Apple unternommen, doch ist dies die bisher bei weitem folgenreichste Massnahme – und sie bringt die Vorteile, die alle Konsumenten auf der ganzen Welt verdienen.»
Spotify

Wie reagiert Epic Games?

Epic-CEO Tim Sweeney kündigte an, das populäre Spiel «Fortnite», mit dem der Rechtsstreit begann, in den US-App-Store zurückzubringen (in der EU ist es über alternative App-Stores seit 2024 wieder verfügbar).

Er unterbreitete Apple zudem ein «Friedensangebot» und schrieb auf Twitter: Wenn Apple die vom US-Gericht geforderten Auflagen weltweit umsetze, «werden wir ‹Fortnite› weltweit in den App Store zurückbringen und aktuelle und zukünftige Rechtsstreitigkeiten zu diesem Thema einstellen».

Epic will in seinem Game-Store eine maximale Gebühr von 12 Prozent erheben, wobei kleinere Entwickler mit einem jährlichen Umsatz unter einer Million Dollar gar keine Abgabe zahlen müssen. Apple und Google zwacken auch kleinen Entwicklern 15 Prozent ab.

Wie geht es nun weiter?

Eine Apple-Unternehmenssprecherin erklärte, man sei mit dem Urteil nicht einverstanden. Man werde dem Gerichtsbeschluss zwar nachkommen, aber Berufung einlegen.

Die langjährige Saga Apple gegen Epic Games ist somit noch nicht beendet.

Warum lenkt Apple nicht ein?

Für Apple geht es um sehr viel Geld. Allein 2024 sollen mehr als 90 Milliarden US-Dollar über den App Store umgesetzt worden sein. Das Gerichtsurteil dürfte Apple also jährlich eine hohe Summe kosten.

In der EU hat Apple deshalb ganz ähnlich argumentiert. Unter dem neuen Digital Markets Act musste Apple aber schliesslich iPhone und iPad für alternative App-Stores öffnen. Apple gibt daher App-Entwicklern in Europa nach Einschreiten der EU mehr Möglichkeiten, ihre Nutzer per Links zu günstigeren Angeboten im Web zu leiten. Zugleich führte Apple neue Gebühren ein. Rivalen werfen Apple obendrein vor, die Installation anderer App-Stores absichtlich zu erschweren.

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Die beliebtesten Kommentare
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winglet55
02.05.2025 13:54registriert März 2016
Ich nutze seit Jahren Produkte des angebissenen Apfels und bin sehr zufrieden mit den Produkten. Aber dieses Urteil begrüsse ich voll umfänglich.
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_kokolorix
02.05.2025 13:56registriert Januar 2015
Monopolisten zu knacken ist immer knüppelhart.
Warum lassen wir es immer wieder zu, dass sich solche Monopole bilden?
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Auster N
02.05.2025 13:52registriert Januar 2022
Da sieht man sehr schön, dass Heck küssen bei Trump rein gar nichts nützt.
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    Apples iPhone-Umsatz steigt

    Apples Geschäft mit dem iPhone ist im vergangenen Quartal gewachsen. Konzernchef Tim Cook sagte zugleich dem Sender CNBC, das Unternehmen sehe keine Anzeichen dafür, dass US-Kunden iPhone-Käufe aus Angst vor möglichen Preiserhöhungen vorgezogen hätten.

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