Das juristische Tauziehen zwischen Apple und Epic Games nimmt eine überraschende Wendung. Es geht um zig Milliarden und für Apple ist das Urteil eine vernichtende Niederlage. Die Urteilsbegründung (PDF) von US-Richterin Yvonne Gonzalez Rogers liest sich teils wie ein Wutbrief. Sie führt auf 80 Seiten aus, wie Apple wiederholt die schlechteste Option für App-Entwickler wählte und damit ihre Unterlassungsverfügung gegen wettbewerbswidriges Verhalten unterlief.
Apple darf in den USA keine Gebühren mehr auf Käufe erheben, die Kunden ausserhalb des App Stores abschliessen.
Apple sieht sich zudem mit einer möglichen strafrechtlichen Untersuchung wegen Missachtung des Gerichts konfrontiert. Dies, nachdem die Richterin festgestellt hat, dass Apple gegen eine frühere Gerichtsanordnung verstossen habe, seinen lukrativen App Store für mehr Wettbewerb zu öffnen – und zudem das Gericht getäuscht habe.
Die Richterin sieht darüber hinaus Anzeichen für Meineid durch Apple-Führungskräfte. Die Staatsanwaltschaft ist eingeschaltet.
Bundesrichterin Gonzalez Rogers entschied, dass Apple per sofort keine Gebühren mehr auf In-App-Käufe erheben darf, die Kunden ausserhalb des App Stores tätigen. Apple will auch bei Käufen im Web und App-Stores anderer Anbieter mit Abgaben in Höhe von 12 bis 27 Prozent mitverdienen. Im eigenen App Store sackt Apple Provisionen bis zu 30 Prozent ein.
Zudem wird es dem iPhone-Konzern untersagt, App-Entwicklern Vorschriften für Hinweise auf das Bezahlen ausserhalb seines App Stores zu machen. Unter anderem darf Apple anderen App-Anbietern Links in ihren Apps zu externen Bezahlmöglichkeiten nicht mehr verbieten. Der US-Konzern darf Kunden auch nicht mehr mit einschüchternden Warnhinweisen davon abhalten, In-App-Käufe oder Streaming-Abos extern und allenfalls günstiger zu erwerben.
Die Richterin erhebt schwere Vorwürfe: Apple habe sein «wettbewerbswidriges Verhalten» fortgesetzt, «um seinen milliardenschweren Einkommensstrom aufrechtzuerhalten», schreibt Gonzalez Rogers. So habe Apple «sich vorsätzlich entschieden, einer Unterlassungsanordnung des Gerichts nicht nachzukommen». Denn bereits 2001 verfügte das Gericht, dass Apple alternative Kaufmöglichkeiten zulassen muss. Apple reagierte, indem es In-App-Käufe ausserhalb des App Stores, etwa im Web, ebenfalls mit horrenden Abgaben belegte.
Die Richterin merkte an, dass App-Store-Chef Phil Schiller innerhalb von Apple dafür plädierte, dass sich das Unternehmen an die einstweilige Verfügung des Gerichts halte, aber dass CEO Tim Cook «eine schlechte Wahl» traf, indem er Schiller ignorierte und sich von Finanzchef Luca Maestri «vom Gegenteil überzeugen liess».
Dass Apple glaube, das Gericht würde ein solches Verhalten tolerieren, sei «eine grobe Fehleinschätzung», so die Richterin.
Zudem habe das Unternehmen für Hinweise auf externe Bezahlangebote neue Regeln eingeführt, wie «ganzseitige scare screens», die zu «hohen Abbruchquoten führten». Das Ziel sei es gewesen, «Kunden davon abzuhalten, alternative Kaufmöglichkeiten zu nutzen».
Der Fall könnte strafrechtliche Konsequenzen haben. Dem Apple-Manager Alex Roman wirft die Richterin vor, er habe «unter Eid ganz offen gelogen». Die Aussagen von Apples Vizepräsident der Finanzabteilung seien «voller Irreführung».
Für diese «Lügen und Falschdarstellungen» werde sich das Unternehmen verantworten müssen. Und wie immer mache die Vertuschung die Sache noch schlimmer. Die Richterin hat den Fall an die Staatsanwaltschaft in Kalifornien überwiesen. Diese werde nun prüfen, «ob ein Verfahren wegen strafrechtlicher Missachtung angebracht ist.»
Proton, das Schweizer Tech-Unternehmen hinter dem sicheren E-Mail-Dienst, reduziert die Preise und schreibt:
Spotify sagt, dass es im App Store ein Update für seine iOS-App eingereicht habe, das es US-Kunden unter anderem ermögliche, Zahlungsoptionen zu nutzen, die nicht von Apple stammen. Zudem sei es künftig unter anderem möglich, direkt in der App über Sonderangebote zu informieren, mit denen Kunden Geld sparen könnten.
Epic-CEO Tim Sweeney kündigte an, das populäre Spiel «Fortnite», mit dem der Rechtsstreit begann, in den US-App-Store zurückzubringen (in der EU ist es über alternative App-Stores seit 2024 wieder verfügbar).
Er unterbreitete Apple zudem ein «Friedensangebot» und schrieb auf Twitter: Wenn Apple die vom US-Gericht geforderten Auflagen weltweit umsetze, «werden wir ‹Fortnite› weltweit in den App Store zurückbringen und aktuelle und zukünftige Rechtsstreitigkeiten zu diesem Thema einstellen».
Epic will in seinem Game-Store eine maximale Gebühr von 12 Prozent erheben, wobei kleinere Entwickler mit einem jährlichen Umsatz unter einer Million Dollar gar keine Abgabe zahlen müssen. Apple und Google zwacken auch kleinen Entwicklern 15 Prozent ab.
Eine Apple-Unternehmenssprecherin erklärte, man sei mit dem Urteil nicht einverstanden. Man werde dem Gerichtsbeschluss zwar nachkommen, aber Berufung einlegen.
Die langjährige Saga Apple gegen Epic Games ist somit noch nicht beendet.
Für Apple geht es um sehr viel Geld. Allein 2024 sollen mehr als 90 Milliarden US-Dollar über den App Store umgesetzt worden sein. Das Gerichtsurteil dürfte Apple also jährlich eine hohe Summe kosten.
In der EU hat Apple deshalb ganz ähnlich argumentiert. Unter dem neuen Digital Markets Act musste Apple aber schliesslich iPhone und iPad für alternative App-Stores öffnen. Apple gibt daher App-Entwicklern in Europa nach Einschreiten der EU mehr Möglichkeiten, ihre Nutzer per Links zu günstigeren Angeboten im Web zu leiten. Zugleich führte Apple neue Gebühren ein. Rivalen werfen Apple obendrein vor, die Installation anderer App-Stores absichtlich zu erschweren.
Warum lassen wir es immer wieder zu, dass sich solche Monopole bilden?