«Toxische Mischung»: Experten erklären, wie Trump die Eskalation in den USA anheizt
Tag für Tag, Nacht für Nacht entlädt sich in den USA seit dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz am vergangenen Montag die Wut. Oft ist der Protest gegen Rassismus und Polizeigewalt friedlich, teilweise kommt es aber auch zu Eskalationen.
Polizeibeamte in martialischer Montur gehen hart gegen Demonstranten vor. Sie verschiessen Tränengas und Gummigeschosse. Es kommt auch zu Brandstiftungen und Plünderungen.
>> Die Proteste nach George Floyds Tod: Alle News im Ticker
Die USA befinden sich im Aufruhr. Und bisher sieht es nicht danach aus, als ob ein Ende der Proteste in Sicht ist. Was ist los in den Vereinigten Staaten? Und was folgt aus der Wut auf der Strasse? Und welche Rolle spielt US-Präsident Donald Trump?
Das haben wir den Amerikanisten Florian Sedlmeier von der Freien Universität Berlin und die Historikerin Ursula Prutsch, spezialisiert auf die Geschichte der USA, von der Ludwig-Maximilians-Universität München gefragt.
Warum fallen die Proteste so heftig aus?
Sedlmeier glaubt nicht unbedingt, «dass sich die Proteste bislang bedeutend heftiger entladen als zu anderen Momenten in den letzten Jahren und Jahrzehnten». Womöglich nähmen wir das «in der Tagesaktualität und medialen Vervielfältigung» so wahr.
Er macht auf einen Umstand aufmerksam, der den aktuellen Fall von Polizeigewalt in Minneapolis, wo George Floyd starb, mit einem früheren Fall verbindet:
Zum anderen ist dieser Satz so tief im Gedächtnis der afroamerikanischen Community verankert, dass er ein Slogan ist, der die Menschen auf die Strassen bringt. Es ist, als hätte Floyd mit seinen letzten Worten zum erneuten Protest aufgefordert und verpflichtet.»
Prutsch sieht viele Gründe, warum die Proteste eine derartige Wucht entwickelt haben:
Noch zur Jahrtausendwende sei eine solch breite Protestbewegung nicht vorstellbar gewesen. Seitdem sei die US-Gesellschaft aber pluralistischer geworden. «Weiss und schwarz sind keine solchen Gegensätze mehr. Das ist auch der Pop-Kultur geschuldet. Kaum ein Film, kaum eine Fernsehserie wäre ohne Afro-Amerikaner, Asiaten, Latinos denkbar, die gemeinsam kämpfen, Feinde besiegen, zusammenleben.»
Welche Rolle nimmt US-Präsident Trump bei den Protesten ein?
Prutsch ist überzeugt, dass Trumps Politik in nicht unerheblichem Mass dazu beigetragen hat, den Boden für die Eskalation auf der Strasse zu bereiten.
Besonders seine aggressive Rhetorik sowie die seines medialen Arms Fox News trage dazu bei. Trump sei ein rechter Populist. «Populisten glauben nicht an die Kraft des Parlaments, sie spalten die Gesellschaft in Gute (die eigenen Anhänger) und Böse, sie schüren ständig Spannungen und beflügeln Chaos», sagt die Historikerin. «Solche Persönlichkeiten sind auch oft narzisstisch und überschätzen sich selbst. Es ist bezeichnend, dass eine solche Persönlichkeit dann die eigene Armee in die Konfliktherde schicken will und Gewalt, statt zu deeskalieren, noch weiter schüren will.»
Auch Sedlmeier glaubt nicht, dass Trump in der Lage ist, die Situation zu deeskalieren.
Dahinter stecke eine klare Absicht des US-Präsidenten, so Sedlmeier weiter. «Trump, der aus seiner eigenen medialen Schleife heraus agiert, bleibt weiterhin bei dem Kalkül, die Spannungen zwischen Weissen und Nicht-Weissen sowie zwischen politisch rechts und links über sein Auftreten via Twitter, im Fernsehen und bei Pressekonferenzen anzuheizen.» Die Situation sei nicht zuletzt deshalb unberechenbar.
Was wird aus den Protesten folgen?
Sedlmeier weist zunächst darauf hin, dass bei der Verwendung des Begriffs «Eskalation» Vorsicht geboten sei.
Sein weiterer Ausblick fällt eher pessimistisch aus.
Wie lassen sich die zugrundeliegenden Probleme lösen?
Sedlmeier verweist darauf, dass selbst, wenn alle beteiligten Polizisten im Fall George Floyd zur Verantwortung gezogen würden, dies noch lange nicht grundlegenden Probleme löse.
Das habe für das Zusammenleben erhebliche Konsequenzen:
Welche Konsequenzen ergeben sich aus den Protesten für die US-Wahlen?
Prutsch sieht Trumps Wiederwahl durch die anhaltenden Proteste im Zusammenspiel mit weiteren Faktoren durchaus gefährdet:
Sedlmeier sieht die Demokraten vor einem schwierigen Spagat:
Amerikanist Sedlmeier warnt ausserdem davor, Trump schon für politisch tot zu erklären. «Er scheint mehrere Leben zu haben und Affären jeglicher Art überstehen zu können, indem er die mediale Aufmerksamkeit verlagert.»
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