Einmal mehr erwachten die USA am Samstagmorgen und mussten feststellen, dass ihr Präsident eine neue Twitter-Bombe abgesetzt hat. Diesmal wirft er seinem Vorgänger Barack Obama vor, er habe ihn während des Wahlkamps abhören lassen. Freund und Feind reiben sich die Augen. Ist irgendetwas dran an dieser Geschichte? Die sechs wichtigsten Fragen:
Trump hat als Präsident fast unbegrenzten Zugriff auf die geheimsten Informationen sämtlicher Bundesbehörden einschliesslich aller Nachrichtendienste. Als er am Freitag twitterte, er habe «soeben erfahren», dass Obama ihn habe überwachen lassen, meinte er etwas anderes: Einen Bericht, den er auf der Fake-News-Website breitbart.com gelesen hatte, wo von einem «lautlosen Putsch» Obamas gegen Trump die Rede ist. Als Quelle dienen die Aussagen des Rechtsaussen-Radiomoderators Mark Levin, der tags zuvor in seiner Sendung ähnliche Vorwürfe erhoben hatte. Er präsentierte keinerlei Beweise.
Die BBC berichtete im Januar von einer Untersuchung, in die mehrere Ministerien und Geheimdienste der USA involviert sind. Es geht um Geldüberweisungen aus Russland in die USA im Zusammenhang mit dem Präsidentschaftswahlkampf. Einen Antrag des Justizministeriums auf Überwachung zweier russischer Banken soll das zuständige FISA-Gericht (Foreign Intelligence Surveillance Court) im Juni abgelehnt haben. Ebenso einen zweiten im Juli. Ein dritter, weniger umfangreicher Antrag wurde schliesslich genehmigt. Im Fokus sollen drei Trump-Vertraute stehen. Ob oder inwiefern im Rahmen dieser Untersuchung auch Kommunikation in den/aus dem Trump Tower abgefangen wurde, ist unklar.
Einmal mehr offenbart Donald Trump, dass er ein gelinde gesagt rudimentäres Verständnis der Justiz hat. Abhörmassnahmen werden von Behörden beantragt, auf die der Präsident wenig bis gar keinen Einfluss hat, auf Bundesebene vor allem das FBI und das Justizministerium. Vor allem aber scheint Trump den zentralen Punkt zu übersehen, dass solche Massnahmen in jedem Fall von einem Bundesgericht genehmigt werden müssen. Dies geschieht nur, wenn genügend Verdachtsmomente bestehen. Die Hürden sind speziell hoch, wenn es sich um einen US-Bürger aus der Politik handelt.
Ein Präsident könnte natürlich versuchen, an der Justiz vorbei jemanden abzuhören. Wie Richard Nixon, als er seine Leute in das Hauptquartier der Demokratischen Partei im Watergate-Gebäudekomplex einbrechen und dort Wanzen anbringen liess. Die Geschichte flog auf, der Watergate-Skandal kostete Nixon schliesslich das Amt. Trump verwies in einem Tweet auf «Nixon/Watergate». Dass Obama einen auf Nixon machte und ohne die Zustimmung der Justiz den Trump-Tower abhören liess, ist eine sehr schwerwiegende Anschuldigung. Beweise? Null. Nada. Nichts.
Update: Das Weisse Haus sagt nun, es brauche eine Untersuchung des Kongresses. Vielleicht werden die etwas finden. Sollte es soweit kommen, dann muss sich vor allem Trump vor den Ergebnissen fürchten, so oder so (siehe Frage 5).
Ziemlich sicher ja. Wenn an der Geschichte nichts dran ist, dann hat er (einmal mehr) die Unwahrheit gesagt und sich selbst der Lächerlichkeit preisgegeben. Wenn aber etwas dran ist, dann hat offensichtlich ein Bundesgericht eine entsprechende Überwachungsmassnahme genehmigt. Das wiederum würde bedeuten, dass erhebliche Verdachtsmomente bestehen, dass er oder sein Umfeld etwas strafrechtlich Relevantes verbrochen oder mit einer ausländischen Macht kooperiert haben. Auch dieses Szenario würde Trump nicht gut aussehen lassen.
Der Vorwurf lautet, Obama habe Trump abhören lassen. Der Kreis jener Personen, die in der Lage sind, dies zu bestätigen oder zu dementieren ist überschaubar. Obama selbst liess über einen Sprecher ausrichten, die Anschuldigung sei «schlicht falsch». FBI-Chef James Comey weiss vermutlich von allen involvierten Personen am meisten über das Trump-Russland-Dossier. Laut der New York Times forderte er das Justizministerium am Samstag auf, Trumps Anschuldigungen in einer öffentlichen Erklärung zurückzuweisen. Dies ist nicht geschehen – wobei unklar ist, wer dieser Forderung überhaupt hätte Folge leisten können: Justiziminister Jeff Sessions hat sich wegen möglicher Befangenheit aus der Russland-Untersuchung zurückgezogen.