Die Rede von J. D. Vance, dem gesalbten Nachfolger von Donald Trump, lässt sich wie folgt zusammenfassen: Eine harte Jugend als Hillbilly (Hinterwäldler) wurde verklärt, die ausgebeutete Arbeiterklasse romantisiert, die Wall-Street-Banker und die multinationalen Konzerne dämonisiert, die christliche Familie idealisiert und China als grösste Gefahr für die USA gebrandmarkt. Kurz, es war eine populistische Rede vom Feinsten – mit leicht faschistoidem Einschlag.
Sie war auch eine gigantische Lüge. In seiner Autobiografie «Hillbilly Elegy» kommen die nun plötzlich hart arbeitenden Arbeiter aus den Appalachen keineswegs gut weg. Sie sind faul, undiszipliniert und oft drogensüchtig. Nur J. D. hat sich selbst an seinen Hosenträgern aus dem Sumpf gehievt und den amerikanischen Traum vom Tellerwäscher zum Millionär verwirklicht.
So ganz aus eigener Kraft hat er diesen Aufstieg jedoch nicht geschafft. Die Tech-Mafia des Silicon Valleys hat entscheidend dazu beigetragen, allen voran Peter Thiel. Der Sohn deutscher Einwanderer und erfolgreicher Financier hat die Karriere von Vance massgeblich gefördert. Er hat ihm zunächst einen Job in einer seiner Firmen verschafft, ihm dann 100 Millionen Dollar Startkapital für sein eigenes Start-up vermittelt und ihm schliesslich mit einer 15-Millionen-Dollar-Spende geholfen, zum Senator des Bundesstaates Ohio zu werden.
Wie Hollywood war das Valley lange eine Bastion der Demokraten. Die Republikaner waren für die IT-Nerds der Inbegriff des Spiessbürgers und damit das Feindbild der Freigeister, die oft eine libertäre Sicht der Welt vertraten und nichts mit den kleinbürgerlichen Werten der Grand Old Party am Hut hatten.
Auch Thiel war ursprünglich ein Libertärer, allerdings einer, der in seiner Jugend die Romane von Ayn Rand verschlungen und später die Schriften von Ludwig von Mises und Friedrich Hayek studiert hatte. Einst wollte er künstliche Inseln im Meer errichten, auf die sich die Milliardäre zurückziehen konnten und dort keine Steuern entrichten mussten. Das Stimmrecht für Frauen hielt er für einen Irrtum, seine Homosexualität versuchte er lange unter dem Deckel zu behalten.
Wie die meisten Libertären wurde auch Thiel immer mehr zum Anhänger eines autoritären Staates. Schon 2016 schlug er sich deshalb auf die Seite von Donald Trump – was ihn im Valley zeitweise zum geächteten Mann machte. Doch viel Geld hat oft einen Sinneswandel zur Folge. Inzwischen haben viele IT-Giganten, die einst Hillary Clinton unterstützt haben, ins Lager der Republikaner gewechselt.
Allen voran die sogenannte PayPal-Mafia. Der alternative Zahlungsdienst wurde einst von einer Gruppe um Thiel gegründet und später für rund eine Milliarde Dollar an die Tauschbörse Ebay verkauft. Zu dieser Gruppe zählten nebst Thiel auch Elon Musk, David Sacks – ein Studienkollege Thiels – und Ken Howery. Sie alle zählen mittlerweile zu grosszügigen Mäzenen von Trump. Musk will bekanntlich jeden Monat 45 Millionen Dollar für den Wahlkampf des Ex-Präsidenten spendieren.
Nicht nur die PayPal-Mafia steht hinter Trump. Und fairerweise muss hier erwähnt werden, dass nicht alle Mitglieder diesen Schritt getan haben. LinkedIn-Mitbegründer Reid Hoffman, der auch dazu gehörte, ist nach wie vor ein bedeutender Mäzen der Demokraten. Anyway: Auch Marc Andreessen und Ben Horowitz, die Gründer einer extrem einflussreichen Venture-Kapital-Firma, sind nun im Lager von Trump. Auch sie hatten 2016 noch Hillary Clinton unterstützt.
Mit J. D. Vance haben die Tech-Mafiosi ihren idealen Kandidaten gefunden. Dank seiner Hillbilly-Vergangenheit kann er das verlogene Narrativ, ein Held der Arbeiterklasse zu sein, halbwegs glaubwürdig vertreten. Dank seiner Karriere bei Tech-Start-ups kennt er die Sorgen der neuen Oligarchen im Valley.
Mithilfe von Donald Jr. hat Thiel Vance beim Vater vorgestellt und beliebt gemacht. Trump mag kein «sehr stabiles Genie» sein, wie er sich selbst brüstet, aber er erkennt eine Marketing-Chance, wenn er sie sieht. Und J. D. ist die ideale Waffe, wenn es darum geht, die «blue wall» – blau gleich demokratisch – im mittleren Westen zu überwinden.
Michigan, Wisconsin, Ohio und Pennsylvania gehören zum sogenannten «rust belt». Es sind die Staaten, in denen die traditionelle Industrie – Stahl, Auto – angesiedelt ist, und in denen die Arbeiter wegen der Globalisierung grosse Wohlstandsverluste erleiden mussten. Daher sind diese ursprünglich stramm demokratisch wählenden Bundesstaaten zu sogenannten «swing states» geworden.
In diesen Staaten werden die Wahlen entschieden werden. 2016 hat Trump sie für sich gewinnen können, 2020 hat Biden ausser in Ohio das bessere Ende für sich behalten. Mit J. D. Vance wollen die Republikaner die «blaue Mauer» endgültig überwinden und so Trump ins Weisse Haus katapultieren.
Zunächst musste Vance jedoch nicht nur kiloweise Kreide fressen, sondern seine Seele verkaufen. Wie die Valley-Oligarchen war er ursprünglich alles andere als ein Trump-Fan. Er bezeichnete die Politik des Ex-Präsidenten als «unmoralisch und absurd» und sprach ihm die Fähigkeit ab, das höchste Amt im Land auszuführen. Ja, er nannte Trump gar «America’s Hitler».
Trump mag reuige Sünder, besonders dann, wenn sie öffentlich Abbitte leisten. J. D. Vance tat dies und preist den Ex-Präsidenten heute in Tönen, die nur noch peinlich, jedoch nötig sind, will man die Gunst des pathologischen Narzissten gewinnen.
Mit der Wahl von Vance ist auch klar geworden, was Trump in seiner zweiten Amtszeit anstreben wird: Er will einen autoritären Staat, in dem der Präsident ohne Fesseln reagieren kann, in dem die Gerichte widerstandslos seine Weisungen ausführen, in dem die Zentralbank ihre Geldpolitik nach seinen Wünschen ausrichtet und das Militär nach seiner Pfeife tanzt. Die Valley-Oligarchen werden ihn das notwendige Geld zur Verfügung stellen. Im Gegenzug lässt er ihnen freie Hand, beispielsweise was die Zukunft der Kryptowährungen betrifft.
Kurz, es wird ein autoritärer Staat werden, ein Staat, wie in Wladimir Putin in Russland bereits errichtet hat – nur viel grösser und mächtiger.
Seine Strafzölle auf Stahl und Aluminium-Importe in Höhe von 25 Prozent haben der amerikanischen Stahlindustrie mehr geschadet als geholfen. Es hat nicht die heimische Industrie gestärkt, sondern geschwächt. Ganz ohne Import geht es nicht und die Mehrkosten auf Stahl und Aluminium wurden dementsprechend an den Einkäufern weitergegeben.
Ende vom Lied war dann, dass alles teurer wurde.