In Armenien hat der Oppositionspolitiker Nikol Paschinjan sein Ziel verfehlt, sich vom Parlament zum Ministerpräsidenten wählen zu lassen. Lediglich 45 Abgeordnete stimmten am Dienstagabend nach einer neunstündigen Debatte für ihn. Er hätte jedoch 53 der 105 Stimmen benötigt.
Die politische Krise in der früheren Sowjetrepublik im Südkaukasus dauert damit an, laut Verfassung muss das Parlament nun innerhalb einer Woche erneut abstimmen. Scheitert auch dieser Durchgang, folgen Neuwahlen.
Bis zur neuen Abstimmung soll es laut Paschinjan wie in den Wochen zuvor weitere Massenproteste geben. Der 42-Jährige hatte in den vergangenen Wochen Zehntausende Anhänger mobilisiert und damit Ministerpräsident Sersch Sargsjan zum Rücktritt gezwungen. Die Opposition spricht von einer «samtenen Revolution».
Zu seiner Wahlniederlage sagte Paschinjan, das Parlament zerstöre sich mit diesen Verhalten selbst. Der Wille des Volkes könne nicht ignoriert werden, die Proteste könnten jederzeit unerwartete Ausmasse annehmen, wurde er von armenischen Medien zitiert. Er sei bereit zur Regierungsbildung, wenn ihm die Möglichkeit gegeben werde.
Paschinjan rief noch am Dienstagabend zu einem Generalstreik und zu massiven Protesten auf. Seine Anhänger sollten Strassen, Zugstrecken und Flughäfen blockieren, sagte Paschinjan in der Hauptstadt Eriwan.
Paschinjan, der sich selbst als «Kandidat des Volkes» bezeichnet, war der einzige Bewerber für das Amt des Ministerpräsidenten. Die regierende Republikanischen Partei, die mit 58 Mandaten das Parlament der dominiert, verweigerte ihm jedoch die Zustimmung. «Er hat uns nicht überzeugt», sagte der Fraktionsführer der Partei.
Paschinjan gehört dem Bündnis Jelk (Ausweg) an, das bei den Parlamentswahlen vor einem Jahr 7,8 Prozent der Stimmen erhielt. Die zweitgrösste Fraktion im Parlament, Blühendes Armenien, hatte zuletzt angedeutet, sich hinter ihn zu stellen.
Am Montag hatte Paschinjan sich von seinen Unterstützern im Parlament als deren gemeinsamer Kandidat aufstellen lassen.
Paschinjan hat einen Kampf gegen Korruption und Armut in Armenien versprochen. Zudem will er vorgezogene Neuwahlen. In den vergangenen Wochen waren seine Unterstützer immer wieder auf die Strasse gegangen.
Der vorherige Ministerpräsident Sargsjan war im April nach wochenlangen Protesten zurückgetreten. Er war nach zehn Jahren als Staatspräsident vom Parlament zum Regierungschef gewählt worden, nachdem per Verfassungsänderung viele Vollmachten des Präsidenten auf den Ministerpräsidenten übertragen worden waren.
Kritiker warfen Sargsjan daraufhin Machtgier vor, ausserdem eine zu grosse Nähe zu Russland. Sie machen ihn und seine Getreuen auch für Korruption und Armut in dem rund drei Millionen Einwohner zählenden Land verantwortlich. (sda/afp/dpa/reu/vom)