Im Kosovo, in Bosnien-Herzegowina und in Serbien wird erneut Kriegsgefahr an die Wand gemalt. Wieder stehen Forderungen nach neuen Grenzen im Raum, ein eisernes Tabuthema für die USA und die EU.
Der frühere kroatische Staatschef Josip Josipovic sagt es ebenso wie der serbische Präsident in Bosnien-Herzegowina, Mladen Ivanic. Die Beziehungen der jugoslawischen Nachfolgestaaten auf dem Balkan sind so schlecht wie seit über 20 Jahren nicht.
In den letzten Wochen führen viele Politiker wieder die Kriegsgefahr im Munde. Serbiens Staatsoberhaupt Tomislav Nikolic will im Falle eines Falles selbst an der Spitze der Armee im Kosovo einmarschieren, weil dort die Kosovo-Albaner angeblich Krieg gegen die serbische Minderheit planen.
Und weil überall in diesen südosteuropäischen Staaten die nationalen Minderheiten unzufrieden sind, machen wieder Gedankenspiele über Grenzänderungen die Runde. Ein Artikel in der US-Fachzeitschrift «Foreign Affairs» Ende des vergangenen Jahres befeuerte noch solche Überlegungen.
Der frühere britische Diplomat Timothy Less erklärt darin die Politik Washingtons und der EU zur Aussöhnung und Aufrechterhaltung von multiethnischen Staaten für gescheitert. Nur Grenzänderungen könnten sonst unausweichliche neue bewaffnete Konflikte verhindern.
Schützenhilfe kommt vom einstigen französischen Geheimdienstler Pierre-Henri Bunel, der die Probleme in der Region als «typisches Beispiel eingefrorener Konflikte» bezeichnet. Im Belgrader Magazin «Nedeljnik» kam der frühere Balkanexperte der CIA, Steven Meyer, zu Wort. Er schlug einen Gebietsaustausch vor, um das bisher für unbeherrschbar gehaltene Kosovo-Problem zu lösen.
Der Norden mit seiner lokalen serbischen Mehrheit solle sich der Republik Serbien anschliessen, die serbische Minderheit im übrigen Kosovo solle mit UNO-Hilfe umziehen dürfen. Im Gegenzug müsse Serbien die Unabhängigkeit seiner früheren Provinz anerkennen.
In diesem Fall will der Albanerführer in Südserbien, Jonuz Musliju, die Region um Presevo und Bujanovac, wo seine Landsleute regional die Mehrheit bilden, an das benachbarte Kosovo anschliessen. Diese Gedankenspiele beflügeln auch Politiker in der Republik Albanien. Der früher langjährige Regierungschef Sali Berisha verlangte im Parlament in Tirana dann die Vereinigung Kosovos mit der «Mutterrepublik» Albanien.
Während der Gebietstausch rund um Kosovo theoretisch machbar erscheint, sind die Probleme in Bosnien-Herzegowina deutlich komplizierter. Hier streben die Serben in ihrer heute schon fast selbstständigen Landeshälfte seit Jahren nach einer Trennung vom Gesamtstaat, in dem die muslimischen Bosniaken die knappe Mehrheit besitzen.
Die katholischen Kroaten, mit etwa 15 Prozent die kleinste Bevölkerungsgruppe, sind schon heute mehr mit dem jüngsten EU-Mitglied Kroatien als mit der bosnischen Hauptstadt Sarajevo verbunden.
Es gibt nur wenige Stimmen wie den früheren serbischen Reformpolitiker Zarko Korac, die vor neuer Grenzziehung warnen. Angesichts der sozialen Misere und der massenhaften Auswanderung der jungen und gut ausgebildeten Leute, formulierte er in der jüngsten Ausgabe des Nachrichtenmagazins NIN einen Appell.
«Willst Du Krieg führen (für ein Grossserbien) und sterben oder die bestehenden Grenzen akzeptieren und dafür kämpfen, dass Serbien doch irgendwann einmal ein Ort für das Leben wird?».
(sda/dpa)