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Die Abholzung des Regenwaldes: So, dass du es dir vorstellen kannst

FILE - An area of forest on fire near a logging area in the Transamazonica highway region, in the municipality of Humaita, Amazonas state, Brazil, Sept. 17, 2022. In a victory speech Sunday, Oct. 30,  ...
Zerstörter Regenwald in der Region von Humaita im Amazonas.Bild: keystone

Diese 10 Grafiken zeigen dir, wie viel Regenwald in Bolsonaros Amtszeit zerstört wurde

Der Wahlsieg von Lula da Silva ist eine gute Neuigkeit für das Weltklima. Zuletzt verzeichnete Brasilien Rekord-Rodungen. Lula senkte schon in seinen ersten Amtszeiten die Zerstörung des Regenwalds massiv. Er hat dies wieder versprochen.
19.11.2022, 10:58
Reto Fehr
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Tropische Wälder spielen für das weltweite Klima eine wichtige Rolle. Sie gelten als Puffer des Klimawandels, weil sie grosse Mengen des Treibhausgases CO₂ speichern. Allerdings nur dann, wenn sie mehr Treibhausgas speichern, als sie abgeben. Ausgerechnet beim grössten Regenwald im Amazonasgebiet ist dies nicht mehr der Fall. Im Mai 2021 berichteten Forscher um Yuanwei Qin von der University of Oklahoma in einer Studie, die in der Zeitschrift «Nature Climate Change» veröffentlicht wurde, dass in den letzten zehn Jahren rund 20 Prozent mehr CO₂ in die Atmosphäre freigesetzt worden sei, als absorbiert werden konnte.

Ursache ist gemäss den Forschern die fortschreitende Abholzung des grössten Regenwaldes. Eine entscheidende Rolle kommt dabei Brasilien zu, wo der grösste Teil des Amazonas-Regenwaldes steht.

Nachdem ab 2004 die Regenwald-Zerstörung durch diverse Gesetze zurückgefahren wurde, hat sie unter der rechtsnationalistischen Regierung um Jair Bolsonaro wieder stark an Fahrt aufgenommen.

Im September 2022 hat die Abholzung im Regenwald von Brasilien einen neuen Höchstwert erreicht. Allein in diesen 30 Tagen wurden rund 1455 Quadratkilometer Urwald vernichtet. Im Jahr 2022 steuert Brasilien zudem auf die höchste Rodungsfläche seit über 15 Jahren zu.

Seit Sommer 2015 wird die Abholzung mit den Deter-Satelliten zusätzlich auf Monatsbasis gemessen (siehe Infobox). Hier zeigt sich, was sich unter Bolsonaro änderte:

Weil 1455 Quadratkilometer schwer zu fassen sind, schauen wir uns das mal im Detail an und rechnen dann in Fussballfeldern.

So gross ist der Amazonas Regenwald

Gemäss dem WWF ist der Regenwald Südamerikas 5,4 Millionen Quadratkilometer gross. Rund 60 Prozent davon befinden sich in Brasilien:

Regenwald Amazonas Brasilien Südamerika
Der Regenwald befindet sich vor allem in Brasilien. Bild: Shutterstock

Hier gab es Rodungen

Die brasilianische Weltraumbehörde INPE hat zwei Satelliten-Methoden, um die Rodung des Regenwaldes zu messen: Deter und Prodes (siehe Infobox). Alle schwarzen Punkte auf der Karte zeigen, wo es seit 2018 zu Rodungen kam:

Brasilien Deforestation
Rodungen in Brasilien im orangen Gebiet seit 2018, im restlichen Land seit 2016. Bild: terrabrasilis
So werden die Daten ermittelt
Die brasilianische Weltraumbehörde INPE hat zwei Satelliten-Methoden, um die Rodung des Regenwaldes zu messen: Deter und Prodes.

Deter liefert seit August 2015 monatliche Daten. Es registriert Veränderungen der Waldfläche, die grösser als 3 Hektar sind (ca. 3 Fussballfelder).

Prodes hat eine höhere Auflösung und kann auch kleinere Rodungen erkennen, wodurch die Daten von Prodes höher ausfallen. Diese werden aber nur jährlich veröffentlicht, normalerweise Mitte November.

13 Sekunden für ein Fussballfeld

Gehen wir zurück zum September 2022. 1455 Quadratkilometer Regenwald-Fläche wurden bekanntlich gerodet. Nehmen wir ein Fussballfeld (FIFA-Standardgrösse 68x105 Meter) und rechnen diese Fläche in Quadratkilometern, kommen wir auf 0,007.

Das bedeutet, dass allein im September alle 13 Sekunden ein gesamtes Fussballfeld gerodet wurde. Und dies rund um die Uhr.

Regenwald in der Grösse eines Fussballfeldes wurde in Brasilien im September 2022 innert 13 Sekunden zerstört.
Regenwald in der Grösse eines Fussballfeldes wurde in Brasilien im September 2022 innert 13 Sekunden zerstört.

Rechnen wir das ganze auf eine Stunde, kommen wir auf 283 Fussballfelder, die innerhalb von 60 Minuten entwaldet wurden.

Bild

Allein an einem einzigen Tag verschwanden im Amazonas-Regenwald demnach 6792 Fussballplätze:

Bild

Da auch diese Grösse kaum mehr fassbar ist, nehmen wir die Champs Elysées in Paris zur Hilfe. Diese berühmte Pariser Strasse ist von Hauswand zu Hauswand ziemlich genau so breit wie ein Fussballfeld:

Champs Elysees Paris
Bild: shutterstock/watson

Champs Elysées von Zürich nach Berlin

Wir nehmen die 6792 Fussballfelder, die im September täglich zerstört wurden und reihen sie aneinander. Das Ergebnis ist eine 713 Kilometer lange Schneise – so breit wie die Champs-Elysées – von Bern bis Berlin. An einem einzigen Tag wohlgemerkt.

Bern Berlin Distanz Regenwald
Bild: shutterstock

Allein im ganzen September 2022 wurde also eine Champs-Elysées abgeholzt, welche ein halbes Mal um den Planeten führt (rund 21'400 Kilometer)

Während der Amtszeit von Jair Bolsonaro (seit Januar 2019) wurden bisher gemäss der Deter-Messmethode 35'000 Quadratkilometer Regenwald in Brasilien vernichtet. Würde man diese Fläche ebenfalls in Fussballfeldern aneinanderreihen, die Strecke würde 22-mal um den Erdball führen.

Einmal fast die Schweiz abgeholzt

Oder anders ausgedrückt: In der fast vierjährigen Amtszeit von Bolsonaro wurde ungefähr die Schweiz ohne den Kanton Wallis abgeholzt.

Regenwald Abholzung während Bolsonaro
Bild: shutterstock/watson

Auch vorher wurde abgeholzt

Wie oben schon erwähnt, wurde viele Jahre deutlich mehr abgeholzt, als dies während der Amtszeit von Bolsonaro geschah. Doch dass Bolsonaro den Regenwald nicht schonte, zeigen die Zahlen. Im Jahr 2022 wurde so viel Wald zerstört wie seit 2007 nicht mehr. Für Klimaschützer ist deshalb die Wahl Lula da Silvas ein Segen. Ob und wie stark die Abholzung eingedämmt wird, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Hier nochmals die jährliche Abholzung seit 1988:

Rückgang seit 2005 ...

Grund für den Rückgang waren Moratorien und enge Überwachungen der Gesetze. So schränkte das brasilianische Waldgesetz (FC) die Rodung auf privaten Grundstücken ein. Seit 1996 dürfen Besitzer nur noch einen Fünftel ihres Landes roden. Das Problem dabei ist, dass nicht immer ganz klar ist, wem welches Land gehört. Eine andere Herausforderung ist die Überwachung der Vorschrift.

Immerhin sorgte das Umweltkataster Cadastro Ambiental Rural (CAR), welches die Besitztümer auflistet, dafür, dass zwischen 2014 bis 2018 eine Fläche von 8751 Quadratkilometer Wald geschützt wurden.

Auch weitere Massnahmen wie das Soja-Moratorium, welches 2006 verabschiedet wurde, trug zum Rückgang bei. Genauso wie die 2009 eingeführte Selbstverpflichtung von Rinderhaltern, Metzgern und der Regierung. Sie verbot den Handel mit Rindfleisch, das auf geschützten Flächen gehalten wird.

Grosse Hoffnungen in Lula

Unter Bolsonaro wurden die Gesetze gelockert und kaum mehr durchgesetzt. Die staatliche Universität Amapa schätzt, dass maximal fünf Prozent der Strafgelder bezahlt werden. Der Wahlsieg von Lula da Silva ist ein gutes Zeichen für den Regenwald Brasiliens. Er versprach eine Trendwende.

Der neue Präsident will den Umwelt- und Klimaschutz wieder stärken. «Lasst uns für eine Null-Abholzung kämpfen», sagte er in seiner Siegesrede und weiter: «Brasilien ist bereit, seine führende Rolle im Kampf gegen die Klimakrise wieder aufzunehmen und alle unsere Biome, insbesondere den Amazonas-Regenwald, zu schützen.» Schon während seiner Amtszeit von 2004 bis 2013 wurde die Entwaldung um 84 Prozent reduziert.

Ganz so einfach dürfte dies nicht werden. Im Senat wie auch im Kongress sieht er sich einer rechts-konservativen Mehrheit gegenüber. Und er selbst sorgte in seinen ersten beiden Amtszeiten für Entscheide, welche Umweltschützer stark kritisierten, wie etwa der Staudamm «Belo Monte».

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22 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Overton Window
19.11.2022 11:11registriert August 2022
Warum gibt eigentlich es keine knallharten Sanktionen gegen Länder die Regenwald abholzen?
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stormcloud
19.11.2022 12:14registriert Juni 2021
Ich habe als Kind in den 70ern schon im Erdkundeunterricht von den schützenswerten und wichtigen Regenwäldern gehört und die Lehrer verbreiteten vorsichtigen Optimismus...

Was für eine Enttäuschung. Die Menschheit lernt es einfach nicht. Jeder könnte einen kleinen Teil zum Schutz beitragen, ohne große Komforteinbußen. Aber nein, da läuft man lieber irgendwelchen "Trends" nach, egal wie Umweltschädlich die sind...
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Martinus72
19.11.2022 12:51registriert Januar 2020
Blöd, dass Fleisch so lecker ist. Weniger Fleisch essen bedeutet weniger Tierhaltung, bedeutet weniger Kraftfutterbedarf, bedeutet weniger Sojaanbau, bedeutet weniger Waldrodung. Aber ja, was soll man machen? Ist halt lecker.
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