Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer haben sich in letzter Minute zusammengerauft: Sie einigten sich am Montagabend auf Transitzentren an der Grenze zu Österreich. Mit diesem Kompromiss will Seehofer Minister bleiben.
#CDU und #CSU wollen Asylbewerber in bestimmten Fällen bereits an der deutschen Grenze zurückweisen. #Seehofer: "Wir haben eine klare Vereinbarung". pic.twitter.com/lfe2NcT0Nu
— BR24 (@BR24) 2. Juli 2018
«Wir haben uns geeinigt», sagte Seehofer am Montagabend nach stundenlangen Verhandlungen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin. Die Einigung erlaube es ihm, sein Amt als Innenminister weiterzuführen, sagte Seehofer.
CDU und CSU wollen für Asylbewerber, die bereits in einem anderen EU-Land registriert sind, Transitzentren an der deutsch-österreichischen Grenze einrichten. Aus diesen Zentren sollen die Asylbewerber direkt in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden, heisst es in der Vereinbarung von CDU und CSU vom späten Montagabend.
Habemus Einigung! @csu @cdu @cducsubt pic.twitter.com/DKr0aFZ3td
— Dorothee Bär (@DoroBaer) 2. Juli 2018
Bei der Zurückweisung aus Transitzentren «wollen wir nicht unabgestimmt handeln, sondern mit den betroffenen Ländern Verwaltungsabkommen abschliessen oder das Benehmen herstellen», hiess es weiter.
In jenen Fällen, in denen sich Länder Verwaltungsabkommen über die direkte Zurückweisung verweigerten, finde die Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze auf Grundlage einer Vereinbarung mit Österreich statt.
Seehofer wie Merkel zeigten sich zufrieden. Die gefundene Lösung sei nachhaltig. Durch sie werde die illegale Migration an der deutsch-österreichischen Grenze gestoppt, sagte Seehofer.
Und Merkel sagte, sie glaube, «dass wir heute nach hartem Ringen und schwierigen Tagen einen wirklich guten Kompromiss gefunden haben.» Damit sei der «Geist der Partnerschaft in der EU gewahrt und gleichzeitig ein entscheidender Schritt getan, um Sekundärmigration zu ordnen und zu steuern». Die Unionsfraktion soll am Dienstagmorgen über die Details der Einigung informiert werden.
Die SPD hat zur Einigung der Union auf Transitzentren weiteren Diskussionsbedarf. Der Vorschlag habe beim Koalitionsausschuss nur andiskutiert werden können, sagte SPD-Chefin Andrea Nahles am frühen Dienstagmorgen nach dem Treffen im Kanzleramt.
Es gebe noch viele Fragen, die geklärt werden müssten. Man werde sich daher am Dienstagabend um 18.00 Uhr erneut im Kanzleramt treffen. Es sei insgesamt gut, dass sich CDU und CSU verständigt hätten. Man sei nun wieder auf der Ebene der Sacharbeit, was die SPD in den vergangenen Wochen schmerzlich vermisst habe. Auch Vizekanzler Olaf Scholz sagte: «Wir sind weg von der Psychologie und wieder bei der Sache».
Nahles sagte, nach dem Verständnis der SPD sehe der Vorschlag so aus wie ein Verfahren für eine kleinere Gruppe. Es solle offenbar analog zum Flughafenverfahren abgewickelt werden. Die Details würden nun im Laufe des Tages mit den Fachleuten und in den Gremien der Partei erörtert. «Wir nehmen uns jetzt die Zeit, die wir brauchen, um da zu einer Entscheidung zu kommen», sagte Nahles.
In Österreich ist der Kompromiss im deutschen Asylstreit auf Kritik gestossen. Der ehemalige Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) rief die ÖVP-FPÖ-Bundesregierung in Wien auf, gegen die Pläne von CDU und CSU für Asyl-Transitzentren an der deutschen Grenze zu Österreich vorzugehen.
«Dieser innerparteiliche Kompromiss der Union bedeutet eine einseitige Belastung für Österreich», sagte Doskozil am Montagabend der österreichischen Nachrichtenagentur APA.
Doskozil, aktuell Landesfinanzminister im Burgenland und einer der führenden Vertreter der Sozialdemokraten in Österreich, bezeichnete die Einigung der CDU/CSU als «schlecht für die EU und schlecht für Österreich». Da Deutschland mit einigen EU-Staaten kein Verwaltungsabkommen zur Rücknahme dort registrierter Asylbewerber abschliessen werde, würde es in diesem Fall zu Zurückweisungen nach Österreich kommen. «Das können wir nicht akzeptieren», so Doskozil.
Die österreichische Regierung hielt sich mit einer offiziellen Reaktion zunächst zurück. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte mehrfach betont, dass das Land auf eine schärfere deutsche Vorgehensweise seinerseits reagieren werde.
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen glaub nicht, dass diese Lösung besonders lange hält.
Habe den Überblick verloren . Wie oft haben #Merkel u #Seehofer schon einen „guten Kompromiss“ gefunden, der dann ein paar Stunden/Tage/Wochen später zur nächsten Eskalation führte? Es ist erschöpfend. Es löst kein Problem, schafft nur neue. Weder #Humanität noch Ordnung
— Katrin Göring-Eckardt (@GoeringEckardt) 2. Juli 2018
Hier gibt es keine Gewinner. Es verlieren: #Merkel und #Seehofer, die Demokratie, die Realität (Ursachen v Flucht, dem Sterben auf dem Mittelmeer), v a die Geflüchteten. Und dann versucht die @CSU ihren alten Trick - Irrsinn nach Dauererpressung umdeuten in Sieg #MERSEE
— Katrin Göring-Eckardt (@GoeringEckardt) 2. Juli 2018
Die stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP glaubt an eine «aufgewärmte Lösungen».
Nun wurde von #Union eine alte Lösung aufgewärmt, die auch noch auf den Widerstand der #SPD treffen wird. Zweifel bleiben. Der wahre Wolf im Schafspelz ist jedoch #Söder. Hat Seehofer demonstrativ „den Rücken gestärkt“ und so jeden Kompromiss verhindert. Klassischer Hinterhalt.
— Marie-Agnes Strack-Zimmermann (@MAStrackZi) 2. Juli 2018
Der Parteivorsitzende bei der Linkspartei spricht schon von «Masseninternierungslagern».
#Transitzentren sind de facto #Masseninternierungslager. Die Menschlichkeit bleibt auf der Strecke. Wo bleibt die Reaktion der #SPD oder regiert eine reine #Unionskoalition?
— Bernd Riexinger (@b_riexinger) 2. Juli 2018
(sda/dpa/reu/afp/vom)