Gegen Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Gewalt haben gut 65'000 Menschen am Montag bei einem Konzert in Chemnitz protestiert. Bands wie die Toten Hosen, Kraftklub, Marteria oder Feine Sahne Fischfilet spielten unter dem Motto «#wirsindmehr» gratis in der drittgrössten sächsischen Stadt.
Die Veranstaltung war eine Reaktion auf den gewaltsamen Tod eines 35-jährigen Deutschen vor gut einer Woche sowie die folgende Vereinnahmung der Bluttat durch rechtspopulistische Kräfte wie Pro Chemnitz beziehungsweise AfD und Pegida.
AfD-Frau Beatrix von Storch hatte am Aufmarsch nicht so viel Freude.
Am Abend war die Lage rund um das Konzert störungsfrei, wie eine Polizeisprecherin sagte. Die Polizei in Chemnitz wurde nach den Angaben aus sechs Bundesländern und der Bundespolizei unterstützt. Eine genaue Anzahl der eingesetzten Beamten nannte sie nicht.
Mit dem Konzert wollten die beteiligten Musiker ein lautes Zeichen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit setzen. «Wir sind nicht naiv. Wir geben uns nicht der Illusion hin, dass man ein Konzert macht und dann ist die Welt gerettet», sagte Kraftklub-Sänger Felix Brummer, der aus Chemnitz stammt, vor Beginn des Open Airs. «Aber manchmal ist es wichtig, zu zeigen, dass man nicht allein ist.»
Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), der Kraftklub vor Monaten noch als «unmögliche linke Band» bezeichnet hatte, dankte der Band für ihr Engagement.
Campino und Die Toten Hosen gaben Vollgas. Bild: dpa
Der Rapper Marteria fühlte sich durch die Vorkommnisse in Chemnitz an die fremdenfeindlichen Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen erinnert. Er habe damals 1992 in Rostock gewohnt und jahrelang damit zu kämpfen gehabt, dass Rostock als «Nazi-Stadt» abgestempelt gewesen sei. «Mir geht es darum, dass die Leute, die aus Sachsen, aus Chemnitz sind, auch sagen können: «Hey, ich bin aus Chemnitz», ohne dass gesagt wird: «Ah, musst du also ein Nazi sein.»
Am Rande des Konzertes sollten Spendengelder gesammelt werden. Nach Angaben der Organisatoren soll die Hälfte des Geldes der Familie des Getöteten zugute kommen, die andere Hälfte ist für antifaschistische, antirassistische und zivilgesellschaftliche Initiativen in Sachsen vorgesehen.
Vor dem Open-Air-Konzert kritisierten CDU-Politiker die Unterstützung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für die Veranstaltung. «Ich halte das für sehr kritisch», sagte Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer der «Welt» (Montag). Wie zuvor ihr Parteikollege Philipp Amthor monierte sie, dass Steinmeier die Ankündigung der Veranstaltung auf seinem Facebook-Account geteilt hatte.
Das Fazit unseres Reporters.
Der Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern hatte die teilnehmende Punkband Feine Sahne Fischfilet zeitweise wegen «linksextremistischer Bestrebungen» im Blick, seit längerem jedoch nicht mehr. In einem früheren Lied hatte sie Gewalt gegen Polizisten besungen.
«Wenn man sich gegen Faschismus ausspricht und gegen Rassismus auf die Strasse geht, ist man nicht gleich ein Linksextremist», sagte Felix Monchi von Feine Sahne Fischfilet vor Konzertbeginn. Ohnehin gebe er nicht viel auf den Verfassungsschutz. «Das ist doch die Behörde, die den NSU mit ermöglicht hat.»
Ausgelassene Stimmung in Chemnitz. Bild: EPA/EPA
Vor dem Konzert hatte die Stadt Chemnitz zwei Kundgebungen gegen das Konzert untersagt. Die fremden- und muslimfeindliche Thügida wollte sich in unmittelbarer Nähe zum Veranstaltungsgelände unter dem Motto »Gegen antideutsche Kommerzhetze« versammeln. Begründet wurde die Absage damit, dass die Veranstaltungsfläche bereits belegt sei. Mit dem gleichen Argument wurde auch eine Kundgebung von Pro Chemnitz erneut vor dem Karl-Marx-Monument untersagt.
Im Zusammenhang mit den Protesten und Demonstrationen in Chemnitz gibt es bisher 51 Ermittlungsverfahren. In den meisten Fällen sind die Tatverdächtigen vom 26. und 27. August unbekannt, wie ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Dresden mitteilte.
Es gehe um das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen wie den Hitlergruss, Körperverletzung und versuchte gefährliche Körperverletzung, Verdacht des Landfriedensbruchs, Beleidigung sowie gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr durch Blendung der Piloten von Polizeihelikoptern mit Laser-Pointern.
Politiker, darunter Kanzlerin Angela Merkel, hatten nach den Auseinandersetzungen vor «Hetzjagden» gewarnt. Bei den Auseinandersetzungen hatte es am Montag vergangener Woche mindestens 20 Verletzte gegeben. (sda/dpa)
Es gibt ein Foto, das @feinesahne-Sänger Jan "Monchi" Gorkow in Hitlergruß-Pose zeigt. Hier ist die Entstehung im Video (Quelle: Instagram-Story) #feinesahne #wirsindmehr pic.twitter.com/cLtR2GrKhY
— Lars Wienand (@LarsWienand) 3. September 2018
Wir erhalten aktuell Hinweise auf ein Bild des Sängers von @feinesahne, dass den Straftatbestand des § 86 a StGB erfüllen soll. Erste Ermittlungen ergeben aus unserer Sicht nur einen Schluss: Das Foto ist ein Fake! #Chemnitz #c0309
— Polizei Sachsen (@PolizeiSachsen) 3. September 2018
Am Gedenkort für den getöteten Daniel H. spielen sich in den letzten Stunden skurrile Szenen ab. So ist es dazu gekommen. #Chemnitz #c0309 #wirsindmehr pic.twitter.com/LNO800rgGl
— Felix Huesmann (@felixhuesmann) 3. September 2018
Bevor @realDonaldTrump was zu den Größenverhältnissen sagt. Rechts die Rechten in Chemnitz vergangene Woche, Links Chemnitz heute #wirsindmehr #C0309 pic.twitter.com/XrjMaHsEIl
— Max Biederbeck (@beatbacknews) 3. September 2018
Polizei fordert Demonstranten auf, Bereich um Gedenkstätte um 100 Meter zu verlassen. #Chemnitz #c0309 #wirsindmehr pic.twitter.com/uEpRwt1xbM
— Felix Huesmann (@felixhuesmann) 3. September 2018
An der Gedenkstätte für Daniel H. skandieren Linksextreme Schmählieder gegen Rechte: „Ihr habt den Krieg verloren!“
— Florian Harms (@FAHarms) 3. September 2018
Würdelos und makaber.
Polizisten marschieren auf, fordern über Megafon auf, den Ort zu räumen. pic.twitter.com/eXLj1rS8fh
Aktuelle geschätzte Besucherzahl: 65.000!!!#wirsindmehr #c0309 #chemnitz@PolizeiSachsen@Kraftklub @marteria @CASPERxOFFICIAL @dietotenhosen @K_I_Z_ @sxtnura
— Stadt Chemnitz (@Stadt_Chemnitz) 3. September 2018
Kurzes Update: Es ist unfassbar voll. Mittlerweile haben wir zumindest zwischendurch wieder Handy-Netz. ;) #c0309 #chemnitz #wirsindmehr pic.twitter.com/JaNv1Ypma3
— Felix Huesmann (@felixhuesmann) 3. September 2018
Jetzt Konzert schaun. Oida, was ein geiles Ding heute in #Chemnitz. Sehr gut! 50000 Leute vor Ort und allein 80000 im livestream bei #YouTube. #wirsindmehr #c0309 https://t.co/wlnv9YFm4n pic.twitter.com/zsadI5UD2K
— Jens Röver (@JensRoever) 3. September 2018
Seltsame Stimmung am Tatort, an dem Daniel H. erstochen wurde: Nach verbalen Konfrontationen zwischen Rechten und Linken haben Berliner Bereitschaftspolizisten den Trauerkreis abgesperrt. Drinnen stille Trauer. Drumrum stehen linke Aktivisten und skandieren Parolen. #Chemnitz pic.twitter.com/Q3C8Kf5unu
— Florian Harms (@FAHarms) 3. September 2018
Das Mobilfunknetz im Bereich der Veranstaltung #wirsindmehr in #Chemnitz ist zum Teil überlastet. Bitte stellen Sie sich auf die Situation ein. #c0309
— Polizei Sachsen (@PolizeiSachsen) 3. September 2018
EHRENMENSCHEN ALLESAMT ❤️ pic.twitter.com/lSY4TBSCaZ
— KRAFTKLUB (@Kraftklub) 29. August 2018
Zehntausende an einem Montagabend irgendwo in der Republik um diese unsere Republik zu verteidigen. Liebe Politiker, diese Menschen sollten euch Vorbild sein, denn sie stehen ein für Pluralismus, Demokratie, Toleranz. #wirsindmehr #wirsindviele #c0309 pic.twitter.com/cZaAA2TMTx
— Eckensteher Nante (@NuSajaz) 3. September 2018
"When they go low, he go high"? ;) #wirsindmehr #Chemnitz #c0309 pic.twitter.com/AViAdIirPQ
— Felix Huesmann (@felixhuesmann) 3. September 2018
Wahnsinn! Danke an alle, die hier und noch unterwegs sind. #C0309 #chemnitz #wirsindmehr pic.twitter.com/dvmvAv0fSg
— Detlef Müller (@MuellerChemnitz) 3. September 2018
Erste Schätzungen zur aktuellen Teilnehmerzahl bei #wirsindmehr: 50.000 #chemnitz#c0309 @PolizeiSachsen
— Stadt Chemnitz (@Stadt_Chemnitz) 3. September 2018
Während das Konzert läuft, kommt es an der Gedenkstätte für Daniel H. zu Streitereien. #Chemnitz #c0309 #wirsindmehr pic.twitter.com/W58nng1njE
— Felix Huesmann (@felixhuesmann) 3. September 2018
Es werden immer mehr Menschen bei #wirsindmehr im #Chemnitz. Aus allen Richtungen strömen Leute dazu. Und es hört einfach nicht auf... #c0309 pic.twitter.com/seO392oX6Q
— Felix Huesmann (@felixhuesmann) 3. September 2018
Wow, das sind wirklich richtig, richtig viele Leute, die hier gerade zum #wirsindmehr Konzert kommen. Gänsehautgefühl. #c0209#chemnitz pic.twitter.com/0TOnh7ULAJ
— Raphael Thelen (@RaphaelThelen) 3. September 2018
#Chemnitz #wirsindmehr pic.twitter.com/OlTvFyS0Cg
— TITANIC (@titanic) 3. September 2018
Auch die Security des Konzertes setzt ein eindeutiges Zeichen. #Chemnitz #c0309 #wirsindmehr pic.twitter.com/1nGK84zYRr
— Felix Huesmann (@felixhuesmann) 3. September 2018
"Wir haben keine Flüchtlings-, sondern eine Humanitätskrise" #Chemnitz #c0309 pic.twitter.com/w0HkIoVmzI
— Felix Huesmann (@felixhuesmann) 3. September 2018
Gerade spricht @_C_Nazifrei bei #wirsindmehr. Der Tenor: "Die Lage ist nicht so schön, wie sie heute aussieht, sie ist beschissen!" #Chemnitz #c0309 pic.twitter.com/UMPt3FQE25
— Felix Huesmann (@felixhuesmann) 3. September 2018
"Wenn es nötig ist, setze ich mich nächste Woche wieder ins Auto und werd wieder hier her kommen und dann nochmal demonstrieren", sagt Johanna. Sie und Lena sind aus Marburg nach #Chemnitz gekommen. #wirsindmehr #c0309 pic.twitter.com/rIfVBxsCAd
— Felix Huesmann (@felixhuesmann) 3. September 2018
Aus aktuellen Anlass: Nach Rücksprache mit der Versammlungsbehörde der Stadt #Chemnitz werden heute aufgrund der konkreten Situation in der Stadt alle möglichen Spontanversammlungen untersagt! #c0309 #Chemnitz
— Polizei Sachsen (@PolizeiSachsen) 3. September 2018
Video: watson/Emily Engkent