Frau Blassnig, einige watson-Userinnen und -User fordern einen «Trump-Aus-Button». Was halten Sie von diesem Vorschlag?
Sina Blassnig: Ich kann das durchaus nachvollziehen. Es ist okay, manchmal bewusst abzuschalten, wenn es einem zu viel wird. Das geht auch mir so. Als Medienforscherin finde ich es aber auch wichtig, dass sich die Bevölkerung informiert. Und klar ist: Den zukünftigen US-Präsidenten kann man nicht einfach ignorieren.
Donald Trump ist für seine grenzüberschreitenden Aussagen bekannt. Was bezweckt er damit?
Die Kommunikationsstrategie, die dahintersteckt, bezweckt eigentlich Überforderung: «Flood the zone», wie Trumps ehemaliger Berater Steve Bannon es ausdrückte. Trump und sein Team verbreiten bewusst viel Lärm, Provokationen und Falschinformationen und überfluten damit die Medien und die Öffentlichkeit. Diese verwirrenden und problematischen Aussagen sollen ablenken und desorientieren, sodass das Gefühl entsteht, es gebe keine objektive Wahrheit mehr.
Warum funktioniert dieser Kommunikationsstil so gut?
Provokative, emotionale und polarisierende Aussagen generieren natürlich Aufmerksamkeit. Das führt sowohl in den Nachrichtenmedien als auch in den sozialen Medien zu Resonanz, Engagement, Klicks von Leserinnen und Lesern.
Ist das eine typisch populistische Strategie?
Die Überflutung an sich nicht. Trumps Kommunikation hat aber durchaus auch populistische Züge. Zum Beispiel, dass er sich als Vertreter des Volkes sieht, der vermeintlich gegen eine Elite kämpft, obwohl er natürlich selbst Teil dieser Elite ist. Ich glaube aber, es ist wichtig, hier zu unterscheiden. Denn seine Kommunikation nur populistisch zu nennen, verharmlost, wie extremistisch seine Ideen sind. Hier müssen wir klarer von Autoritarismus, Rassismus und der Idee der White Supremacy, also der rassistischen Idee der Überlegenheit von weissen Personen, sprechen.
Trump wird am Montag erneut als US-Präsident vereidigt. Wie kann eine Berichterstattung über ihn unter diesen Vorzeichen gelingen?
Es gibt kein Patentrezept. Man muss aber nicht über alles berichten. Und die Medien sollten sich stärker nach dem Kriterium richten: Ist das relevant oder ist es Lärm? Ich habe den Eindruck, dass viele von Trumps Aussagen erst dadurch Gewicht erhalten, dass darüber berichtet wird. Der Fokus sollte stärker darauf liegen, was Trump und sein Team tun und weniger darauf, was sie sagen.
Oft ist diese Unterscheidung gar nicht so einfach. Als Trump kürzlich sagte, er wolle Grönland kaufen, fragten sich selbst Expertinnen und Experten: War das nur Provokation oder eine ernstzunehmende Drohung? Wäre es nicht gefährlich, Trump nicht mehr beim Wort zu nehmen?
Das ist ein Dilemma, auf das auch die Forschung keine abschliessende Antwort hat. Wenn Medien darüber berichten, muss aber jede Aussage, auch wenn sie noch so absurd klingt, eingeordnet und nicht unkommentiert gelassen werden. Besser wäre jedoch, grenzüberschreitende Aussagen gar nicht erst wörtlich zu zitieren.
Wieso?
Weil, und das zeigt die Forschung sehr klar, Informationen kumulativ wirken. Das heisst: Je häufiger man etwas hört oder liest, desto wahrscheinlicher ist es, dass etwas hängen bleibt. Und leider auch dann, wenn eine Einordnung stattgefunden hat. Eine Auswirkung davon sind etwa ultrarechte Begriffe, die plötzlich in einem anderen Kontext auftauchen.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Kürzlich hat eine Schweizer Zeitung das Schweizer Fernsehen in einem Artikel als «Staatsfernsehen» bezeichnet. Das war nicht einmal negativ gemeint. Faktisch ist die Aussage aber einfach falsch. Die Schweiz hat kein «Staatsfernsehen», das von der Regierung gesteuert wird, sondern ein unabhängiges öffentliches Fernsehen. An diesem Beispiel zeigt sich, wie ein Begriff, den rechte politische Akteure häufig benutzen, unbewusst auch in den Sprachgebrauch von Journalistinnen und Journalisten übergeht.
Ein anderes Beispiel: Trump nutzte den Ausdruck «Fake News», um Medien herabzusetzen und zu delegitimieren. Heute ist der Begriff weitverbreitet. Wie bleibt man als Leserin oder Leser kritisch?
Wir müssen uns immer fragen: Was ist eigentlich die Idee, die dahintersteckt? Noch besser als die Richtigstellung von Falschinformationen ist allerdings Prävention, also eine differenzierte Berichterstattung. Damit Journalistinnen und Journalisten diese Leistung erbringen können, sind unabhängige Medien und genügend Ressourcen nötig.
Braucht Trump die traditionellen Medien überhaupt noch? Schliesslich hat er seine eigene Plattform und nutzt auch andere soziale Medien erfolgreich.
Natürlich wird Social Media als Informationsquelle immer wichtiger, vor allem bei jüngeren Zielgruppen. In den meisten westlichen Ländern, auch in den USA und in der Schweiz, sind die klassischen Medien aber immer noch die wichtigeren Informationskanäle, wenn es um Politik geht. Schlussendlich ist es aber ein Zusammenspiel: Politische Akteure wie Trump nutzen die sozialen Medien häufig, um mit ihren Aussagen in die klassischen Medien zu gelangen. Denn klassische Medien verleihen dem, worüber sie berichten, noch immer Glaubwürdigkeit und Legitimität, das sollte man nicht unterschätzen.
Dennoch hat die Eidgenössische Medienkommission (EMEK) am Dienstag die Meinungsmacht von Plattform-Unternehmen wie TikTok und X kritisiert und stärkere Regulierungen gefordert. Wie stehen Sie dazu?
Das erscheint mir ebenso wichtig. Die extreme Konzentration von Online-Plattformen bei einzelnen Unternehmen, wie das bei Meta mit Instagram, Facebook und WhatsApp der Fall ist, und auch die Entwicklung weg von Moderation und Faktencheck-Teams sind problematisch. Die Politik muss die Konzerne hinter den sozialen Medien stärker in die Verantwortung nehmen. Denn am Ende steht die Demokratie auf dem Spiel.
Seit Sonntag ist die Plattform TikTok in den USA nicht mehr verfügbar. Würden Sie ein Verbot in der Schweiz ebenfalls begrüssen?
Ich glaube nicht, dass ein Verbot der richtige Weg ist. Es braucht eine stärkere Regulierung, ja. Aber man darf dabei die positiven Seiten nicht vergessen. Die sozialen Medien sind ein Ort, an dem Austausch stattfindet und Menschen voneinander lernen. Mit einem Verbot würde das alles wegfallen. Ausserdem würden von einem solchen Verbot aktuell vor allem die anderen grossen Tech-Firmen wie Meta und Google profitieren. Die Konzentration würde sich damit noch verstärken.
-Zitat: «(…) finde ich es aber auch wichtig, dass sich die Bevölkerung informiert (…)»
Und genau das kann man für sich selber entscheiden. Ob es der Medienforscherin passt oder nicht.
Die Alternative davon ist, dass Löpfe und Blunschi ignoriert / ausgeblendet werden. Sind die einzigen zwei, die sich jetzt schon die Finger wund tippen.
Weniger ist manchmal mehr…
Bitte verbreitet das im Team…