Vor der Stichwahl des französischen Präsidenten überschattet ein gross angelegter Hackerangriff auf den Favoriten Emmanuel Macron das Wahlkampf-Finale. Wer hinter dem Cyberangriff steckt, blieb zunächst unklar.
Unmittelbar vor der Abstimmung an diesem Sonntag gelangten zahlreiche Dokumente seiner Mitarbeiter ins Internet. Die französische Kommission zur Kontrolle des Wahlkampfs sprach ebenfalls von einer Computer-Attacke.
Sie rief Medien und Bürger am Samstag auf, die Inhalte nicht zu verbreiten, um die Wahl nicht zu beeinträchtigen. Es seien nach aller Wahrscheinlichkeit auch Fälschungen darunter, und die Verbreitung unwahrer Informationen könne strafrechtlich verfolgt werden. Die meisten grossen französischen Medien kamen der Aufforderung am Samstag nach.
Die Zeitung «Le Monde» hatte Einblick in die Daten. Sie schreibt, es handle sich dabei hauptsächlich um E-Mails von Parteimitgliedern von «En Marche!». Die Datenmenge sei aber schlicht zu gross, um sie in so kurzer Zeit zu analysieren.
«En Marche!» sagt dazu: «Die Dokumente sind alle legal und zeugen von einer normalen Präsidentenkampagne.» Man sei nicht beunruhigt, dass etwas Illegales ans Tageslicht käme.
Mitte der Woche gab es in sozialen Netzwerken Gerüchte, dass Macron ein Konto in einem Steuerparadies habe. Le Pen spielte im einzigen TV-Duell vor der Wahl auf diese Vorwürfe an.
Ein Dokument soll nun tatsächlich auf ein Offshore-Konto des Präsidentschafts-Kandidaten hinweisen. Jedoch wird stark an dessen Echtheit gezweifelt. Es sei mit Photoshop bearbeitet worden, schreibt eine französische Journalistin.
Voici la preuve que le premier PDF partagé sur 4chan sur la rumeur "compte offshore Macron" est un Photoshop (repéré par @luxphoton) pic.twitter.com/cftt2QUI3M
— Marie Turcan (@TurcanMarie) 5. Mai 2017
Macrons Bewegung «En Marche!» kritisierte eine «massive und koordinierte» Attacke, deren Ziel eine Destabilisierung der Demokratie sei. Sie erklärte, die publizierten E-Mails, Verträge sowie andere interne Dokumente seien schon vor Wochen durch Angriffe auf E-Mail-Konten erbeutet worden.
Dass die Mails erst jetzt veröffentlicht wurden, könnte ein Hinweis sein, dass darin kein kompromittierendes Material gefunden wurde. Durch die späte Veröffentlichung könnten die Angreifer Macron Schaden zufügen, auch wenn sich die Daten später als wenig brisant oder gefälscht herausstellen würden.
Europäische und US-amerikanische IT-Experten vermuteten die Hackergruppe «APT 28» als Urheberin der Cyberattacke. Sie gilt als verlängerter Arm des russischen Militärgeheimdienstes GRU und tritt auch unter Namen wie «Pawn Storm» oder «Fancy Bear» auf.
Die Gruppe soll auch hinter Hackerangriffen auf den Parteivorstand der US-Demokraten und die Partei der deutschen Kanzlerin Angela Merkel stecken. Macrons Team hatte Russland bereits in der Vergangenheit für versuchte Cyber-Attacken verantwortlich gemacht. Russland wies solche Vorwürfe stets zurück.
Der Cyberangriff zielte offensichtlich darauf, die Wahlkampagne Macrons zu stören. Macron, dessen Konkurrentin Marine Le Pen vom Front National (FN) und weitere Politiker durften sich aber am Wahlwochenende nicht mehr zum Thema äussern.
Der FN-Vize-Chef, Florian Philippot, stellte dagegen auf Twitter die Frage: «Werden die #Macronleaks uns etwas verraten, was der Investigativjournalismus absichtlich verschwiegen hat?» Er veröffentlichte die Nachricht kurz vor Mitternacht – dem offiziellen Ende des Wahlkampfs.
Les #Macronleaks apprendront-ils des choses que le journalisme d'investigation a délibérément tues ? Effrayant ce naufrage démocratique.
— Florian Philippot (@f_philippot) 5. Mai 2017
Die Stichwahl um das Präsidentenamt ist eine der wichtigsten seit Jahrzehnten – für Frankreich und die EU. Die Franzosen müssen sich entscheiden zwischen dem pro-europäischen früheren Investmentbanker Macron, der staatliche Regulierung von Firmen beschneiden und zugleich Arbeitnehmerrechte schützen will, und der EU-skeptischen Rechtspopulistin Le Pen, die die Euro-Zone verlassen will und strikte Begrenzungen für Einwanderer fordert.
Macron geht laut letzten Umfragen vom Freitag als Favorit in die Stichwahl. Die ersten Franzosen konnten am Samstag bereits ihre Stimme abgeben: Mehrere französische Überseegebiete wählten wegen der Zeitverschiebung bereits einen Tag früher.
Der Grossteil der 47 Millionen Wahlberechtigten kann dann am Sonntag wählen. Wegen der Terrorgefahr sollen mehr als 50'000 Polizisten die Wahl zu schützen. (cma/sda/dpa/afp/reu)