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Schliesst die EU bald ihre Aussengrenzen?

epa06825730 Afghan refugee to leave for Afghanistan, at a United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR) registration center on World Refugee Day in Nowshera, on the outskirts of Peshawar, Paki ...
Die EU berät sich am 24. Juni betreffend der Asylpolitik. Einige Staaten fordern Asylzentren ausserhalb Europas. (Symbolbild)Bild: EPA/EPA

Schliesst die EU bald ihre Aussengrenzen oder kommen Soldaten zum Einsatz?

24.06.2018, 06:4024.06.2018, 07:10
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Unmittelbar von dem EU-Sondertreffen am heutigen Sonntag zur Asylpolitik kommen aus Mitgliedstaaten diverse Forderungen nach einer stärkeren Abschottung Europas. Österreichs Verteidigungsminister Mario Kunasek verlangte den Einsatz von Soldaten an der EU-Aussengrenze.

Bulgarien, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, will bei dem Spitzentreffen von 16 EU-Staaten sogar vorschlagen, die Aussengrenzen des Staatenverbundes zu schliessen und ausserhalb des EU-Gebiets sogenannte Flüchtlingszentren zu bauen.

Frankreich und Spanien fordern Zentren für ankommende Migranten «auf europäischem Boden». Dafür müsse es europäische Solidarität und sofortige finanzielle Unterstützung geben, sagte der französische Präsident Emmanuel Macron nach einem Treffen mit dem neuen spanischen Regierungschef Pedro Sanchez in Paris. Andere europäische Länder sollten dann solidarisch Migranten aufnehmen, die einen Asylanspruch hätten. Auch bei der Rückführung von Menschen in ihre Herkunftsländer sollten die Europäer zusammenarbeiten.

Deutsches Problem auf EU-Ebene

Das Treffen in Brüssel dient der Vorbereitung des EU-Gipfels Ende Juni. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel will dort für bilaterale Vereinbarungen zur Rücknahme von Asylsuchenden werben, um einen nationalen Alleingang des deutschen Innenministers Horst Seehofer bei der Zurückweisung von Flüchtlingen abzuwenden.

Innenpolitisch steht Merkel enorm unter Druck. Die CSU will Asylbewerber an der deutschen Grenze abweisen, falls diese bereits in einem anderen EU-Land registriert sind. Merkel ist dagegen, so etwas ohne Abstimmung mit den EU-Partnern zu tun, und will stattdessen eine europäische Lösung mit bilateralen Rücknahme-Vereinbarungen.

Die CSU-Spitze hat Merkel dafür bis zum EU-Gipfel am 28. und 29. Juni Zeit gegeben. Präsentiert sie bis dahin keine Lösung, will Seehofer als Innenminister gegen Merkels Willen eigenmächtig eine Abweisung an den Grenzen anordnen – ein Schritt, der zum Bruch des Unionsbündnisses und damit zum Ende der Koalition in Deutschland führen könnte.

Erwartungen tief halten

Die Erwartung an den regulären Gipfel Ende des Monats ist daher sehr hoch. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat zu dem Vorbereitungstreffen an diesem Sonntag eingeladen. Ob und inwiefern es dort schon Zwischenergebnisse geben wird, ist zwar unklar. Eine Abschlusserklärung ist laut der deutschen Regierung zudem nicht geplant.

Neben der zunächst angepeilten Gruppe aus Deutschland, Griechenland, Italien, Bulgarien, Malta, Österreich, Frankreich und Spanien sind laut EU-Kommission nun noch Belgien, die Niederlande, Dänemark, Kroatien, Slowenien, Finnland, Schweden und Luxemburg dabei. Zwölf Staaten nehmen nicht teil. Demonstrativ abgesagt hatten etwa die Visegrad-Staaten Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei.

Die Ausgangslage für das Treffen am Sonntagnachmittag ist generell schwierig. Das von Rechtspopulisten mitregierte Italien, wo viele Asylbewerber als erstes in der EU ankommen, will keine Flüchtlinge zurücknehmen. Aus anderen wichtigen Einreisestaaten wie Spanien und Griechenland sind zwar bereitwilligere Signale zu hören. Generell sind die EU-Staaten in der Asylfrage aber sehr uneins – seit Jahren.

Kreative Vorschläge

Überraschend einmütig warben vor dem Sondertreffen mehrere Regierungschefs und führende EU-Vertreter offensiv dafür, ankommende Flüchtlinge in Asylzentren ausserhalb Europas zu schaffen und dort zu versorgen – unter anderen der dänische Ministerpräsident Lars Lökke Rasmussen und Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz, ebenso EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani oder EU-Ratschef Donald Tusk. Die Idee von «Auffanglagern» für Flüchtlinge jenseits der EU steht schon länger im Raum, bekommt nun aber zunehmend Anhänger.

Immer lauter wird vor allem der Ruf nach mehr Abschottung der EU-Aussengrenzen. Österreichs Verteidigungsminister Kunasek sagte der «Welt am Sonntag», aus seiner Sicht müsse das Mandat der EU-Grenzschutzagentur Frontex so geändert werden, «dass ein Grenzschutz-Einsatz von Polizisten und Soldaten künftig möglich ist». Österreich hat von Juli bis Jahresende den EU-Ratsvorsitz inne.

Aus dem aktuellen Vorsitz-Land Bulgarien kamen ähnliche Töne: Bulgarische Medien meldeten, Ministerpräsident Boiko Borissow habe sich für «unverzügliche Massnahmen zur Schliessung der EU-Aussengrenzen und für strenge Kontrollen an den EU-Binnengrenzen» ausgesprochen. Sie zitierten Borissow ausserdem mit den Worten, Bulgarien könne wie andere Länder nicht einverstanden sein, dass Migranten in EU-Staaten zurückgeschickt würden, wo sie erstmals registriert wurden.

Eigentlich ist dies nach den EU-«Dublin»-Regeln ohnehin so vorgesehen – allerdings per geordnetem Verfahren und nicht per Zurückweisung, wie es etwa der deutsche Innenminister Seehofer nun will. (sda/dpa/vom)

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41 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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dorfne
24.06.2018 08:22registriert Februar 2017
Die EU-Aussengrenzen müssen bald militärisch geschützt werden. Wir dulden eine gewaltfreie Invasion unserer Länder. Eine militärische Invasion würden wir nicht dulden. Was von den Verantwortungslosen als Hass und Neonazitum abgetan wird, ist mMn nichts als gesunder Menschenverstand. Denn wenn der Zustrohm an ungebildeten jungen Männern aus Afrika anhält wird Europa in 20, 30 Jahren ein Drittweltkontinent sein. Auch eine Merkel und mit ihr die ganze EU betreiben genau das Gegenteil von Bekämpfung der Fluchtursachen. Lieber ehrlich sein, als dieses geheuchelte Gutmenschentum!
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Jawolaufensiedenn
24.06.2018 08:19registriert März 2017
Wenn wir nicht bald ernsthaft mit der Reparatur unseres Heimatplaneten beginnen und der gerechten Verteilung der verbleibenden Ressourcen an ALLE Menschen dieses Planeten, können wir an unseren Grenzen in 10 bis 15 Jahren mit bis zu 250 Millionen Hungernden und Leidenden rechnen. Wollen wir uns wirklich auf unsere Politiker verlassen oder endlich selber Verantwortung übernehmen?
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