Die Proteste vor dem Athener Parlamentsgebäude gegen neue Sparmassnahmen sind am Sonntagabend eskaliert. Vermummte Demonstranten warfen Brandflaschen auf Polizisten. Die Polizei setzte Tränengas und Blendgranaten ein.
Beissender Rauch machte sich auf dem Platz vor dem Parlament breit. Tausende friedliche Demonstranten ergriffen die Flucht. Später beruhigte sich die Lage wieder.
Die Proteste richteten sich gegen ein neues hartes Sparprogramm der Regierung unter Ministerpräsident Alexis Tsipras. Nach Polizeischätzungen beteiligten sich zeitweise rund 20'000 Menschen an den friedlichen Protesten. Das Parlament sollte am späten Abend über die Massnahmen abstimmen.
Tagsüber hatten in Athen und Thessaloniki nach Polizeiangaben insgesamt 15'000 Menschen gegen die Reformen demonstriert. 7000 Anhänger der Gewerkschaftsfront Pame, die der Kommunistischen Partei nahe steht, gingen in Athen auf die Strasse, 6000 waren es in Thessaloniki. Jeweils tausend Menschen folgten in beiden Städten einem Demonstrationsaufruf der Gewerkschaft des Privatsektors GSEE.
Die Gewerkschaften protestierten seit Freitag zudem mit einem landesweiten Streik. Der zunächst für 48 Stunden ausgerufene Ausstand wurde am Sonntag fortgesetzt. Vor allem der öffentliche Nahverkehr war betroffen.
Die Sparmassnahmen sind Voraussetzung für weitere Hilfen seitens der Gläubiger für das von der Pleite bedrohte Griechenland. Die Finanzminister der Eurogruppe wollen am Montag in Brüssel darüber beraten.
Im Parlament sollte am späten Sonntagabend nach einer zweitägigen zum Teil stürmisch verlaufenen Debatte ein neues hartes Sparprogramm mit Rentenkürzungen und Erhöhungen der Einkommenssteuer gebilligt werden. Das Paket hat ein Volumen von insgesamt 5.4 Milliarden Euro.
Das Parlament sollte im einzelnen über Rentenkürzungen entscheiden, mit denen 1.8 Milliarden Euro gespart werden sollen. Zudem sollen weitere 1.8 Milliarden Euro durch Steuererhöhungen in die Staatskassen fliessen. In den kommenden Wochen soll das Parlament auch über Erhöhungen der indirekten Steuern in Höhe von 1.8 Milliarden Euro entscheiden.
Arbeitsminister Giorgos Katrougalos sagte, die Rentenreform sei notwendig, «um das Überleben des Sozialversicherungssystems zu garantieren» und dem hohen Defizit in der Rentenkasse entgegenzutreten.
Regierungsabgeordnete warben für das Reformprogramm. Bereits am Vortag hatte Regierungschef Alexis Tsipras gewarnt, ohne Reformen werde Athen man bald gar keine Renten zahlen können. Die Sprecher der stärksten Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) warfen der Regierung vor, sie habe nicht den Mut statt die Renten zu kürzen, den staatlichen Bereich zu verkleinern.
Regierungsvertreter zeigten sich zuversichtlich: «Das Parlament wird das Gesetz billigen. Es wird keine Abweichler geben», sagte ein Regierungssprecher im Fernsehen. Dies bekräftigen auch mehrere Minister im Parlament. Die Regierung unter dem linken Premier Alexis Tsipras verfügt über eine knappe Mehrheit von 153 Abgeordneten im Parlament mit 300 Sitzen.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sieht das Krisenland auf einem guten Weg. «Wir sind gerade bei der ersten Überprüfung des Programmes, und die Ziele sind so gut wie erreicht», sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag). Die europäischen Finanzminister würden am Montag «erste Diskussionen darüber führen, wie man die Schulden für Griechenland langfristig tragfähig machen kann».
Vor allem der Internationale Währungsfonds (IWF) macht sich dafür stark, schnell über Schuldenerleichterungen zu verhandeln. Das Thema müsse «sofort auf den Tisch», schrieb IWF-Chefin Christine Lagarde an die 19 Eurozonen-Länder
Der IWF fordert weitere Sparanstrengungen in einem Umfang von 3.6 Milliarden Euro. Die Schritte sollen aber nur in die Tat umgesetzt werden, falls das Krisenland Budgetziele nicht erreicht.
Die Europäer unterstützten die IWF-Forderung, denn sie wollen den Weltwährungsfonds beim dritten Hilfspaket in Höhe von von bis zu 86 Milliarden Euro mit an Bord haben. Die Regierung in Athen sieht indes keine Chance, einen solchen Vorratsbeschluss durchs Parlament zu bekommen. (sda/reu/dpa)