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May gibt sich in Regierungskrise kämpferisch

May gibt sich in Regierungskrise kämpferisch  – Rätseln über Johnson

10.07.2018, 22:09
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Nach dem Beben in ihrer Regierung hat die britische Premierministerin Theresa May ihre umstrittenen Brexit-Vorschläge verteidigt und sich kampfeslustig gezeigt. Man wolle einen geordneten EU-Austritt, dabei aber Wünsche der Brexit-Wähler erfüllen, etwa nach Begrenzung des Zuzugs von EU-Bürgern.

Das sagte May am Dienstagabend in London bei einem Auftritt mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel. Die Kanzlerin begrüsste, dass May neue Pläne auf den Tisch gelegt habe. Bei der EU nimmt man Mays Ideen allerdings zurückhaltend auf.

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Vorsicht Nackenstarre: Theresa May mit Angela Merkel.Bild: EPA/BLOOMBERG POOL

Unterhändler Michel Barnier bekräftigte bekannte EU-Positionen, die Mays Plänen zum Teil widersprechen. Für die EU seien die vier Freiheiten des gemeinsamen Binnenmarkts – freier Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Freizügigkeit für Bürger – unteilbar, sagte Barnier in New York.

May hatte hingegen eine Freihandelszone nur für Waren vorgeschlagen. Bei Dienstleistungen und Freizügigkeit will Grossbritannien nach dem EU-Austritt 2019 jedoch stärker selbst bestimmen.

Merkel sagte, die 27 bleibenden EU-Länder würden sich mit Barnier gemeinsam eine Meinung bilden. Aber dass May etwas vorgelegt habe, bringe die Verhandlungen voran: «Es ist gut, dass Vorschläge auf dem Tisch sind, soviel kann ich heute schon sagen, ohne in die Details zu gehen», sagte Merkel.

Zugeständnisse an EU

Die Vorschläge gelten in Grossbritannien als Zugeständnis an die EU und hatten zu den Rücktritten der Brexit-Befürworter David Davis und Boris Johnson von ihren Ministerposten geführt. Deshalb wird mit Spannung erwartet, inwieweit sie für die EU akzeptabel sind.

Auch Barnier legte sich dazu noch nicht fest. Man werde sich in den nächsten Tagen zunächst das für Donnerstag erwartete Weissbuch anschauen, in dem May ihre Vorschläge ausführen will.

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Aussenminister Boris Johnson warf am Montag das Handtuch.Bild: EPA/EPA
«Er hat mich sehr, sehr unterstützt und war sehr nett zu mir. Vielleicht werde ich mit ihm reden, wenn ich da drüben bin.»
Donald Trump über Boris Johnson

Unterdessen wurde gerätselt, wann sich Ex-Aussenminister Boris Johnson noch einmal zu Wort meldet und ob er May erneut herausfordert.

Mit einer Misstrauensabstimmung gegen May wurde zunächst nicht mehr gerechnet. Demonstrativ postete die Premierministerin am Dienstag auf Twitter ein Gruppenfoto vom Kabinettstisch mit vielen lächelnden Gesichtern. Dass der Machtkampf noch nicht vorbei ist, wurde deutlich, als am Abend zwei Vize-Vorsitzende der Konservativen Partei, Ben Bradley und Maria Caulfield, ihre Ämter niederlegten.

Zuspruch von Trump für Johnson

Unerwarteten Zuspruch bekam Johnson von der anderen Seite des Atlantiks. US-Präsident Donald Trump bezeichnete Johnson kurz vor seiner Abreise zum Nato-Gipfel in Brüssel als Freund. «Er hat mich sehr, sehr unterstützt und war sehr nett zu mir. Vielleicht werde ich mit ihm reden, wenn ich da drüben bin.» Am Donnerstag wird Trump in Grossbritannien erwartet.

Viele glauben, dass Mays politische Zukunft nun vor allem von der Reaktion der EU auf ihre jüngsten Brexit-Pläne abhängt. Die Kräfteverhältnisse im britischen Kabinett jedenfalls scheinen sich zugunsten eines EU-freundlicheren Kurses verschoben zu haben. Der neue Aussenminister Jeremy Hunt warb vor dem Brexit-Referendum 2016 noch für den Verbleib Grossbritanniens in der EU.

epa06876780 (FILE) British Secretary of State for the Health and Social Care Jeremy Hunt departs Downing Street following a cabinet meeting in London, Britain, 03 July 2018 (reissued 09 July 2018). Je ...
Der neue Aussenminister Jeremy Hunt.Bild: EPA/EPA

Wird London seine Position weiter aufweichen? Genau das befürchteten die Brexit-Hardliner um Boris Johnson und David Davis. Die Befürworter eines harten Brexits hätten zwar wohl genug Stimmen, um ein Misstrauensvotum zu erzwingen – voraussichtlich aber nicht genug, es ohne Unterstützung auch zu gewinnen. Fraglich ist, ob sich das ändert, sollte May mit ihren Plänen in Brüssel auf Granit beissen.

Machtkampf noch nicht vorbei

Der Machtkampf ist noch nicht vorbei. Beobachter schliessen weitere Rücktritte nicht aus. Am Dienstag kamen kurzzeitig Gerüchte auf, Umweltminister Michael Gove könne seinen Abschied aus der Regierung vorbereiten.

Erfahrene Politiker warnten am Dienstag, May nicht infrage zu stellen. Sollten sie sich gegen Mays Pläne stemmen, riskierten die «Brexiteers» ein Scheitern des Brexits, mahnte der konservative Ex-Aussenminister William Hague. «In dieser Frage ein Romantiker zu sein, hat für das Land keinen praktischen Nutzen», schrieb er im «Daily Telegraph».

Der frühere Vorsitzende der Konservativen, Michael Howard, sagte der BBC, es wäre extrem dumm, ein Misstrauensvotum gegen die Premierministerin zu starten. Auch Ex-Verteidigungsminister Michael Fallon sagte, er glaube nicht an einen Misstrauensantrag. «Das ist das letzte, was wir gerade brauchen.»

«Brexit-Traum stirbt»

Boris Johnson, wichtigster Brexit-Wortführer im Kabinett, war am Montag zurückgetreten, nur Stunden nach der Rücktrittsankündigung von Brexit-Minister David Davis.

Zuvor hatte Johnson bereits sein Rücktrittsschreiben veröffentlicht. «Der Brexit-Traum stirbt, erstickt von unnötigen Selbstzweifeln», schreibt er darin. Wichtige Entscheidungen seien hinausgeschoben worden, einschliesslich der Vorbereitungen für einen Brexit ohne Abkommen. So werde Grossbritannien zu einer «Kolonie» der EU.

Der neue Aussenminister Hunt stellte sich sofort klar hinter May. «Es ist Zeit, unserer Premierministerin dabei den Rücken zu stärken, einen grossartigen Brexit-Deal zu bekommen – jetzt oder nie...», schrieb er auf Twitter.

Entzündet hatte sich der Streit an Mays Plan, Grossbritannien bei Waren und Agrarerzeugnissen auch nach dem EU-Austritt eng an den europäischen Binnenmarkt zu binden. Die anderen drei Freiheiten des Binnenmarkts - Kapital, Arbeitskräfte und Dienstleistungen – sollen beschränkt werden. Damit wollen die Briten die ungehinderte Einreise von EU-Bürgern stoppen und im wichtigen Dienstleistungssektor eigene Wege gehen. (sda/dpa)

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