2014 überrannte der «IS» die irakische Millionenstadt Mossul und erreichte den Höhepunkt seiner Macht. Jetzt hat er sein Herrschaftsgebiet verloren. Doch ein Ende der Dschihadisten bedeutet das nicht.
Syrian Democratic Forces declare total elimination of so-called caliphate and %100 territorial defeat of ISIS. On this unique day, we commemorate thousands of martyrs whose efforts made the victory possible. #SDFDefeatedISIS
— Mustafa Bali (@mustefabali) March 23, 2019
Nach monatelangen Kämpfen haben Truppen unter kurdischer Führung die letzte Bastion der Terrormiliz «Islamischer Staat» («IS») in Syrien eingenommen. Der Ort Baghus sei befreit und der militärische Sieg erzielt worden, teilte der Sprecher der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Mustafa Bali, am Samstag über Twitter mit. «Die Syrischen Demokratischen Kräfte erklären die vollständige Zerstörung des so genannten Kalifats und die territoriale Niederlage des ‹IS› zu 100 Prozent.»
Damit erreicht der Krieg gegen den «IS» in Syrien und im Irak nach fast fünf Jahren sein vorläufiges Ende. Die Extremisten hatten im Sommer 2014 den Höhepunkt ihrer Macht erreicht, als sie die nordirakische Millionenstadt Mossul überrennen konnten. Kurz darauf rief die Terrormiliz ein «Kalifat» unter Führung von «IS»-Chef Abu Bakr al-Bagdadi aus, der sich in einer Moschee Mossuls bei einer Freitagspredigt das bisher einzige Mal öffentlich zeigte.
Die Dschihadisten kontrollierten damals eine riesige Region, die sich über grosse Teile Syriens und des Iraks erstreckte. Mit dem Beginn der internationalen Militärintervention unter US-Führung verlor der «IS» sein Herrschaftsgebiet jedoch nach und nach. Mit Unterstützung aus der Luft brachten es lokale Bodentruppen unter ihre Kontrolle.
The operation to destroy the last vestiges of the Islamic State group's proto-state has nearly ended, but victory will be declared only after the last jihadists have been flushed out of their hideouts https://t.co/6IaHWJ8YMR pic.twitter.com/c8CF8HasAn
— AFP news agency (@AFP) March 22, 2019
Im Sommer 2017 konnte die irakische Armee Mossul nach monatelangen heftigen Kämpfen vollständig befreien. Im Herbst desselben Jahres verloren die Dschihadisten die nordsyrische Stadt Al-Rakka, die inoffizielle Hauptstadt des «IS». Ende 2017 erklärte der Irak den militärischen Sieg über die Terrormiliz. Zurück bleiben zerstörte Städte und Regionen, deren Wiederaufbau Milliarden kosten wird.
In Baghus nahe der Grenze zum Irak waren bis zuletzt noch «IS»-Anhänger auf engstem Raum am Ufer des Euphrat-Flusses in einem Zeltlager eingeschlossen, wo sie sich in Gräben und Tunnel eingegraben hatten. Bis zum Schluss leisteten sie Widerstand. Auch «IS»-Chef Abu Bakr al-Bagdadi soll Medienberichten zufolge in Baghus gewesen, vor Beginn der kurdischen Offensive aber in die umliegenden Wüstengebiete geflohen sein.
In den vergangenen Wochen hatten Tausende «IS»-Kämpfer aufgegeben und sich den SDF-Truppen gestellt. Sie wurden in Gefangenenlager gebracht und verhört. Auch Zehntausende Zivilisten, darunter Angehörige der «IS»-Kämpfer, verliessen den Ort. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte warf den Extremisten vor, Zivilisten als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen.
Mit dem Sieg über den «IS» wird auch ein baldiger Abzug der US-Truppen aus Syrien wahrscheinlicher, den US-Präsident Donald Trump im Dezember angekündigt hatte. Allerdings soll nach letzten Plänen des Weissen Hauses noch ein Truppenkontingent im Land bleiben.
Die Abzugspläne Amerikas haben international massive Kritik ausgelöst. Militärs und Beobachter warnen, der «IS» sei trotz der Niederlage noch nicht besiegt und könne wieder erstarken. In einem vor einigen Wochen vom Pentagon veröffentlichten Bericht heisst es, der «IS» bleibe aktiv und könne in sechs bis zwölf Monaten wieder aufleben.
Bei einem US-Abzug droht auch ein Angriff der Türkei auf die Kurdenmiliz YPG, die die SDF anführt. Die Regierung in Ankara sieht in der Miliz einen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und hat sie als Terrororganisation eingestuft. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat einen Offensive gegen die YPG angekündigt.
Die Kurden kontrollieren in Nordsyrien ein grosses Gebiet an der Grenze zur Türkei und haben dort eine Selbstverwaltung errichtet. Die YPG ist der wichtigste Verbündete der USA in Syrien. Unter Führung der Miliz konnten die SDF die grössten Teile des «IS»-Gebietes in dem Bürgerkriegsland einnehmen, darunter wichtige Ölquellen. (sda/dpa)