In der Filmwelt ist es der Oscar, im Journalismus der Pulitzer-Preis: Dieses Jahr feiert die Auszeichung für guten Journalismus das 100-Jahre-Jubiläum. Das turbulente Jahr 2015 hat viele Reporter auf eine harte Probe gestellt. Die mit dem Pulitzer-Preis geehrten Arbeiten zeigen, wie wichtig guter Journalismus in einer komplexer werdenden Welt bleibt. Es sind packende Geschichten, die aufdecken, einordnen und erzählen.
100 Jahre später hat sich so manches geändert. «Am Anfang wurden die Gewinner per Post und später per Telegramm benachrichtigt», sagt Mike Pride, als er im World Room der renommierten Columbia-Universität ans Rednerpult tritt.
Heute werden seine Worte live im Internet übertragen, auf Youtube, auf Facebook. Die Pulitzer-Preise, die erstmals vor 100 Jahren verliehen wurden, sind im digitalen Jetzt angekommen.
Alte Grundsätze bei der Bewertung journalistischer Arbeit hat die Jury deshalb nicht über Bord geworfen. Wieder sind es beeindruckende Stücke, die sich in den 14 journalistischen Sparten dieses Jahr gegen die Konkurrenz durchgesetzt haben.
Allen voran die 18 Monate lange Recherche der Nachrichtenagentur AP, die Licht ins Dunkel der von Sklavenarbeit durchwachsenen Fischerei-Industrie in Südostasien brachte. Die Reporter versteckten sich in Myanmar tagelang auf der Ladefläche eines Lastwagens und schmuggelten eine Kamera auf ein Schiff, um mehr über die gnadenlose Ausbeutung der bitterarmen Arbeiter zu erfahren.
Wieder sind es die ganz grossen US-Blätter, die Preise absahnen. Die «Washington Post» etwa, die mit einer Datenbank zeigt, wie häufig und warum Polizisten in den USA auf Menschen schiessen und wer die Opfer sind.
Oder die «New York Times»-Journalistin Alissa Rubin, die die tägliche Gewalt gegen Frauen in Afghanistan schildert, wo eine 27-Jährige im März von einem Mob geschlagen, durch die Strasse gezerrt und dann verbrannt wurde. Auch Journalisten der «Los Angeles Times» und der Zeitung «Boston Globe» sind unter den Gewinnern.
Mit der unabhängigen Institution ProPublica und dem Marshall Project, das sich für Journalismus zum Strafrechtssystem stark macht, sind aber auch weniger berühmte Häuser dabei. Christian Miller und Ken Armstrong haben für eine umfassende Reportage aufgedeckt, wie die Polizei bei der Aufarbeitung von Vergewaltigungen versagt und welche traumatischen Folgen das für die Opfer hat.
Auch die «Tampa Bay Times» ist ausserhalb von Florida nicht jedem geläufig. Sie geht mit einem Projekt zur Gewalt in Floridas psychiatrischen Kliniken und einem zu schlechten Schulen in dem Bundesstaat mit zwei Preisen nach Hause.
«Das Spektrum grosser Nachrichten in der Welt war durch die Geschichten in der Endrunde gut abgedeckt», sagt Mike Pride. «Zu den wichtigen journalistischen Herausforderungen wurde einige sehr, sehr gute Arbeit gemacht.»
Schon in der Vorauswahl dürfte das Durchsieben von rund 1200 eingereichten Arbeiten kein Leichtes gewesen sein. Jeden Frühling versammeln sich 77 Redaktoren, Verleger, Schreiber und Lehrkräfte, um in jeder Sparte aus drei Finalisten mehrheitlich einen Gewinner zu bestimmen.
Für Gesprächsstoff sorgt dieses Mal vor allem ein Name: Emily Nussbaum. Die TV-Kritikerin des «New Yorker» sahnte den mit 10'000 Dollar dotierten Preis in der Sparte für Kritik ab – nur ein Jahr, nachdem Mary McNamara von der «Los Angeles Times» in derselben Kategorie gewonnen hatte.
Gute, von Frauen verfasste Texte über Fernsehen würden zu einer Zeit gewürdigt, in der dort auch weibliche Charaktere und Künstler auf dem Vormarsch seien, schreibt die «Washington Post». Und das in einem Medium, das sein neues goldenes Zeitalter mit Serien wie «Mad Men», «Breaking Bad», «The Wire» und «Deadwood» feiert, die besondere Geschichten von Männern erzählen. (whr/sda/dpa)