7 Gründe, die dir beweisen: Es wäre der grösste Fehler, die Oscars 2017 zu unterschätzen
1. Trümmlig, trunken, Trump
Die «New York Times» ruft unter dem Hashtag #OscarsSoOrange zu einer nationalen Leber-Kollaps-Nacht auf. Beziehungsweise zu einem Trinkspiel. Pro Trump-Erwähnung ein Shot. Also schätzungsweise tausend. Weil dies die politischste Oscarnacht aller bisherigen Zeiten wird. Aber bevor wir uns kollektiv ins Verderben stürzen, betrachten wir mal ein paar der Favoriten aus Trumps Perspektive:
- «La La Land»: Weisser zeigt Schwarzen, wie Jazz geht. Makes Jazz great again. Fantastic.
- «Moonlight»: Schwarzer Junge mit cracksüchtiger Mutter wird von väterlichem Drogendealer aufgepäppelt und schwul. So wrong.
- «Hidden Figures»: Mit hillarymässiger Entschlossenheit schaffen es drei afroamerikanische Mathematikerinnen in den 60ern an die Spitze des NASA-Forschungsteams. Wahre Geschichte. Stupid, fake news.
- «Arrival»: Sensible und smarte Linguistin findet einen Weg, um gewaltfrei mit Aliens zu kommunizieren. So bad.
- «Manchester by the Sea»: Hausmeister ist zu ungeschickt zum Leben, Familie weg, Geld war eh nie da, am besten gehts ihm auf einem Fischerboot. Sad. Obama's fault.
Sie kämpfen um den Oscar für den besten Film
London protestiert am deutlichsten
Der iranische Regisseur und Oscarpreisträger Asghar Farhadi ist mit «The Salesman» in der Kategorie «bester fremdsprachiger Film» nominiert. Wäre Trumps Einreisesperre noch in Kraft, dürfte Farhadi nicht zur Oscar-Verleihung fahren. Er weigert sich deshalb, nach Los Angeles zu reisen.
Londons Bürgermeister Sadiq Khan lädt nun am 26. Februar rund 10'000 Londoner zu einer Gratis-Open-Air-Vorstellung von «The Salesman» an den Trafalger Square ein. «Die Londoner waren schon immer stolz auf ihre Weltoffenheit», sagt Sadiq, «was gibt es da Besseres, als diesen starken Film auf einem der berühmtesten Plätze der Welt gemeinsam anzuschauen.»
2. Die Schweizer Chancen
Wir haben genau zwei: auf den besten Animations- und den besten Kurzfilm. Bleiben wir zweckpessimistisch. Wir schaffen das nicht. Der Kurzfilm über Jane Birkins Liebe zu einem unsichtbaren Zugführer («La femme et le TGV») ist zu idyllisch, das Zucchini-Melodram («Ma vie de Courgette») aus der Romandie bei aller Liebe zu simpel.
3. #OscarsNotSoWhite!
Endlich! All die Jahre der Frustration sind vorbei (es sei denn «La La Land» räumt schon wieder alles ab)! Jetzt schlägt die Stunde von «Moonlight», diesem klugen, unsentimentalen Film über die erste Liebe eines etwas zu zart geratenen Ghetto-Kids, das zwar zum starken Mann mutiert, innen drin jedoch bedürftig, weich und über Jahre rührend treu bleibt. Es dürfte auch die Stunde von Viola Davis (TV-Zuschauer kennen sie aus «How to Get Away with Murder») und von «Slumdog Millionaire» Dev Patel werden.
Dies sind die wichtigsten #OscarsNotSoWhite-Kandidaten
4. Der Moderator
Wären Jimmy Kimmels Ururgrosseltern väterlicherseits nicht nach Amerika ausgewandert, so wäre er heute ein Deutscher namens Hans Kümmel. Die Familie seiner Mutter kommt aus Italien. Seine berühmteste Ex-Freundin ist die Komikerin Sarah Silverman. Sein liebster Freund und Feind: Matt Damon. In seiner Late-Night-Show «Jimmy Kimmel Live!» gibt es unzählige Nummern wie «Matt und Jimmy bei der Paartherapie» oder «Wer ist der Vater?». Seit elf Jahren.
Der Höhepunkt ihrer lustigen Hassliebe war 2009. Da schlief Matt Damon mit Sarah Silverman und Jimmy Kimmel mit Ben Affleck. Oder so ähnlich:
2013 sorgte er für einen Skandal. In einer Kindersendung fragte er, wie Amerika seine Schulden bewältigen könne. «Indem wir alle Chinesen töten», sagte eins der Kinder. «Sollen wir Chinesen überhaupt erlauben zu leben?», fragte Jimmy. Die Kacke dampfte. Aber sie verdampfte auch recht schnell.
5. Wer schaut sich das an?
- In den USA haben bis jetzt 55,3 Prozent der Bevölkerung keinen einzigen der Filme gesehen, die als «Best Picture» nominiert sind.
- Von den 44,7 Prozent, die im Kino waren, wollen 13 Prozent, dass «La La Land» gewinnt, dicht gefolgt von «Hidden Figures» (drei schwarze Frauen retten die NASA) und «Hacksaw Ridge» (ein Amerikaner kämpft ohne Waffe im Zweiten Weltkrieg) mit je 11 Prozent.
- 2015 schauten weltweit 65, 25 Millionen die Oscars, davon 37, 3 Millionen in den USA.
- 2015 schauten dreimal mehr Amerikaner den Super Bowl als die Oscars.
- 2016 holte der ganze Zirkus um Leonardo DiCaprios ersten Oscar wider Erwarten 6 Prozent weniger Zuschauer vor den TV als 2015.
- 2017 erwartet das Publikum nicht nur eine Preisverleihung, sondern eine Protestveranstaltung. Die Einschaltquoten dürften explodieren.
Diese Oscar-Kandidaten haben auch in der Schweiz viele ins Kino gelockt:
- «La La Land»: Ca. 200'000.
- «Ma vie de Courgette»: Über 100'000.
- «Arrival»: 55'000.
- «Manchester by the Sea»: 23'500.
- «Hell or High Water»: 23'000.
- «Hidden Figures»: 22'000.
6. Das Affleck-Problem
Einer von den Affleck-Brothers macht immer Probleme. Zuerst geht Ben mit der Nanny fremd und vertreibt die gute Jennifer Garner von seiner Seite. Dann kommen zwei Frauen und sagen, Casey hätte sie 2010 bei Dreharbeiten sexuell belästigt. Nicht missbraucht, aber sich zu ihnen ins Bett geschlichen (beide Seiten waren dabei schwer betrunken), ihnen seinen Penis gezeigt und mit seinen Eroberungen angegeben.
Casey zahlte, seither schweigen die Frauen, Casey gewinnt gerade mit «Manchester by the Sea» einen Award um den andern und ziemlich sicher auch seinen Oscar. Der «Guardian» fragte sich, wieso er nicht mehr geächtet wird. Erstens, weil er kein Vergewaltiger sei.
Zweitens, weil Bruder Ben und Kindheitsfreund Matt Damon, die 2017 selbst keine Filme in irgendeinem Award-Rennen haben, sich zu seinen Kampagnenchefs ernannt haben und gemeinsam sämtliche Jurys der Saison für Casey einnehmen. Und das heisst vor allem eins, besonders in Bezug auf die überalterten Teile der Oscar-Jury: Altersheimbesuche. Viele, viele Altersheimbesuche. So macht man Ruhm.
7. Wie setzt sich die Academy 2017 zusammen?
Bis 2016 war die Academy glattweg zum Verzweifeln alt (im Schnitt 63 Jahre), männlich (zu 76 Prozent) und weiss (94 Prozent). Chris Rock begrüsste uns deshalb zu den «White People's Choice Awards».
Im Juni 2016 fand jedoch der grosse Wandel statt: Die Academy wurde um 683 Mitglieder auf rund 7000 aufgestockt. Von diesen 683 sind 46 Prozent Frauen und 41 Prozent nicht weiss. Zu den neuen gehören Namen wie Mahershala Ali, America Ferrera, Gabrielle Union, «True Detective»-Regisseur Cary Fukunaga oder der Musiker Will.i.am.
Jedes neue Academy-Mitglied brauchte zwei Götti oder Gotten aus der bestehenden Academy und musste an mindestens drei Filmen innerhalb von zehn Jahren mitgewirkt haben. Das Resultat: In den beiden Kategorien «bester Film» und «beste Regie» findet sich keine einzige Regisseurin. Und why the fuck wurde Amy Adams für «Arrival» nicht als beste Hauptdarstellerin nominiert? Ist ihre Rolle nicht eine spektakuläre Weiterentwicklung der Ellen Ripley aus «Alien»? Aber keine Liste ist perfekt. Nie.
Und was macht watson?
Anna Rothenfluh und Simone Meier versuchen, euch in der Nacht auf Montag ab 00:30 Uhr das Gefühl zu geben, so richtig dabei zu sein. Aus Simones Wohnzimmer. Anna hat sich dies zur Verpflegung gewünscht:
Selbstverständlich wird sie es bekommen. Ziemlich sicher braucht sie in dieser Nacht auch ein Red Bull. Simone wird keine Kraft haben, sie davon abzuhalten. Und was dann passiert ...
