Jetzt liegt es also da, das Kartenhaus. In sich zusammengesunken, verregnet, und dann hat auch noch ein Hund draufgepisst. Der Regen heisst Realität. Der Hund: Donald Trump. Die Lackschicht beginnt sich von den Karten zu lösen, der König und die Königin sind verzerrte Schemen auf schlaffem Papier. Ihre Namen: Francis und Claire Underwood, dargestellt von Kevin Spacey und Robin Wright.
Ihr Job: Netflix-Serienbösewichte mit Stil und bisher brillantestes, weil intrigantestes Herrscherpaar im Weissen Haus. In der Fiktion jedenfalls. Jetzt sind sie an der weit besseren Unterhaltung der Realität gescheitert. Schon nach nur zwei Folgen der fünften Staffel von «House of Cards» will man die Serie nie wieder schauen. Okay, eigentlich war schon die erste Folge genug.
Es war verdächtig ruhig gewesen im Vorfeld dieser neuen Staffel des einstigen Prestige-Projekts von Netflix. Der Anbieter hatte seine PR-Energie in das Teen-Drama «13 Reasons Why» gesteckt und zehrte noch vom Riesenerfolg von «The Crown» und «Stranger Things».
Frank und Claire wirken wie zwei in die Jahre gekommene Shakespeare-Darsteller, die zu oft «Macbeth» spielen mussten. Und wenn sie jetzt wieder angestrengt versuchen, alternative Fakten zu schaffen, denkt man sich müde: Okay, Geschirr waschen wär jetzt auch ne Alternative. (Die Kritikerin der Online-Plattform «Salon» hat es wiederholt getan, um zu schauen, ob sie was verpasste und kam zum klaren Schluss: nein. Allerdings schwört sie auch, dass die letzten drei Folgen richtig Spass machen. Bloss: Wie hält man so lange durch?)
Sassen die Underwoods früher auch schon so endlos lange vor ihrem Washingtoner Wohnzimmerfenster? Wahrscheinlich schon. Aber wie viel unterhaltsamer wäre der Blick ins Wohnzimmer von Donald und Melania! Wie viel perverser muss deren Ehe sein! Und waren die Kommentare, die Kevin Spacey an die Zuschauer richtet, schon immer so katastrophal hölzern und künstlich?
Oder kann der Stab der Underwoods irgendwie mit dem von Trump mithalten? Claires Beraterin Leann Harvey (Neve Campbell) mit dem verdrehten Irrsinn einer Kellyanne Conway? Pressesprecher Seth Grayson (Derek Cecil) mit dem vernunftbefreiten Sean Spicer? Und so weiter. «Früher gab es viel mehr Etikette. Und jetzt? Wird in den Wind gepisst», sagt Robin Wright zum Kulturwandel in Washington.
Mit dem Unterschied, dass Pilcher-Verfilmungen einigermassen teuer gemacht sind und «House of Cards» nicht. Das rächt sich jetzt. Plötzlich wird überdeutlich, wie wenig Schauplätze es eigentlich gibt. Dass der Grossteil der Serie in schlicht gefilmten Dialogen besteht. Bloss fiel das früher nicht auf. Weil die Dialoge so monströs durchtrieben waren.
Aber hätte man denn «House of Cards», so, wie die Serie angelegt war, überhaupt retten können? Unter Trump nicht. Unter Clinton wäre sie geblieben, was sie unter Obama schon war: der diabolische Gegenpol zu Washington. Jetzt ist sie sein matter Schatten. Und nun geh'n wir weinen.