Bei Ermittlungen gegen Seenotretter von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer ist nun auch der katholische Priester Mussie Zerai ins Visier der italienischen Justiz gerückt. Italienischen Medienberichten zufolge hat die Staatsanwaltschaft der sizilianischen Stadt Trapani Ermittlungen gegen den Gläubigen aufgenommen. Ihm wird «Beihilfe zu illegaler Einwanderung» vorgeworfen.
Der Welt bekannt ist Mussie Zerai als der eritreische Priester, dessen Handy bis zu 400-mal pro Woche klingelt. Am anderen Ende der Leitung sind Flüchtlinge, die in Seenot geraten sind. Mussie Zerai versucht dann jeweils herauszufinden, wo genau sie sich befinden. Danach alarmiert er die italienische und maltesische Küstenwache. Seine Handynummer wurde in den vergangenen Jahren so etwas wie ein Notruftelefon. Sein Kontakt wird unter den Flüchtlingen weitergegeben.
Seine Rettungstätigkeiten orchestriert er von der Schweiz aus. Hier lebt der 42-Jährige seit sechs Jahren und arbeitet als katholischer Priester und Seelsorger. Doch jetzt hat er wegen seines Engagements die Justiz am Hals.
Er habe Anfang Woche von den Ermittlungen gegen ihn erfahren, zitiert ihn die Zeitung La Repubblica. Die Anschuldigungen weist er zurück. Er helfe Menschen, die vor Krieg, Gewalt und Folter auf der Flucht seien. «Das ist meine Aufgabe als Mensch und Priester. Was für ein Verbrechen soll das sein?»
Die italienische Staatsanwaltschaft wirft Mussie Zerai vor, in einem «geheimen» WhatsApp-Chat in Kontakt mit den Seenotrettungsschiffen vor Ort zu sein. Diese habe er jeweils über den Aufenthaltsort von Flüchtlingen in Seenot informiert.
Auf den Namen von Mussie Zerai sei die Staatsanwaltschaft gestossen, nachdem sie ihre Ermittlungen gegen die Hilfsorganisation «Jugend rettet» eröffnet hatte. Über Abhöraktionen seien die Beamten auf den WhatsApp-Chat gestossen.
Er leite die Hilferufe von Menschen in Seenot immer zuerst an die Seenotrettungszentrale in Italien und Malta weiter, sagt Mussie Zerai. Zudem stehe er in Kontakt mit Nichtregierungsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen, Sea Watch, Moas oder dem UNHCR. Mit der deutschen Hilfsorganisation «Jugend rettet» habe er aber nie zu tun gehabt, sagt er. Auch nicht sei er in einem geheimen WhatsApp-Chat.
Die Anschuldigungen gegen ihn sieht der Priester als Teil einer Kampagne gegen die Seenotrettung von Flüchtlingen. «Es gibt da eine Hexenjagd. Die Solidarität für Flüchtlinge und Vertriebene wird kriminalisiert», sagte er dem «Corriere della Sera».
Für sein humanitäres Engagement wurde Mussie Zerai 2015 für den Friedensnobelpreis nominiert. Das Time Magazine listete ihn 2016 unter den «100 einflussreichsten Menschen der Welt» auf.