Der Countdown im Katalonien-Konflikt läuft. Am Montagmorgen um 10 Uhr läuft das Ultimatum des spanischen Regierungschefs Rajoy ab. Bis dahin soll Katalanen-Führer Carles Puigdemont klarstellen, ob er bei seiner Rede vergangene Woche nun die Unabhängigkeit ausgerufen hat oder nicht.
Sollte Puigdemont mit «Ja» antworten, hat er nach dem zweiten Teil des Ultimatums bis Donnerstag – ebenfalls bis 10.00 Uhr – Zeit, die Unabhängigkeitsbestrebungen faktisch abzubrechen und zur Legalität zurückkehren. Der 54 Jahre alte liberale Politiker liess bis zuletzt nicht durchblicken, welche Antwort er geben wird. Er sagte am Sonntag aber, er werde bei seiner Entscheidung die Verpflichtung seiner Regierung zu Frieden und Demokratie garantieren.
Der Regierungschef Kataloniens wünscht offenbar, dass sich die Schweiz einschaltet. Die Schweiz habe eine lange und erfolgreiche Tradition als internationale Vermittlerin. «Katalonien ist entschieden und aufrichtig zum Dialog mit Madrid gewillt, falls die Schweizer Regierung einer Mediation zustimmt», sagt er im Blick.
Das Aussendepartement EDA weibelt hinter den Kulissen offenbar seit Tagen für Gespräche zwischen den zerstrittenen Konfliktparteien. Man sei bereit, «eine Plattform für den Dialog» zwischen der spanischen Regierung und den katalanischen Behörden einzurichten, so das EDA zur Zeitung weiter.
Im Fall einer Abspaltung droht Madrid mit «harten Massnahmen». In seinem schriftlichen Ultimatum erwähnt Ministerpräsident Mariano Rajoy den Artikel 155 der Verfassung. Dieser ermöglicht unter anderem die Entmachtung der Führung jeder der 17 Autonomen Gemeinschaften des EU-Landes, die die Verfassung missachtet.
Innenminister Juan Ignacio Zoido warnte Puigdemont am Wochenende, Madrid werde keine ausweichende oder zweideutige Antwort akzeptieren. Zulässig sei nur «ein Ja oder ein Nein». Falls keine eindeutige Antwort komme, werde man «davon ausgehen, dass die Unabhängigkeit erklärt worden ist».
Medien berichteten, Puigdemont habe wegen der geringen internationalen Unterstützung einer Abspaltung Kataloniens und wegen der Abwanderung von Firmen Zweifel bekommen, ob er die Unabhängigkeit ausrufen solle. Der Katalane forderte Madrid mehrfach zum Dialog auf. Zugleich riefen linksgerichtete Vertreter der katalanischen Regionalregierung Puigdemont auf, trotz aller Warnungen die Abspaltung von Spanien konsequent zu Ende zu führen.
Barcelona hatte am 1. Oktober gegen den Willen Madrids und trotz eines Verbots durch das Verfassungsgericht ein «verbindliches Referendum» über die Unabhängigkeit abgehalten. Rund 90 Prozent stimmten für eine Abspaltung von Spanien. Die Wahlbeteiligung lag allerdings nur bei etwas mehr als 40 Prozent. (amü/sda/dpa)