Donald Trumps Amtsantritt als US-Präsident wird von Kommentatoren im In- und Ausland als Beginn einer neuen «Epoche» oder gar «Revolution» bewertet. Angesichts Trumps nach wie vor vagem Programm sprechen manche von einem «Experiment». Eine Auswahl der Pressestimmen:
«Macht Trump seine Ankündigungen wahr und nimmt Kurs auf eine Selbstisolation, wird er Amerika nicht ‹wieder gross› machen, sondern schwächen. Die Folgen wird die ganze Welt spüren, mit höherer Krisenanfälligkeit und zunehmenden regionalen Machtproben. So weit muss es nicht kommen. Wie lange Trumps Fans ihre Freude daran haben werden, dass einmal ein Nichtpolitiker gehörig Staub aufwirbelt und lustvoll gegen alle Konventionen verstösst, bleibt abzuwarten. Sicher ist nur, dass die Geschicke Amerikas nun von einem Mann gelenkt werden, wie er in dieser Art an der Spitze der USA völlig neu ist. Mit seiner Wahl haben sich die Amerikaner auf ein riskantes Experiment eingelassen – ein Experiment, dessen Scheitern sie teuer bezahlen könnten.»
«Was Uber für die Taxi-Branche und Airbnb für den Tourismus sind, könnte Trump für die Weltpolitik werden: ein disruptiver Präsident, der bewährte Strukturen rücksichtslos zerstört. Auch gesellschaftlich: Intellektuelle gelten plötzlich als elitär, Kritiker als Verräter, Anständige als schwach. Es scheint, als habe am 20. Januar 2017 eine neue Epoche begonnen. Die Folge wäre die Rückkehr in eine hobbessche Welt, geprägt von Unsicherheit für Kleinstaaten und Machtkämpfen zwischen den Grossmächten.»
«Gut, fängt Donald Trump heute endlich an und muss nun Taten statt Worte liefern. Jetzt muss er zeigen, ob Exzentrik eine Strategie ist. Ob er, über ein brachiales Kosten-Nutzen-Prinzip hinaus, überhaupt eine Strategie hat. Ob sich eine Weltmacht wie eine Firma führen lässt. Ob man mit Wladimir Putin befreundet sein kann. Ob sich die Mexikaner überreden lassen, für die USA eine Mauer zu bezahlen. Und wie lange es noch möglich ist, den Klimawandel hartnäckig zu leugnen. Einige Befürchtungen über Trump werden sich wohl bewahrheiten. Aber die Welt liegt Trump nicht wehrlos zu Füssen und lässt sich von ihm alles gefallen. Wenn Trump ab heute agiert, werden andere auf ihn reagieren.»
«Am Freitag ist Donald J. Trump als 45. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt worden. Viele fürchten sich und warnen vor Krieg und Untergang. Warum Trump gewählt worden ist, werden Historiker noch in fünfzig Jahren mit Interesse untersuchen, denn was wir erlebt haben – und wohl noch erleben –, ist nichts weniger als eine Revolution. Ob sie gut herauskommt oder schlecht, steht derzeit in den Sternen. Ich kann nicht in Trumps Kopf blicken. Erste Anzeichen aber stimmen zuversichtlich: Trumps Kabinett ist vielleicht eines der vielversprechendsten, das Amerika je gesehen hat.»
«Nationalistisch und dünn ist Trumps Botschaft: Zwei Regeln genügen ihm, um die USA wieder stolz, reich und stark zu machen: Kauft US-Produkte, stellt Amerikaner ein. Damit spricht er zwar jene an, die ihn wählten. Die glauben, mexikanische und chinesische zerstörten den amerikanischen Traum. Gleichzeitig warnt er die Welt: Die USA schauen fortan für sich. Und damit erklärt Präsident Trump der Welt den Handelskrieg. Ein solcher aber, das lehrt die Geschichte, führt zu hoher Arbeitslosigkeit und tiefem Wachstum. Stellen nicht mehr Chinesen und Mexikaner die Fernseher her, kosten sie in den USA einfach das Zehnfache. Tumulte wären Trump sicher – von den eigenen Wählern.»
«Die Ära Trump hat also begonnen. Gut möglich, dass es besser herauskommt, als viele befürchten. Zunächst hat 'The Donald' zum Glück auch fähige Männer in sein Kabinett gewählt. (...) Die Schweiz muss ein besonderes Auge auf die Entwicklungen haben. Sie profitiert wie kaum ein anderes Land von der Globalisierung. Der Schweizer Franken wird in so einem Umfeld noch lange als sicherer Hafen für die ganze Welt dienen. Wir sind nicht zuletzt mit unseren starken, international tätigen Konzernen abhängig von den Entwicklungen in den USA. Es kann uns deshalb nicht egal sein, was dort passiert.»
«Donald Trumps Vision bestand aus einer Beleidigung und einem einzigen, in chauvinistischem Nationalismus getränkten Satz: »America first.« (...) Er erklärte seine Gegner zu Feinden des Landes und den Rest der Welt zu Feinden Amerikas. Kein gutes Wort über seinen Vorgänger, kein Wort über seine Gegnerin im Wahlkampf. Trump sucht die Gegnerschaft, ja die Feindschaft. Das muss allen klar sein, die künftig mit ihm Politik machen müssen, ob in Washington oder Berlin.»
«Viele Amerikaner halten den Nachfolger Barack Obamas für gefährlich, während die halbe Welt das ungute Gefühl hat, dass fortan im Weissen Haus der Geist einer ruppigen Unberechenbarkeit und eines unsentimentalen Nationalismus herrschen wird. Dieses Gefühl haben Trumps Ausführungen zur Amtseinführung noch verstärkt. (...) Europa und somit auch Deutschland sollten den Amtsantritt des Donald Trump als Weckruf verstehen: Es wird jetzt mehr denn je auch auf sie ankommen, auf ihre Leistungsfähigkeit und ihre Verantwortungsbereitschaft, damit der Westen den Stürmen der Gegenwart standhält. Aber Amerika unter Donald Trump – das wird ein anderes Amerika sein.»
«Niemand sollte jedoch den neuen Mann im Weissen Haus unterschätzen. Diesen Fehler haben seine Gegner schon im Wahlkampf begangen. Amerika und die Welt stehen vor einem tief greifenden Richtungswechsel. Nach seiner Angelobung präsentierte sich Trump als Populist in Chief, als Anti-Politiker. Er hielt eine Brandrede gegen das Establishment, als ob er spätestens seit seiner Inauguration nicht selbst ein Teil davon wäre. Dieser demagogische Politikstil, der ohnehin schon halb Europa erfasst hat, wird nun wohl noch weitere Kreise ziehen.»
Der britische «Guardian» überschreibt seinen Kommentar zu Trumps Amtseinführung mit dem Titel «Eine politische Kriegserklärung»: «Die präsidiale Stabübergabe ging mit allen gewohnten Höflichkeiten vonstatten, doch der Ton der Trump-Rede markierte einen beängstigenden Wandel in Amerika».
Die «Times» schreibt: «Mr. Trump hat eine Rede für ein Land am Abgrund gehalten. Es war absurd übertrieben, beinahe dumm. Nahezulegen, Amerika sei inmitten eines »Blutbads« war eine Beleidigung für die Intelligenz des Publikums».
«Donald Trump hat die Demokratie untergraben, sobald er als Präsident vereidigt war. Die Menschen haben Politiker immer als selbstsüchtig angesehen, aber das ist etwas anderes. Trump hat nicht nur einzelne Politiker demontiert, sondern die komplette politische Klasse und das politische System, das ihn dorthin gebracht hat, wo er ist.»
«Donald Trump hat die US-Präsidentschaftswahl gewonnen, indem er Amerika als von innerer und äusserer Gefahr bedrohte Nation dargestellt hat. In seiner ersten Amtshandlung als Präsident – seiner Antrittsrede – hat er klar gemacht, dass er das zur Kernidee, nicht nur seines Wahlkampfs, sondern auch seiner Präsidentschaft machen will.»
«Trump befehligt nun die grösste wirtschaftliche und militärische Macht der Welt. Aber er hörte sich an, als habe er gerade Venezuela übernommen. Er hat eine Warnung an die Welt gerichtet – an die Gegner genauso wie an die Alliierten, die er mit seinen Angriffen auf die NATO, seinen Männerflirt mit Wladimir Putin und seine Attacken auf China, die EU und insbesondere Angela Merkel schon ausreichend verwirrt hat. Ihnen allen erzählte er, dass er soeben ein Treuegelübde auf die Amerikaner abgelegt habe – und dass sich die internationale Gemeinschaft hinten anstellen müsse. (...) «Wie sagen die Flugbegleiter zu den Passagieren: ‹Bitte bleiben Sie auf ihren Plätzen. Schnallen Sie sich an. Es kommen Turbulenzen auf uns zu.›» (sda)