Zum Auftakt des G20-Gipfels in Buenos Aires hat Gastgeber Mauricio Macri die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit beschworen. «Globale Herausforderungen erfordern globale Antworten», sagte der argentinische Präsident am Freitag.
Die Lösung für gemeinsame Probleme etwa beim Klima laute «Dialog, Dialog und nochmal Dialog». Das zweitägige Treffen der grossen Industrie- und Schwellenländer wird von Handelsspannungen, dem Ukraine-Konflikt und der Khashoggi-Affäre belastet.
Es begann ohne die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, die sich wegen einer Flugzeugpanne verspätete. Sie kam mit einem Linienflug am Freitag am Flughafen Ezeiza in Buenos Aires an und Sicherheitskräfte brachten sie im Eiltempo in das legendäre Opernhaus im Stadtzentrum, wo das Kulturprogramm gerade startete.
Für das meiste Aufsehen sorgte der Auftritt des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, der trotz der internationalen Kritik an ihm höflich bis freundschaftlich empfangen wurde. Ein massives Aufgebot von 25'000 Sicherheitskräften war im Einsatz, um gewaltsame Proteste wie vor einem Jahr beim G20-Gipfel in Hamburg schon im Keim zu ersticken.
Demonstrativ herzlich empfing Russlands Präsident Wladimir Putin den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman zu Beginn der formellen Gespräche lachend mit einem kumpelhaften Handschlag. Salman wird verdächtigt, den Mord an dem regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi in Auftrag gegeben oder zumindest davon gewusst zu haben.
Während ihm Merkel aus dem Weg gehen will, sprach Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Rande der Sitzung mit ihm. Auch die britische Premierministerin Theresa May will sich mit dem Kronprinzen treffen.
US-Präsident Donald Trump, der weiter zu seinem Verbündeten steht, tauschte nach Angaben aus dem Weissen Haus Freundlichkeiten mit dem saudischen Kronprinzen aus - «wie mit fast jedem anderen der Teilnehmer auch». Trump selbst sagte: «Es kann sein, dass wir eine Diskussion führen werden, aber wir haben es noch nicht getan.»
Wie Salman steht auch Putin in der «Gruppe der 20» in der Kritik. Weil Russland drei Marine-Schiffe und Seeleute der Ukraine weiter festhält, hatte Trump ein geplantes Treffen mit dem russischen Präsidenten kurzfristig abgesagt. Damit kommt es umso mehr auf Kanzlerin Merkel an, die am Samstag sowohl Putin als auch Trump trifft.
Die russische Küstenwache hatte den Patrouillenbooten der ukrainischen Marine die Durchfahrt in der Meerenge von Kertsch verweigert. Die Gewässer sind seit der Annektierung der Krim durch Russland zwischen beiden Staaten umstritten. Die ukrainischen Schiffe und 24 Matrosen wurden in russischen Gewahrsam genommen.
Angesichts des Ukraine-Konflikts bereitet die EU eine Verlängerung der im Januar auslaufenden Wirtschaftssanktionen gegen Russland vor.
Der erste Gipfeltag wurde zum Feiertag erklärt, der Bus- und Bahnverkehr eingestellt. Die Strassen der drei Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt wirkten am Vormittag wie leergefegt.
Zum zehnjährigen Jubiläum der G20-Gipfel auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs gibt es soviel Zündstoff wie selten. Mit Spannung wurden auch die Gespräche zwischen US-Präsident Trump und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping am Samstagabend erwartet. Es mehrten sich die Anzeichen, dass es zumindest zu einem «Waffenstillstand» im Handelskrieg der beiden grössten Volkswirtschaften kommen könnte.
Der zuständige chinesische Vizepremier Liu He ist nach Informationen der Nachrichtenagentur DPA «optimistisch». Es wurde für möglich gehalten, dass er Mitte Dezember nach Washington reist, um die Verhandlungen zur Beendigung der Spannungen fortzusetzen. Auch von amerikanischer Seite mehrten sich Signale, dass vielleicht eine vorläufige Einigung gefunden werden kann.
Trump beklagt unfaire Handelspraktiken Chinas, mangelnden Marktzugang, erzwungenen Technologietransfer, Produktpiraterie und Subventionen für Staatsbetriebe. Er hat Sonderabgaben auf die Hälfte der Importe aus China verhängt, während Peking Gegenmassnahmen ergriffen hat.
Kommt ihm Peking nicht ausreichend entgegen, droht er mit einer Anhebung der Zölle und einer Ausweitung auf alle Einfuhren aus China im Wert von mehr als 500 Milliarden US-Dollar. Eine Eskalation würde nicht nur das Wachstum in beiden Ländern bremsen, sondern auch weltweit.
Zum Auftakt des Gipfels blieb es auf den Strassen von Buenos Aires zunächst friedlich. Die Organisatoren der grossen Demonstration erwarteten Zehntausende Demonstranten, doch konnten viele gar nicht zu dem Protest kommen, weil der Bus- und Bahnverkehr eingestellt worden war.
Die Regierung hat am Freitag einen Ferientag verordnet. «Wir hoffen auf friedliche Demonstrationen», sagte Sicherheitsministerin Patricia Bullrich in Buenos Aires. Weite Teile des Zentrums wurden hermetisch abgeriegelt.
Sicherheitskräfte beschlagnahmten nahe der Demonstrationsstrecke rund ein Dutzend Brandsätze in einem verlassenen Auto. Die Molotowcocktails lagen in einem ausgebrannten Taxi, wie der Radiosender Mitre berichtete.
In Argentinien gibt es eine gut organisierte und kampferprobte linke Szene. Die Proteste richten sich gegen den Gipfel, den Währungsfonds (IWF) und die argentinische Regierung, die für die Wirtschaftskrise in dem Land verantwortlich gemacht wird.
Die Streitigkeiten mit dem US-Präsidenten über Handel und Klimaschutz sind die grössten Stolpersteine, ein gemeinsames Kommuniqué zu erreichen. Hinweise auf «Protektionismus», die als Kritik an den USA erstanden werden können, oder auch «unfaire Handelspraktiken», womit Trump auf China zielt, sind besonders umstritten. In der Geschichte der G20 hat es bisher immer eine gemeinsame Abschlusserklärung gegeben.
Nach dem Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen wurde erwartet, dass wie im Vorjahr auf dem Gipfel in Hamburg nur wieder die Differenzen festgeschrieben werden. Ein solcher Dissens war in der Geschichte der «Gruppe der 20» bis dahin einmalig. Das Klimaabkommen zielt darauf ab, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken, wovon die G20-Staaten aber weit entfernt sind.
Die Schweiz ist kein Mitglied der G20, nahm aber als Gastland im Juli auf Einladung Argentiniens bereits zum dritten Mal in Folge und seit 2008 zum vierten Mal insgesamt am sogenannten Finance Track der G20 teil. Finanzminister Ueli Maurer vertrat die Position der Schweiz am Treffen mit seinen Amtskollegen. Auch Gespräche über eine künftige Beteiligung unter dem G20-Vorsitz Japans wurden bereits geführt. (viw/sda/dpa/afp)