Sie gelten als Stimmungsbarometer für den Präsidenten, aber auch für die allgemeine Lage in den USA: die Midterms. Dabei werden Teile des Senats und das gesamte Repräsentantenhaus neu gewählt und die Karten somit komplett neu gemischt.
Auf den Wahlzetteln bei den diesjährigen Midterms sichtbar stehen zwar nur die Namen von Demokraten und Republikanern. Dahinter steht aber viel mehr als das: Viele Amerikanerinnen und Amerikaner entscheiden aufgrund der Positionen – manchmal auch nur einer einzigen – der Kandidaten zu aktuellen Themen. In einigen Fällen werden dabei äusserst knappe Rennen erwartet.
Hier erfährst du in Kürze das Wichtigste zu den Midterms:
Der Begriff «Midterms» verrät, dass es sich um Zwischenwahlen handelt – Wahlen des US-Parlaments, die zwischen den Präsidentschaftswahlen stattfinden. Dieses Parlament wird auch als Kongress bezeichnet, er besteht aus zwei Kammern: dem Senat und dem Repräsentantenhaus.
Alle 435 Sitze des Repräsentantenhauses sowie rund ein Drittel – 35 der 100 Sitze – des Senats stehen am Dienstag, 8. November, zur Wahl.
Im Senat sitzen die Vertreterinnen und Vertreter der Einzelstaaten der USA. Jeder Staat hat, unabhängig von seiner Grösse, eine Vertretung in Form von zwei Senatssitzen. Die Senatorinnen und Senatoren werden durch Mehrheitswahl direkt gewählt. Eine Amtszeit dauert sechs Jahre. Als Folge davon wird alle zwei Jahre ungefähr ein Drittel des Senats neu gewählt.
Im Gegensatz zum Senat hängt die Anzahl der Vertreterinnen und Vertreter im Repräsentantenhaus von der Grösse des Bundesstaates ab. Die 435 Sitze des house stehen für die gleiche Anzahl an Wahlbezirken. Die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger wählen die Abgeordneten ihres Kongresswahlbezirkes alle zwei Jahre.
Beide Kammern werden im Mehrheitswahlrecht (Majorzwahlen) gewählt. Das heisst, wer die meisten Stimmen innerhalb eines Staates (im Falle des Senats) oder eines Wahlbezirks (Repräsentantenhaus) erhält, zieht in den US-Kongress ein.
Seit Anfang 2021 werden die 100 Plätze im Senat von 48 Demokraten, 50 Republikanern und 2 Unabhängigen (Independents) besetzt. Da die zwei Independents – einer davon ist der linke Senator Bernie Sanders aus Vermont – im politischen Spektrum links einzuordnen sind, werden sie in der Regel zu den Demokraten gezählt. Damit ist die Macht im Senat ausgeglichen.
Bei Stimmengleichheit entscheidet die Senatspräsidentin bei Abstimmungen per Stichentscheid. Da dieses Amt gemäss der US-Verfassung von der Vizepräsidentin bekleidet wird, wird es zurzeit von Kamala Harris besetzt. Somit haben die Demokraten faktisch eine Mehrheit im Senat.
Von den 35 neu zu besetzenden Sitzen im Senat werden derzeit 14 von Demokraten und 21 von Republikanern gehalten.
Auch im house belegen die Demokraten eine – wenngleich hauchdünne – Mehrheit: 222 Sitze sind von Demokraten besetzt, 211 von Republikanern und zwei von Independents. In diesem Fall werden die Unabhängigen zu den Republikanern gezählt. Es besteht also eine demokratische Mehrheit von 222 zu 213. Das ist sehr knapp: Eine Mehrheit ist ab 218 Sitzen erreicht.
Im Repräsentantenhaus werden alle Sitze neu gewählt. 36 Gouverneure und Gouverneurinnen stellen sich dabei nicht zur Wiederwahl auf. Davon sind 20 Republikaner und 16 Demokraten.
Wie immer liegt die Aufmerksamkeit bei diesen Wahlen vor allem auf den sogenannten Swing States. Das sind Staaten, die weder traditionell republikanisch noch traditionell demokratisch wählen. Meist sind die Ergebnisse in den Swing States sehr knapp – aber oft entscheidend dafür, wer die Mehrheit gewinnt.
Im Repräsentantenhaus werden auch deshalb insbesondere die Ergebnisse in den Staaten Florida, Michigan, Pennsylvania, Arizona (gemäss CNN der entscheidende Staat in diesem Jahr) und Texas mit Spannung erwartet. Noch spannender wird es im Senat – jedes einzelne dieser Rennen könnte die Mehrheit entscheiden. Besonderes Augenmerk liegt auf den folgenden fünf Rennen, deren Ausgang wahrscheinlich sehr knapp wird:
Der Demokrat Raphael Warnock muss sich in diesem Jahr zur Wahl stellen, weil er lediglich die Amtszeit eines früheren Senators abschloss. Der Pastor tritt an gegen den Ex-Footballspieler Herschel Walker. Walker fiel zuletzt unter anderem deshalb auf, weil er in diversen Belangen nachweislich gelogen hat.
Trotz der zahlreichen Skandale, die den Ex-Footballstar umgeben, hat er seinen demokratischen Gegner in den Umfragen zuletzt überholt. Mittlerweile liegt mit über einem Prozentpunkt Unterschied vorne.
Da der bisherige Amtsinhaber nicht mehr antritt, werden die Karten in diesem Rennen komplett neu gemischt. Es tritt der Demokrat John Fetterman gegen den Republikaner Mehmet Oz an. Oz ist Chirurg und machte als TV-Arzt bei seiner eigenen Show namens «Dr. Oz Show» Karriere. John Fetterman, Vize-Gouverneur von Pennsylvania, sorgte beim einzigen TV-Duell mit Oz für Schlagzeilen, als er vor laufender Kamera einen Schlaganfall erlitt. Während Oz das Tempo hielt, verhaspelte sich Fetterman immer häufiger und redete langsamer.
Fetterman lag in den Umfragen lange vorne. Mittlerweile sehen die Prognosen die beiden Kopf an Kopf.
Auch hier hat das Rennen um den Senatssitz einen illustren Anstrich: Der Demokrat Mark Kelly ist ehemaliger Astronaut. Vor zwei Jahren holte er den ersten Senatssitz für die Demokraten in Arizona seit fast 60 Jahren. Sein Kontrahent ist der konservative Tech-Investor Blake Masters.
In den Umfragen führte Kelly lange Zeit mit einem komfortablen Vorsprung von teilweise fast 10 Prozentpunkten. Zwar führt der Demokrat noch immer, kurz vor den Wahlen ist sein Vorsprung aber auf rund zwei Prozentpunkte geschrumpft.
In diesem Rennen spielt auch die Hautfarbe eine grosse Rolle: Mandela Barnes setzt sich neben mehr Waffenkontrollen auch stark für die Rechte von Schwarzen ein. Johnson hingegen wird von schwarzen Wählern vorgeworfen, mit rassistischen Ängsten zu spielen, indem er Barnes' Hautfarbe als «dunkler» darstellt und ihn in Wahlkampfspots als «gefährlich liberal» bezeichnet.
In diesem Rennen hat sich der Wind in den Umfragen gedreht: Bis Mitte September führte der Demokrat Barnes mit relativ komfortablem Vorsprung, nun besteht ein Vorsprung von gut drei Prozentpunkten für den Republikaner Johnson.
Weil sich der republikanische Amtsinhaber Rob Portman nicht zur Wiederwahl stellt, wird der Senatssitz in Ohio frei. Der Demokrat Tim Ryan ist dabei kein Unbekannter: Für seinen Staat Ohio sitzt er seit 2013 im Repräsentantenhaus. Nun will er in den Senat, muss sich aber gegen den Kapitalmanager und Schriftsteller J.D. Vance durchsetzen.
Auch in Ohio kam es Ende September zu einem Wechsel in den Prognosen: Kurz vor der Wahl führt der Republikaner Vance die Umfragen mit einem Vorsprung von über vier Prozentpunkten an.
Eines vorneweg: Bei den Kongresswahlen ist es meist die Regierungspartei, die verliert. Mehrheiten können allgemein selten über längere Zeit gehalten werden, in der Regel wechselt mindestens eine der beiden Kammern ihre Farbe.
Trotzdem sah es im Sommer noch nach einer «Blauen Welle» aus: Nach dem Gerichtsentscheid zur Abtreibung durch den Obersten Gerichtshof sah es insbesondere bei den Frauen nach einem klaren Wechsel nach links aus. Kurz vor den Wahlen ist davon nichts mehr zu spüren: Das Momentum liege klar bei den Republikanern, schreibt der CNN-Analyst Harry Enten eine Woche vor den Midterms.
Einen Tag vor den Wahlen stehen die Wahrscheinlichkeiten im Senat 50:50, im house werden mit grösserer Wahrscheinlichkeit die Republikaner die Mehrheit übernehmen, so «Politico».
Die Plattform «Fivethirtyeight», die bekannt ist für ihre genauen Vorhersagen, sagt für die Republikaner auch im Senat einen Sieg voraus – mit aktuell 55 zu 45 Prozent. Noch drastischer sind ihre Prognosen im Repräsentantenhaus: Laut den Modellberechnungen von «Fivethirtyeight» gewinnen die Republikaner dort in 83 von 100 Fällen. (lak)
Eigentlich noch spannend, wenn es nicht verheerende Konsequenzen für den Rest der Welt hätte.