Jamal Khashoggi ist am 2. Oktober verschwunden. Saudi-Arabien hat die Tötung eingeräumt – und der US-Präsident ein Statement dazu veröffentlicht.Bild: AP/AP
«America first»: 6 Erkenntnisse aus Trumps Statement zum Mord an Khashoggi
US-Präsident Donald Trump veröffentlichte ein Statement zur Tötung des saudischen Dissidenten Jamal Khashoggi. Im Mittelpunkt stand aber nicht der Mord. Trump macht klar, welche Interessen er verfolgt.
Das Fazit des langen Statements von Donald Trump lautet: Trotz einer möglichen Mitwisserschaft des saudischen Kronprinzen am Mord des Journalisten Khashoggi will der US-Präsident Saudi-Arabien nicht zur Rechenschaft ziehen.
Angesprochen hat er zudem eine Reihen von anderen Themen. Eine Analyse von Trumps Aussagen mit Ergänzungen der New York Times (NYT).
Der wahre Feind heisst Iran
Trump versucht die Öffentlichkeit daran zu erinnern, wer der wahre Feind der Vereinigten Staaten ist – und es ist nicht Saudi-Arabien. Ganz im Gegenteil: Saudi-Arabien unterstützt Trumps strikte Politik gegen den Iran. Das dürfte auch ein Hauptgrund sein, warum das Weisse Haus – trotz aller Vorwürfe in der Causa Khashoggi – zu Kronprinz Mohammed bin Salman hält.
«Das Land Iran ist beispielsweise für einen blutigen Stellvertreterkrieg gegen Saudi-Arabien im Jemen verantwortlich. Es versucht, den zerbrechlichen Versuch der Demokratisierung im Irak zu destabilisieren. Es unterstützt die Terrorgruppe Hisbollah im Libanon und den Diktator Bashar Assad in Syrien (der Millionen seiner eigenen Bürger getötet hat) und vieles mehr. Ebenso haben die Iraner viele Amerikaner und andere unschuldige Menschen im gesamten Nahen Osten getötet. Der Iran erklärt offen und mit grosser Kraft «Tod für Amerika» und «Tod für Israel». Der Iran gilt als der «weltweit führende Sponsor des Terrors».»
Trump versucht Saudi-Arabien ins rechte Licht zu rücken. Das Land habe kein Interesse am Konflikt in Jemen und würde sich «gerne zurückziehen» und «humanitäre Hilfe leisten».
«Andererseits würde sich Saudi-Arabien gerne aus dem Jemen zurückziehen, wenn die Iraner zustimmen würden, zu gehen. Sie würden unverzüglich dringend benötigte humanitäre Hilfe leisten. Darüber hinaus hat sich Saudi-Arabien bereit erklärt, Milliarden von Dollar für den Kampf gegen den radikalen islamischen Terrorismus auszugeben.»
Fakt ist aber, dass Saudi-Arabien durch sein Eingreifen massgeblich zur humanitären Katastrophe beigetragen hat. Durch den Krieg wurde die schlimmste Hungersnot des Landes verursacht.
Verteidigungsminister Jim Mattis.Bild: AP/CTK
Trotz der Forderung von Verteidigungsminister Jim Mattis nach einem Waffenstillstand hat der Wüstenstaat seine Militäreinsätze intensiviert. Saudi-Arabien ist zudem auch für die vielen zivilen Opfer verantwortlich, wie die New York Times schreibt.
«Der Krieg im Jemen droht eine ganze Generation zu töten»:
Video: srf/SDA SRF
Es geht ums Geld
Geld ist ein wichtiger Faktor. Saudi-Arabien investiert Milliarden in die amerikanische Wirtschaft und schafft Hunderttausende Arbeitsplätze. Allein die Rüstungsindustrie profitiert mit Aufträgen von 110 Milliarden Dollar.
«Nach meiner stark ausgehandelten Reise nach Saudi-Arabien im vergangenen Jahr stimmte das Königreich zu, 450 Milliarden Dollar in den Vereinigten Staaten auszugeben und zu investieren. Das ist ein Rekordbetrag. Es wird Hunderttausende von Arbeitsplätzen schaffen, eine enorme wirtschaftliche Entwicklung und viel zusätzlichen Wohlstand für die Vereinigten Staaten. Von den 450 Milliarden Dollar werden 110 Milliarden Dollar für den Kauf von militärischer Ausrüstung von Boeing, Lockheed Martin, Raytheon und vielen anderen grossen US-Verteidigungsunternehmen ausgegeben.»
Zudem warnt Trump, dass Russland und China profitieren könnten, sollte der Deal platzen.
«Wenn wir diese Verträge törichterweise stornieren, wären Russland und China die enormen Nutzniesser – und sehr gerne würden sie all dieses neu gewonnene Geschäft übernehmen. Es wäre ein wunderbares Geschenk an sie direkt aus den Vereinigten Staaten!»
«Blödsinn!», kommentiert die NYT. Saudi-Arabien benutzt mehrheitlich amerikanische Waffen und Systeme der Nato. Die lassen sich nicht mit russischen oder chinesischen Bomben bestücken. Zudem können Ersatzteile nur aus den Vereinigten Staaten bezogen werden.
Saudi-Arabien will aufrüsten. Bild: EPA/SAUDI PRESS AGENCY
Es geht aber nicht nur um Investitionen, sondern auch um Öl. Frühere US-Präsidenten haben die strategische Allianz mit Saudi-Arabien bezüglich Ölförderung und niedrigen Gaspreisen in der Öffentlichkeit nicht zur Sprache gebracht. Nicht so Trump – er spricht ganz offen darüber.
«Saudi-Arabien ist nach den Vereinigten Staaten die grösste ölproduzierende Nation der Welt. Sie haben eng mit uns zusammengearbeitet und sind sehr auf meine Forderungen eingegangen, den Ölpreis auf einem angemessenen Niveau zu halten – so wichtig für die Welt.»
Die Chronologie des Falls Khashoggi
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Die Chronologie des Falls Khashoggi
2. Oktober: Der saudische Journalist Jamal Khashoggi besucht das saudische Konsulat in Istanbul. Er benötigt Papiere, um seine türkische Verlobte heiraten zu können. Seitdem fehlt von ihm jede Spur.
quelle: ap/trt world
Der Mord ist zwar schlimm ...
Kommen wir endlich zum Thema. Trump verurteilt die Tat und hat Massnahmen angeordnet.
«Das Verbrechen gegen Jamal Khashoggi war ein schreckliches Verbrechen, das unser Land nicht billigt. In der Tat haben wir energische Massnahmen gegen diejenigen ergriffen, von denen bereits bekannt ist, dass sie an dem Mord beteiligt waren. [...] Wir haben bereits 17 Saudis sanktioniert, von denen bekannt ist, dass sie an der Ermordung von Herrn Khashoggi und der Entsorgung seiner Leiche beteiligt waren.»
Jamal Khashoggi.Bild: AP/AP
Die Sanktionen richten sich gegen 17 Mitglieder des Killer-Kommandos – jedoch nicht gegen Ahmed al-Assiri. Der ehemalige Vize-Chef des saudi-arabischen Geheimdienstes soll der angebliche Drahtzieher des Mordes sein.
«König Salman und Kronprinz Mohammad bin Salman leugnen entschieden jede Kenntnis der Planung oder Ausführung des Mordes an Herrn Khashoggi. Unsere Geheimdienste werten weiterhin alle Informationen aus, aber es könnte durchaus sein, dass der Kronprinz von diesem tragischen Ereignis wusste – vielleicht tat er es, vielleicht nicht!»
Laut dem CIA gibt es genug Hinweise, dass der Kronprinz den Mord befohlen hat. Mit dieser Aussage missachtet Trump klar die Erkenntnisse des US-Geheimdienstes.
Fall Khashoggi: Ein Mord mit politischen Konsequenzen
Video: watson
... aber es bleibt, wie es ist
Trump erinnert erneut daran, dass der Iran der grösste Feind bleibt. Die USA werden Saudi-Arabiens Kronprinzen nicht zur Rechenschaft ziehen. Mohammed bin Salman braucht also keine Konsequenzen zu fürchten und kann sich über die wirtschaftliche Zusammenarbeit freuen. Für Trump steht die Beziehung zu Saudi-Arabien im Vordergrund.
«Auf jeden Fall bleiben unsere Beziehungen zum Königreich Saudi-Arabien bestehen. Sie waren ein grosser Verbündeter in unserem sehr wichtigen Kampf gegen den Iran. Die Vereinigten Staaten beabsichtigen, ein fester Partner Saudi-Arabiens zu bleiben, um die Interessen unseres Landes, Israels und aller anderen Partner in der Region zu wahren. Es ist unser oberstes Ziel, die Bedrohung durch den Terrorismus weltweit vollständig zu beseitigen!»
«America first» – so beginnt und endet das Statement. Und damit ist im Prinzip schon alles gesagt. Die Interessen der USA sind höher zu gewichten, um den eigenen Wohlstand voranzutreiben. Ein Mord an einem Journalisten soll da kein Hindernis darstellen. (vom)
«Als Präsident der Vereinigten Staaten möchte ich sicherstellen, dass Amerika in einer sehr gefährlichen Welt seine nationalen Interessen verfolgt und Länder, die uns Schaden zufügen wollen, energisch bestreitet. Dies heisst ganz einfach America first!»
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- Der Iran war auch mal ein grosser Verbündeter der USA, aber dafür ist MbS wohl zu jung. - Was Stellvertreter-Kriege anbelangt, sind die USA wohl weltweit führend. - Bei 9/11 führt die Geldspur wohl auch nicht zufällig nach Saudi Arabien.
Aber hey was soll's, America first und nach mir die Sintflut. Dieser korrupte und moralisch unterbelichtete Präsident hat wieder mal gezeigt, wo der Hammer hängt, im Portemonnaie.
America first! So neue ist dies nicht, alle US-Präsidenten haben danach gehandelt. Die Vorgänger von Trump haben das nur diplomatischer formuliert und besser in Watte gepackt, dass es nicht so aufdringlich wirkte.
Die USA verbrauchen wesentlich mehr Erdöl als sie selber fördern, also sind sie auf Lieferanten aus dem Ausland angewiesen. Die zwei Länder die am meisten Erdöl fördern, nebst den USA sind Russland und Saudi Arabien, beide ca. 12.5% Der weltweiten Förderung. Mit den Russen kann nicht mehr handeln, somit sind sie auf die Saudis angewiesen.