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Gelbwesten kommen zurück und wollen Macrons Kopf

Die «Gelbwesten» kommen zurück und jetzt wollen sie Macrons Kopf

07.12.2018, 14:5107.12.2018, 15:43
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Massenproteste in Frankreich eskalieren
Aus Protest gegen geplante Steuererhöhungen auf Diesel und Benzin sind in Frankreich am Samstag Zehntausende auf die Strassen gegangen und ...
quelle: epa/epa / ian langsdon
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Nach dreiwöchigen Protesten blasen die «Gelbwesten» zur Jagd auf Frankreichs Präsident Emmanuel Macron: Für Samstag rufen sie zum Sturm auf seinen Amtssitz auf, den Elysée-Palast. Die Proteste richten sich längst nicht mehr nur gegen hohe Steuern und Lebenshaltungskosten. Es geht um den Kopf des Präsidenten. (watson wird vor Ort sein und über die Proteste berichten.)

Wie ein Lauffeuer verbreitet sich in den sozialen Netzwerken der Aufruf eines «Gelbwesten»-Aktivisten zu Protesten vor dem Elysée-Palast. Auf die Frage eines Fernsehjournalisten, was die Aktivisten dort planten, sagt der Lastwagenfahrer Eric Drouot: «Wir gehen rein.»

Es ist die Kampfansage an einen Staatschef, der sich seit zehn Tagen in Schweigen hüllt. Bei einem seiner raren öffentlichen Auftritte – dem Besuch einer bei Protesten abgefackelten Präfektur – wurde Macron ausgebuht. Seine Beliebtheitswerte sind im freien Fall, in einer neuen Umfrage kommt er nur noch auf 18 Prozent.

Jahrelanger Frust

«Der Typ glaubt, er sei Gott», sagt ein wütender Aktivist, der in Le Mans südwestlich von Paris ein Treibstofflager blockiert. «Er verdient es, dass man ihm den Kopf abschneidet», sagt der Familienvater.

«Das Land ist am Rand eines Aufstands und eines Bürgerkriegs», warnte eine Delegation der «Gelbwesten». Auf ihre Forderung nach einem persönlichen Empfang ging Macron nicht ein. Jedoch will er sich nun Anfang der kommenden Woche öffentlich äussern, wie sein Umfeld mitteilte.

In Frankreich bricht sich nicht nur jahrelanger Frust über steigende Steuern, sinkende Renten und eine hohe Arbeitslosigkeit Bahn. Die rebellionsartigen Proteste werden getrieben vom Hass auf einen Präsidenten, der sich immer wieder zu arroganten Äusserungen hinreissen liess – etwa als er einen Arbeitslosen zurechtwies, er müsse «nur über die Strasse gehen» und finde schon einen Job. Oder als er die Franzosen als «widerspenstige Gallier» verspottete.

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Bild: EPA/EPA

Und der weiter nicht zu symbolischen Zugeständnissen bereit ist: Etwa die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, deren Abschaffung den früheren Investmentbanker in den Augen vieler zum «Präsidenten der Reichen» machte. Macron habe im Wahlkampf versprochen, die soziale Ungleichheit abzubauen, klagt ein 66 Jahre alter Rentner, der von 700 Euro lebt und bei Metz eine Strasse blockiert. «Das Gegenteil ist der Fall.»

Populisten profitieren

Von der Krise profitieren Kräfte am äussersten rechten und linken Rand. Die Rechtspopulistin Marine Le Pen riet Macron süffisant: «Reden Sie mit den ‹Gelbwesten›, verstecken Sie sich nicht im Elysée.» Gegen sie droht dem Lager des Präsidenten eine Niederlage bei der Europawahl im nächsten Mai.

Wenn der Staatschef kommende Woche zum EU-Gipfel nach Brüssel reist, kann er sich kaum noch als «Bollwerk gegen Populisten» präsentieren, als das er angetreten ist, sagt der Brüsseler Kommunikationsforscher Nicolas Baygert. Auch seine Reformpolitik steht auf der Kippe.

epa07214673 A trashcan burns on Place de la Republique as students demonstrate against the increase of the subscription fees for foreigners students, in Paris, France, 07 December 2018. This movement  ...
Bild: EPA/EPA

Das «Problem» Macron habe sich für Europa erledigt, triumphiert bereits Italiens Innenminister Matteo Salvini von der rechtsextremen Lega. In Deutschland streut AfD-Fraktionschefin Alice Weidel das Gerücht, Macron plane, am Samstag die «Armee gegen das eigene Volk einzusetzen». Das französische Verteidigungsministerium dementiert, dass es solche Pläne gibt.

Auch linke Kräfte versuchen, die «Gelbwesten» für ihre Ziele zu vereinnahmen. Der Linkspartei-Politiker Klaus Ernst sagte im Deutschlandfunk, ähnliche soziale Proteste seien auch in der Bundesrepublik «wünschenswert».

In Frankreich haben für die kommende Woche drei linke Oppositionsparteien zu einem Misstrauensvotum gegen Macron aufgerufen. Es hat wegen der absoluten Mehrheit des Präsidenten keine Chance. Das Misstrauensvotum auf der Strasse haben die «Gelbwesten» dagegen gewonnen. (aeg/sda/apa/afp)

So erzieht Emmanuel Macron einen Teenager

Video: srf
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35 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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N. Y. P.
07.12.2018 15:42registriert August 2018
Monsieur le president streicht bei Amtsantritt die Vermögenssteuern für Reiche, obwohl er kurz davor versprochen hatte, die soziale Ungerechtigkeit zu bekämpfen.

Ein kleiner faux pax von monsieur le president. Und der Anfang vom Ende. Seither tröpfelt diese Handlung wie Gift ins französische Selbstverständnis. Es wirkt mittlerweile staatszersetzend.

Und dass er sich seit 10 Tagen verschanzt, ist auch suboptimal, wenn man das so sagen darf..
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smoking gun
07.12.2018 16:49registriert Oktober 2015
Sollen verflucht noch mal die Reichen für den Klimaschutz bezahlen. Bei 1500.- Euro Lohn im Monat tun steigende Bezinpreise echt weh. Aber die Vermögenssteuer abschaffen, damit die, welche eh schon genug haben, noch mehr profitieren. Geits no?

Ich verstehe jeden, der auf die Strassen geht. Vandalismus muss nicht sein, aber offenbar ist die Wut riesig. In den Geschichtsbüchern steht vielleicht mal geschrieben: Es begann alles in Frankreich. Die Machtelite schaute mit einem arroganten Lächeln zu, unfähig, den Ernst der Lage zu erkennen ...
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tzhkuda7
07.12.2018 15:12registriert Juni 2015
Allgemein macht sich eine immer grössere Frustrstion unter den Menschen breit, die vor allem unterhalb der Mittelschicht leben.

Bloss richtet sie sich oft gegen die falschen. Wenn sie in Macron wirklich die Wurzel ihres Unglücks sehen, so ist auch er nicht mehr als der Buhman, der hinhalten muss, um auf so komplexe fragen eine einfache Antwort zu bieten.

Auch in Frankreich wäre mehr als genügend Vermögen vorhanden, ohne das auch nur ein Reicher auf irgendwas im Leben verzichten müsste. Sovirl Geld das nur rumliegt und vor sich hin wächst.
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