Einer der verblüffendsten Kriminalfälle in der Geschichte der USA wird wahrscheinlich für immer ein Rätsel bleiben. Die US-Bundespolizei FBI kündigte am Dienstag an, die Ermittlungen zu einem spektakulären Entführungsfall aus dem Jahr 1971 ohne Ergebnis einzustellen.
Ein unter dem Namen Dan Cooper reisender Mann bestieg am 24. November 1971 um 16:35 Uhr Ortszeit in Portland (USA) eine Boeing 727-051 der Fluggesellschaft Northwest Orient Airlines. Er trug eine Aktentasche voller Drähte und roter Stangen bei sich.
Das Flugzeug mit 36 anderen Passagieren an Bord war kaum in der Luft, als Cooper die Stewardess Florence Schaffner wegen einer Getränkebestellung herbeirief. Beim Bezahlen gab er ihr auch einen Umschlag. Da sie dachte, er würde ihr seine Telefonnummer geben, steckte sie ihn ungeöffnet in ihre Tasche.
Cooper lehnte sich näher und sagte: «Fräulein, Sie schauen sich den Zettel besser an! Ich habe eine Bombe.» Im Umschlag befand sich ein Zettel mit dem Inhalt: «Ich habe eine Bombe in meiner Aktentasche. Falls nötig, werde ich von ihr Gebrauch machen. Ich möchte, dass Sie sich neben mich setzen. Das ist eine Entführung.»
Die Flugbegleiterin bat darum, die Bombe zu sehen. Der Entführer öffnete seinen Koffer einen Spalt weit und lange genug, dass Schaffner rote Zylinder und Drähte erkennen konnte. Dann forderte er 200'000 Dollar, vier Fallschirme und Treibstoff, um das Flugzeug wieder aufzutanken. Cooper befahl ihr, dem Piloten zu sagen, dass er nicht landen solle, bevor nicht das von ihm geforderte Geld und die Fallschirme in Seattle-Tacoma bereitlägen.
Als das Flugzeug um 17:45 Uhr an seinem Zielort Seattle-Tacoma landete, liess der Entführer die Passagiere im Austausch gegen 200'000 Dollar und vier Fallschirmen, bestimmt für die vier Personen an Bord (den Pilot und Copilot, eine Stewardess und Cooper selbst), frei. Es wird vermutet, dass Cooper damit sicherstellen wollte, dass die Fallschirme nicht manipuliert waren.
Um 19:40 Uhr zwang er die Flugbesatzung, erneut abzuheben und bei relativ niedriger Geschwindigkeit und einer Höhe von etwa 10'000 Fuss (ca. 3000 m) mit ausgefahrenem Fahrwerk und Landeklappen in Richtung Mexiko zu fliegen. Irgendwann während des Fluges sprang er mit dem Geld und den Fallschirmen von der hinteren Treppe des Flugzeuges ab.
Das FBI vermutet, dass der Absprungzeitpunkt um 20:11 Uhr über dem Südwesten des Bundesstaates Washington war, denn zu diesem Zeitpunkt schlug die Treppe gegen das Flugzeug. Wegen der schlechten Sicht konnte sein Absprung nicht von den verfolgenden F-106-Kampfflugzeugen beobachtet werden.
Die Landezone wurde zunächst auf Clark County und Cowlitz County im Südwesten des Bundesstaats Washington in der Nähe des Lewis River lokalisiert. Spätere Überlegungen lokalisierten das Gebiet weiter südöstlich im Einzugsgebiet des Washougal Rivers. Jedoch wurde trotz mehrfacher umfangreicher Suchaktionen auch von privaten Amateuren nie eine Spur von Cooper gefunden.
Beim FBI waren über die Jahrzehnte etliche Hinweise auf den möglichen Täter eingegangen. Die Spuren führten aber nicht zum Ermittlungsziel. Lediglich ein Teil des Lösegelds war wieder aufgetaucht: Ein Kind hatte 1980 Bündel von zerknitterten 20-Dollar-Noten aus dem Lösegeld in der Sandbank eines Flusses gefunden. Doch auch die Noten führten die Ermittler nicht zum Täter.
Aus Sicht des FBI spricht einiges dafür, dass der Entführer den Fallschirmabsprung nicht überlebt hat. Die These, dass Cooper ein erfahrener Springer gewesen sei, vielleicht sogar ein Fallschirmjäger, liess sich nicht erhärten, im Gegenteil. Kein erfahrener Fallschirmspringer würde bei pechschwarzer Nacht im Regen mit Gegenwind um 320 km/h, bekleidet mit einem Trenchcoat und Strassenschuhen mit dem Fallschirm über unbekanntem Gebiet abspringen.
Jetzt hat das FBI eine der längsten und aufwändigsten Fahndungen seiner Geschichte ad acta gelegt, teilte die Behörde am Dienstag mit. Die Ressourcen sollten nun zur Aufklärung anderer Fälle genutzt werden.
(whr/sda/afp/wikipedia)