4 unterschätzte Fleischstücke, die wir mehr verwenden sollten
Wohl sind die Siebzigerjahre schuld: Dem steigenden Wohlstand von Herrn und Frau Schweizer, gepaart mit der landesweiten Verbreitung der Grossverteiler ist es zu verdanken, dass seit bald einem halben Jahrhundert vornehmlich noch Prime Cuts – sogenannte «Edelstücke» – konsumiert wurden. Entrecôte, Plätzli, Schweinskotelett, Pouletbrust.
Doch es gibt sie noch, die «Metzgerstücke», die special cuts … jene Fleischstücke, die qualitativ ganz und gar nicht minder wären, beim Grossverteiler aber kaum zu finden sind. Oder auch Stücke, die andernorts zum absoluten Standard gehören, bei uns aber kaum Beachtung finden. Etwa ...
Schweinebauch
Bürgler sagt:
In Asien ist pork belly omnipräsent. Und auch in Grossbritannien oder anderen europäischen Ländern ist es gang und gäbe. Hierzulande ist dieses Stück – obwohl erhältlich – erstaunlicherweise eher selten auf der Menukarte zu finden. Dabei ist Schweinebauch mit der richtigen Zubereitung eines von den schmackhaftesten, das es gibt. Sei es als Topping in einer dampfenden Schale Ramen-Suppe ...
... oder als Inhalt von gedämpften Brötchen ...
oder direkt vom Smoker beim Barbecue – Schweinebauch ist immer exquisit. Das ofengeschmorte Fleisch kann danach in Scheiben gebraten werden, wie hier etwa beim traditionellen dänischen Gericht stegt flæsk ...
... und hier rafute – Comfort Food aus Okinawa.
Die Zubereitung zu Hause könnte einfacher nicht sein. Ein paar Tipps:
- Wichtig ist es, ein Stück zu kaufen, das über seine ganze Länge gleichermassen dick ist.
- Damit es jene schöne, knusprige Kruste gibt, muss man die Schwarte mit einem scharfen Messer oder – aha! – einem Teppichschneider kreuzförmig einschneiden.
- Es lohnt es sich, das Fleisch rundum mit einem dry rub aus Salz, Pfeffer und etwas Zucker einzureiben (selbstverständlich darf man weitere getrocknete Gewürze dem rub beimischen – Fenchelsamen passen gut, etwa; Chiliflocken sind nie falsch). Hat man vorausgeplant, wäre jetzt der Zeitpunkt, den Schweinebauch über Nacht in den Kühlschrank zu stellen (ist aber fakultativ).
- Den Bauch mit der Schwarte nach unten in einen Bräter legen und mit Wasser angiessen, bis die Schwarte bedeckt ist. Im 135 Grad heissen Ofen 75 Minuten zugedeckt garen. Danach das Fleisch aus dem Bräter nehmen und mit der Schwarte nach oben auf ein Gitter umsetzen, das Gitter auf ein tiefes Backblech stellen. Wieder in den Ofen schieben und rund zwei Dezi Wasser beigeben. 90 Minuten im Ofen garen.
- Nun kann man den Schweinebauch entweder sofort geniessen, oder – will man ihn als Einlage für Ramen-Suppe oder eines der oben gezeigten Gerichte verwenden – ihn erkalten lassen und wiederum über Nacht im Kühlschrank lassen (das Fleisch lässt sich dann besser und in dünnere Scheiben schneiden).
Gleich geht es weiter mit den tollen Rezepten, aber vorab eine kurze Werbeunterbrechung:
Nose-to-tail als Inspiration
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Und nun zurück zum Essen ...
Lammstelzen
Die Bürglermeinung:
Lamb shanks, souris d'agneau – auf Deutsch sind das Lammstelzen. Und was genau ist das? Ganz einfach: der untere Teil der Lammkeule – und damit traditionell ein billigerer Cut. Aber so was von fein.
Hierzulande – anders als etwa in Frankreich, Italien oder Grossbritannien – ist es leider weiterhin kein gängiges Teilstück. In Schweizer Städten wird man aber etwa bei einem italienischen Metzger fündig (frag nach stinco di agnello). Und selbstverständlich kann man bei jedem Metzger seines Vertrauens solche Stücke bestellen.
Langsam garen in einem Schmorgericht, und dieses Fleischstück ist ein Traum. Das Stück lässt sich auch bestens für Kochtraditionen aus aller Welt verwenden. Das jemenitische haneeth, etwa ...
... oder zusammen mit einem feinen nordindischen biryani:
Für den Sonntagsbraten oder – hey, wieso nicht? – als Weihnachtsmenu – ganz sicher aber zu Ostern: Holt euch Lammstelzen! Ein ausführliches Rezeptbeispiel dazu habe ich hier für euch:
Brisket
Adrian sagt:
Brisket (=Rinderbrust) stellt das Herzstück eines guten Texas Barbecue dar. Dies, obwohl das Fleischstück traditionell als billiger Cut galt, weil eher zäh.
Aber BBQ gehört historisch traditionell den einkommensschwachen oder entrechteten Menschen, denen die «schwierigeren» Fleischstücke blieben, die erschwinglicher waren als die «guten», teuren Cuts. So lässt sich durch die Methode des low and slow cooking, wie es mit einem amtlichen Smoker möglich ist, ein eher zähes Stück in eines der zartesten und saftigsten Rindfleischstücke überhaupt verwandeln.
Nun lebt aber nicht jeder in Texas und nicht jeder hat einen Smoker zu Hause im Garten. (Und nicht jeder hat einen Garten.) Es ist auch möglich, ein vorzügliches Brisket im Ofen zuzubereiten. Aber ob im Smoker, im Ofen, im Kugelgrill oder Sous-Vide – überall gilt: Geduld.
- Es lohnt sich, den Brisket mit einem dry rub einzureiben (Salz, Pfeffer, Knoblauchpulver, Chilipulver, brauner Zucker etc. – aber Salz alleine ginge auch) und dann in Küchenfolie eingewickelt über Nacht in den Kühlschrank zu stellen.
- Die Ofentemperatur sollte circa 110 Grad sein – am besten Umluft. Ob nun im Ofen oder Smoker, man sollte gut und gerne mal 10 Stunden einplanen für das ganze Prozedere. Wenn eine Kerntemperatur von 70 Grad erreicht ist (Richtwert: nach 3–4 Stunden, je nach Grösse) kann man den Brisket in Alufolie einwickeln und weitergaren, bis eine Kerntemperatur von ca. 90 Grad erreicht ist (Richtwert: 4–5 Stunden, je nach Grösse).
- Auspacken und die Ofentemperatur auf 140 Grad erhöhen (oder: das Fleisch vom Smoker auf den Grill legen) und während circa einer Stunde ein paar Mal mit Mop-Sauce (Rezeptbeispiel hier) bestreichen, bis die Sauce schön karamellisiert ist. Danach nochmals in Alufolie wickeln und mindestens 30 Minuten ruhen lassen, bevor man es in feine Scheiben schneidet.
Onglet
Bürgler meint:
Der onglet de boeuf – zu Deutsch Nierenzapfen – ist das Metzgerstück schlechthin; heisst es doch auf Englisch mitunter butcher's steak (auch: hanger steak oder hanger tenderloin). Der Name leitet sich davon ab, dass die Metzger das Teilstück für sich selbst behielten, anstatt es zum Verkauf anzubieten. Dies, weil bei der Kundschaft die Meinung herrschte, es handele sich um ein minderwertiges Stück Fleisch, obwohl es in Wirklichkeit eines der zartesten und schmackhaftesten ist. Wohl rührte die Verwirrung daher, dass der Nierenzapfen technisch gesehen zu den Innereien gehört, obwohl es sich um reines Muskelfleisch handelt (und auch so schmeckt).
Obwohl im deutschsprachigen Raum kaum verbreitet, muss man nicht weit reisen, um onglet de boeuf zu finden. Bereits in der Romandie ist es problemlos zu bekommen, und in Frankreich gehört es zu den Standard-Cuts.
Ein perfekt gereiftes Onglet vereint das Zarte des Filets mit dem kräftigen Fleischgeschmack eines Ribeye. Dementsprechend ist es gut geeignet zum Kurzbraten oder Grillieren.
- Scharf anbraten, anschliessend langsam durchziehen lassen (auf dem Grill indirekt oder in der Küche mit der Niedergarmethode). Keinesfalls aber mehr als saignant durchbraten!
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