Alarm in Schweizer Haushalten: Schweizer Detailhändlern gehe das Streugewürz Aromat aus, so wird berichtet. Vor allem bei der Migros herrsche gähnende Leere in den Regalen. Die SDA schreibt:
Aha. Preiskampf also. «Zwischen der Migros und dem Hersteller herrscht dicke Luft. Sie können sich beim Abnahmepreis nicht einigen», so Blick.
Zunächst: Chillets mal echli. Die Streithähne werden sich schon noch einigen. Das Zeugs wird wieder erhältlich sein.
Und selbst wenn – selbst wenn – es nun eine Zeit lang kein Aromat gäbe ... na und? Hey, überlebenswichtig ist es mitnichten.
Oder anders gesagt: So geil ist Aromat auch wieder nicht.
Seht, Aromat ist eine Streuwürze, wie es sie überall auf der Welt zuhauf gibt. Klar, gewisse Länder haben ihre Lieblingsmarke, und vielleicht ist diese ebenfalls ähnlich eng mit der nationalen Identität verstrickt wie Aromat mit der Schweiz. Aber letztendlich besteht Aromat aus Zutaten, wie sie in jeder zweiten Streuwürze zu finden sind: Salz, MSG, Zucker, Gewürze, Weizenstärke, Öle und gemahlene Kuhhörner und dergleichen.
Fehlt das Aromat, dann kaufst du dir eines der gefühlt 100-TAUSEND anderen Produkte. Die heissen vielleicht All Purpose Seasoning Blend, aber vom Konzept her ist's dasselbe.
Ach ja – auch mal überlegt, weshalb du so sehr für Aromat schwärmst?
Der Geschmack?
Fehlanzeige.
Nö, du liebst es, weil es dich an deine Kindheit erinnert.
Vielleicht war es dein geliebtes Grosi, das dir erstmals etwas vom Pülverchen aus der ikonischen Büchse aufs hartgekochte Ei streute. Vielleicht sind diese Erinnerungen gar mit den ersten haptischen Erfahrungen mit Esswaren in der Frühkindheit verknüpft, damals, als deine kleinen Fingerchen erstmals ein Ei schälen und dann zur Streuwürze greifen durften. Das sind starke emotionale Erinnerungen, die tief in unserem Unterbewusstsein harren.
Analoges Beispiel: Ich liebe McVities Digestive Biscuits über alles. Gebe ich solche aber meinen Schweizer Freunden zum Probieren, ernte ich Konsternation. Was soll daran jetzt fein sein? Objektiv ist ein solcher Einwand mehr als berechtigt, denn den Uneingeweihten fehlt die wichtigste aller Geschmacksnoten: die Kindheitserinnerungen, nämlich der Mami dabei zuzusehen, wie sie die Guetzlidose von dem Küchenregal herunterholte.
Seht, jedes Land hat irgendeine Essware, von der alle schwärmen. Als Besucher wird man unweigerlich einen Einheimischen treffen, der einem von den einzigartigen und köstlichen Eigenschaften dieses einen typischen Lebensmittels vorschwärmt. Meistens kann aber der objektive Geschmackstest die hohen Erwartungen nicht ganz erfüllen. Der Grund: Uns fehlt der emotionale Kontext.
Ebendarum verstehen Ausländer etwa des Schweizers Begeisterung für eine der fadesten Würste der Welt nicht (Bratwurst). Oder was an einem Sprudel aus Milchserum eigentlich fein sein soll (Rivella). Oder weshalb um eine MSG-Würze solch ein Aufheben gemacht wird (Aromat). Das macht aber nichts, den die Schweizer verstehen meine Digestives auch nicht.
Essen ist immer emotional. Und manches Essen mehr als anderes.
Und Aromat ist überbewertet.