Liebe Schweizer, bevor ihr euch über kulinarische Merkwürdigkeiten aus fernen Gefilden mokiert – Chicken and Waffles oder Chicharrones oder Lammfleisch mit Pfefferminzsauce, irgendwer? –, haltet doch schnell inne und bedenkt: Die Schweiz ist sehr, sehr klein und die eigenen Geschmacksvorlieben als Norm auf ausländische Esstraditionen anzuwenden, wäre einerseits arrogant und andererseits ein Eigentor. Letzteres weil gewisse Schweizer Gerichte ausserhalb helvetischer Gefilde schnell mal als – höflich ausgedrückt – exzentrisch gelten.
Fondue, etwa, wenn man's sich so überlegt: Nichts gegen geschmolzenen Käse, aber wer käme auf die Idee, eine derartig grosse Masse davon als Hauptgang zu verspeisen. Wahnsinn, eigentlich.
Hier kommen einige Schweizer Klassiker, die – obwohl sie allesamt meistens gehörig fein sind – bei meinen ausländischen Kumpels immer wieder Unverständnis hervorriefen.
Roher Cervelat, Käse und French Dressing: In der Schweiz gilt das als Salat. Naja, wieso nicht? In Frankreich servieren sie einem auch einen Berg von lardons und einen chèvre chaud und nennen es une salade.
Nicht genug, dass man aus einem potentiell halbwegs anständigen Chicken Curry eine runtergetunte Weicheier-Version für Leute gemacht hat, die nicht einmal einen Ansatz von Schärfe vertragen – nein, am Schluss schmeisst man Abscheulichkeiten wie frittierte Bananen und Dosen-Ananas drauf. Und Schlagrahm.
Pasta mit Hackfleisch? Klar, das funktioniert. Die Italiener machen's seit je her vor. Wieso muss man süssen Apfelkompott dazu servieren??
Und was, bitte sehr, ist daran hawaiianisch?
Ich liebe die Pastetli mit Pilzrahmsauce – so lange man dieses merkwürdige Fake-Fleisch auf die Seite tut.
«Weshalb um Himmels Willen macht man die Brötli nicht ein Bisschen länger, damit die Wurst auch hineinpasst ... und es nicht immer so pornös aussieht, wenn man sie isst? », sprach Emily National, sichtlich genervt.
Die Kalbsbratwurst an sich verwirrt manchen Besucher. In allen Travel-Guides und von Schweizern selbst als Obligatorium deklariert, lautet das Fazit oftmals: Ja, ganz okay, aber so geil auch wieder nicht. Oder wie es eine andere Expat-Bekanntschaft ausdrückte: «Unverständlich, welche Begeisterung man hier für die fadesten Würste der Welt aufbringen kann.»
Nun, auch die Italiener kombinieren ab und an Pasta mit Kartoffeln bei urchigeren Rezepten: Pizzocheri valtellinesi kommen einem spontan in den Sinn, oder trofie al pesto con patate e fagiolini. Trotzdem wird die Kohlenhydrate-mit-Kohlenhydrate-Kombo nicht selten als merkwürdig empfunden.
Ha – und wieder Apfelmus dazu. WEIRD.
An sich ziemlich fein (sofern man Käse mag), wenn man uns doch vorher den Namen verschwiegen hätte.
Ich mag mich noch sehr genau erinnern an das erste Mal, als mir Gschwellti mit Käse aufgetischt wurde: Zum Znacht während des Klassenlagers in meinem ersten Jahr in der Schweizer Schule. «Gibt es heute keinen richtigen Znacht?» fragte ich meine Klassenkameraden. «Doch, Gschwellti», hiess es. «Gschwellti? Ist das ein Gericht?» «Ja, klar ein klassisches Schweizer Gericht.» «Sorry, das sind bloss ungeschälte Kartoffeln und Käse dazu. Technisch ist das doch ein Snack, oder?»
Nun, ich liebe Käse und inzwischen finde ich Gschwellti als Konzept genial. Doch ziemlich alle von mir angesprochenen Ausländer reagierten ähnlich bei ihrem ersten Gschwellti-Erlebnis. Ähnlicher Fall: das heute eher seltene Kafi Complet.